Ein gemeinsam gefasster Plan

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"Wie ist eigentlich der Kelch von Hufflepuff entstanden?", fragte Ernie neugierig.
Megan blickte ihn ungläubig an. "Du unterbrichst mich für so eine Frage? Also schön: Morrigan hörte vom Heiligen Gral und wollte auch so einen schicken Kelch."
Zacharias legte den Kopf schief. "Aber es sind keine Raben drauf."
Megan grinste. "Rowena war die, die Morrigan ihr Leben verdankte und den Raben als Symbol wählte. Ich hingegen verdanke Morrigan hauptsächlich eine Menge Ärger." Trotz der rauen Worte war ihr Lächeln liebevoll. "Um ehrlich zu sein, wollte ich sie einfach ärgern."


Längst war das Feuer ausgebrannt und die Nacht weit fortgeschritten. Die fünf Jugendlichen waren enger zusammengerückt und saßen nun Schulter an Schulter, um sich vor dem kalten Wind zu schützen.
„Wie geht es jetzt weiter?", fragte Hermine. „Ich meine, es gibt so viel zu tun, dass ich gar nicht weiß, wo wir anfangen sollen. Da sind so viele Missverständnisse und Vorurteile, was uns und Hogwarts betrifft, dass es Jahre dauern wird, das alles wieder zu beseitigen. Und ich spreche noch gar nicht von dem Krieg gegen Voldemort und seine Todesser."
Megan beobachtete, wie Mor am Nachthimmel ihre Kreise zog. „Morrigan möchte Voldemort, so schnell es geht, vernichtet sehen, wisst ihr? Er macht ihr schon sehr lange Ärger."
„Durch all die Menschen, die er getötet hat?", fragte Ron.
„Das auch", sagte Megan mit einem halben Lächeln. „Aber hauptsächlich weil er nicht stirbt. Das nimmt sie persönlich."
Grimmig blickte Draco in das erstorbene Feuer. Erneut züngelten Flammen hervor und tauchten sein Gesicht in rötliches Licht. „Als mein Vater im Ministerium versagte, erwies mir der Dunkle Lord die zweifelhafte Gnade, den Ruf meiner Familie vor seinen Augen wieder herzustellen. Dazu erteilte er mir den Auftrag, Albus Dumbledore zu töten."
Harry erwiderte seinen Blick. „Eine unmöglich zu erfüllende Aufgabe, wenn er dich weiterhin für gerade siebzehn hält. Aber es wird seinen Zweck erfüllen und seine Anhänger in dem Glauben lassen, Voldemort verteile zweite Chancen an seine Diener."
Dracos Augen nahmen einen stählernen Glanz an. „Ich werde nicht zulassen, dass er meiner Familie etwas antut."
Verständnisvoll blickte Harry ihn an. „Hat er dir ein Zeitfenster gelassen?"
Unterdrückte Wut funkelte in Dracos Augen. „Bis zum Ende des Schuljahres."
„Doch so viel?", fragte Harry ironisch. „Wie überaus gnädig von ihm."
Fragend ruhte Megans Blick auf Harry. „Du hast dich schon einige Wochen früher erinnert als wir. Versuche nicht so zu tun, als würdest du nicht längst einen Plan verfolgen." Sie lächelte ihm zu. „Um ehrlich zu sein, wundert es mich ein wenig, dass er nicht schon längst tot ist."
„Leider hat er Horkruxe erschaffen, die genau das verhindern", erwiderte Harry düster. „Ich spürte sie gleich, als er mich in diese Welt beschwor."
„Horkruxe ...", sagte Hermine nachdenklich. „Das erklärt einiges. Konntest du ihre Position ermitteln?"
„Leider nicht. Ich bin dem erstbesten gefolgt und landete so in diesem Körper."
Hermine starrte ihn an. „Warte. Willst du damit sagen, dass in deinem Körper ein Horkrux sitzt?!"
„Saß", korrigierte Harry mit leisem Staunen in der Stimme. „Unsere vereinte Magie hat ihn vernichtet." Er warf Draco einen Blick zu. „Genauso wie das Dunkle Mal."
Andächtig rieb sich Draco über seinen makellosen Unterarm. „Ich hatte ganz vergessen, zu was wir gemeinsam in der Lage sind ..."
Hermine lächelte. „Wir alle sind als Elementaristen gut darin, Dunkle Magie auszutreiben. Als unsere Kräfte nach so vielen Jahren wieder vereint aufeinandertrafen ... Voldemort hatte keine Chance. Ich meine, beinahe hätten wir einen Fürst der Hölle ausgetrieben. Voldemort mag mächtig sein, aber an diese Macht reicht er nicht heran."
Megans Augen begannen zu leuchten. „Also gut, Voldemort hat Horkruxe. Aber wir haben die Macht, sie zu vernichten. Bleibt nur die Frage, wie wir sie möglichst schnell auftreiben."
„Alle Horkruxe zu ermitteln und zu jagen würde sehr viel Zeit in Anspruch nehmen", sagte Hermine nachdenklich. „Wir brauchen einen schnelleren Weg ... einen, bei dem wir nicht ganz Großbritannien durchsuchen müssen."
Harry lächelte. „Was, wenn ich euch sagen würde, dass es einen solchen Weg gibt?"
„Ich wusste es!" Megan strahlte ihn an. „Was hast du ausgeheckt?"
„Ich bin mir sicher, ihr wisst es schon", antwortete Harry und ließ den Blick mit einem wissenden Lächeln zwischen seinen Freunden schweifen.
Hermine tauschte einen Blick mit Megan. „Was wenn wir ..."
Die Augen des rothaarigen Mädchens begannen zu leuchten. „Das könnte funktionieren."
„Was könnte funktionieren?", fragte Ron ungeduldig.
„Die Anderswelt", sagte Hermine mit leuchtenden Augen. „Versteht ihr nicht? Die Horkruxe hindern Voldemorts Seele daran, die Welt der Lebenden zu verlassen. Sie sind wie Ketten, die ihn daran hindern, auf die andere Seite überzutreten. Aber was, wenn er sie freiwillig verließe ? Was, wenn er sich aus eigenem Willen in die Anderswelt begeben würde?"
„Die Ketten würden zerspringen", sagte Draco langsam. „Die Bande, die Voldemort an das Diesseits binden, wären zerstört. Und damit wäre er wieder sterblich."
Harrys Augen blitzten. „Alles was es braucht, ist ein Anreiz. Es bedarf eines Lockvogels, der ihm die Verlockungen der anderen Seite schmackhaft macht."
„Nichts für ungut", sagte Ron. „Aber ganz egal, was er für Lobpreisungen über die Anderswelt hört, ich glaube nicht, dass jemand, der sieben Horkruxe erschaffen hat, die so einfach wieder aufgibt."
„Nicht wissentlich", sagte Harry lächelnd. „Aber wenn ich mich nicht sehr irre, ist über die Anderswelt und ihre Regeln kaum noch etwas bekannt. Er hat bereits versucht, mich aus dieser Welt herbeizurufen. Das heißt, dass seine Neugier bereits geweckt ist." Seine Augen blitzten. „Es ist noch nicht einmal eine Lüge, das große Macht und Wissen auf der anderen Seite verborgen liegen. Außerdem haben uns die jüngsten Ereignisse, was das angeht, noch einmal erheblich in die Hände gespielt." Harrys Blick wanderte zu Draco. „Was genau vermag Voldemort über das Dunkle Mal zu spüren?"
Malfoy verstand, worauf er hinauswollte. „Er weiß stets, wenn einer von uns stirbt. Wir müssen ihn nie über unsere Verluste informieren."
Harry lächelte. „Dann sollten wir unserem Feind einige Rätsel aufgegeben haben. Für jemanden, der sieben Horkruxe erschafft, um sich vor dem Tod zu schützen, sollte deine unerklärliche Auferstehung ihren ganz besonderen Reiz ausüben. Wenn er herausfindet, dass die Anderswelt den Schlüssel zum Geheimnis der Unsterblichkeit birgt ..."
Megan schnaubte. „Morrigan entscheidet, wer zurückgeführt werden darf. Wenn unser Schlangengesicht einmal tot ist, wird er das auch bleiben." Ein Lächeln blitzte über ihre Lippen. „Und wenn es nach meiner Göttin geht, wird er an seinem Leben nach dem Tod keine große Freude haben. Sie ist auch die Göttin der gerechten Rache, wisst ihr?"
„Schon ...", sagte Hermine gedehnt. „Aber Voldemort erscheint mir nicht wie jemand, der sich mit beinah ausgestorbenen Religionen auseinandersetzt, oder?" Bitterkeit schlich sich in ihre Stimme. „Zumal sich kaum Schriftquellen aus dieser Zeit erhalten haben ..."
Ron drückte ihre Hand, bemerkte, was er tat, und ließ sie hastig wieder los. Hermine schenkte ihm ein überraschtes Lächeln.
Draco nickte. „Es steht bereits in seinem Namen. Voldemort sieht sich als jemand, der den Tod überwindet. Er wird jedes vielversprechende Mittel ergreifen, das sich ihm bietet."
„Das ist genial!", rief Megan aus. „Damit bieten wir ihm scheinbar den Heiligen Gral! Aber in Wahrheit ist es ein Schierlingsbecher!"
Ein Lächeln schlich sich auf Hermines Lippen. „Du und deine Kelche ..." Dann wandte sie sich an Harry. „Aber an wen hast du gedacht? Wer wäre geeignet, solches Wissen an Voldemort weiterzutragen? Dracos Vater ist in Ungnade gefallen. Und auch wenn Draco ein Todesser ist, ist er definitiv zu jung, um solches Wissen zu besitzen, geschweige denn weiterzugeben. Außerdem hat er das Dunkle Mal verloren. Wir bräuchten jemanden, dem Voldemort vertraut. Und den er genug respektiert, um seine Worte in Erwägung zu ziehen."
Harrys Miene nahm einen undefinierbaren Ausdruck an. „Vielleicht jemand ... wie Salazar Slytherin?"
Seine Worte fielen in tiefes Schweigen.
„Bist du dir sicher?", fragte Hermine zögernd. „Glaube mir, ich bin überzeugt, dass du diese Rolle überzeugend spielen kannst. Aber ..." Hilflos streckte sie die Hand in seine Richtung. „Bist du dir sicher, dass du dir das antun willst?"
Harrys Stimme war so ausdruckslos wie sein Gesicht. „Du hast richtig festgestellt, dass es jemanden braucht, den Voldemort respektiert und dessen Worten er Glauben schenken wird, damit es uns gelingen kann, ihn in die Anderswelt zu locken. Er hat bereits versucht, Salazar Slytherin zu beschwören. Also soll er ihn bekommen."
„Illusionen sind zu unsicher", sagte Hermine prompt. „Er könnte in der Lage sein, sie zu durchschauen."
„Ich arbeite mit Alterungstränken. Ich habe bereits mit ihnen experimentiert und gute Ergebnisse erzielt. Zu Beginn des neuen Schuljahres sollte ich einen ordentlichen Vorrat angelegt haben. Harrys Augen glänzten undurchschaubar. „Ich werde ihn in Sicherheit wiegen, indem ich ihm genau den Zauberer zeige, den er sich als Verbündeten gewünscht hat."
Megans Miene war grimmig. „Voldemort wünscht sich keinen Menschen. Er wünscht sich das Monster, zu dem dich die Geschichte gemacht hat."
„Er wünscht sich den Mann, der ich später geworden bin", korrigierte Harry sanft. „Glaube mir, Megan, ich weiß noch genau, wie es sich anfühlt."
Die Gründerin Hufflepuffs unterdrückte ein Schluchzen. „Aber das ist doch ein Grund mehr, es nicht zu tun!"
„Wer soll diese Rolle stattdessen übernehmen?", fragte Harry ruhig. „Severus Snape, der bereits eine komplexe Rolle als Doppelagent spielt? Dies ist die beste Option, die wir haben."
„Du machst das nicht allein." Dracos Stimme war so voller Autorität, das alle zu ihm herumfuhren. „Wenn du noch einmal durch diese Hölle gehst, dann wirst du es nicht allein tun. Ich komme mit dir."
„Ähm ... nichts für ungut", warf Ron vorsichtig ein. „Aber ich glaube nicht, dass Du-weißt-schon-wer Godric Gryffindor Vertrauen schenken wird."
„Nein", stimmte Draco ihm zu. „Das wird er gewiss nicht." Ein schmales Lächeln erschien auf seinen Lippen. „Aber es könnte ungemein helfen, wenn er sieht, wie sich Godric Gryffindor und Salazar Slytherin in Hogwarts Hallen bekriegen. Welchen besseren Beweis könnte es für Slytherins Loyalität geben?"
Harrys Augen weiteten sich. „Das muss du nicht tun."
Draco lächelte schief. „Warum nicht? Ich denke, wir haben langjährige Übung darin, uns in Hogwarts zu bekriegen. Findest du nicht, Potter?"
Megan und Hermine tauschten einen Blick. Dann stemmten beide gleichzeitig die Hände in die Hüften. „Nicht ohne uns! Vergesst es!", rief Hermine entschlossen. „Keiner von uns macht mehr irgendwelche Alleingänge. Wenn wir etwas unternehmen, dann alle gemeinsam."
Megan nickte mit gefährlich blitzenden Augen. „Wie überzeugend wird es erst, wenn alle Gründer von Hogwarts auf einen Schlag zurückkehren? Wenn zwischen uns exakt die Dynamik herrscht, die man uns nachsagt? Voldemort könnte gar nichts anders, als dir zu vertrauen, Harry."
Der Gründer Slytherins blickte langsam von einem zum anderen. „Es würde bedeuten, dass Trauerspiel der letzten Jahre zu wiederholen. Und ihr wisst, dass ich ein sehr guter Schauspieler bin. Und ich werde es sein müssen, um Voldemort zu überzeugen."
Hermine blickte ihn an, Vertrauen in den dunklen Augen. „Wenn es nur gespielt ist, ist es in Ordnung, Harry."
Fragend wandte sich Harry an Megan. „Meintest du nicht, du hättest noch jetzt Alpträume von meiner kalten Ausstrahlung?"
Die Hufflepuff begegnete entschlossen seinem Blick. „Dann habe ich ja jetzt die Gelegenheit, das Ganze zu verarbeiten, nicht wahr?"
„Es hätte Vorteile, wenn wir alle vor Ort wären", sagte Draco ernst. „Es wäre ein Leichtes, uns zu besprechen und unser gemeinsames Vorgehen zu planen."
„Es gibt andere Möglichkeiten, mit euch in Kontakt zu treten", erwiderte Harry sanft. „Ihr müsst das nicht tun. Wirklich nicht."
Megan erhob sich ruckartig. „Salazar Slytherin! Ich werde nicht ein weiteres Mal daneben stehen, während du das Gewicht der Welt auf deinen Schultern trägst. Entweder wir machen das zusammen, oder gar nicht!"
Hermine nickte ihm zu. „Vier Viertel eines Ganzen. Vergiss das nicht."
Ruhig erwiderte Draco Harrys Blick. „Ich habe einst geschworen, dass dein Kampf immer auch der meine ist. Ich habe nicht vor, diesen Schwur zu brechen."
Harry spürte, wie ein großes Gewicht von seinen Schultern wich. „Ich danke euch", sagte er erstickt. „Ihr wisst nicht wie sehr."
Ron verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust. „Ihr wollt also die Gründer spielen? In Ordnung! Und welche Rolle habt ihr für mich? Denn ich habe nicht vor, ruhig daneben zu sitzen."
Harry betrachtete den Freund nachdenklich. „In der Rolle von Slytherin werde ich sehr viele unschöne Dinge sagen und tun müssen. Für alle Muggel und Muggelgeborenen wird es schwerer werden, als jemals zuvor. Es wäre gut, wen du ein Auge auf die Schüler haben könntest. Du bist Vertrauensschüler. Bis zu einem bestimmten Grad könntest du sie sogar beschützen. Meinst du, du könntest das tun?"
Ron nickte beklommen. „Klar. Ich gebe mein Bestes."
Hermines Augen glommen im Licht des neu entfachten Feuers. „Dann ist es beschlossen. Sobald das Schuljahr beginnt, kehren die Gründer von Hogwarts von den Toten zurück."
Megan grinste. „Voldemort kann einpacken!"
Ron reckte die Faust gen Himmel. „Aber so was von!"
Draco nickte entschlossen. „Ja, denn dieses Mal bilden wir eine Einheit."

Und so kam es, dass auf einem namenlosen Berg über einem verlöschenden Feuer ein Bündnis geschlossen wurde. Und während sich fünf wiedergeborene Hexen und Zauberer voller Entschlossenheit in die Augen blickten, erwachte das Wappen der Schule zum Leben. Der Rabe begann mit den Flügeln zu schlagen und sein Kampfschrei verhallte in der Tiefe der Nacht. Der Dachs richtete sich auf seine Hinterpfoten auf und erwiderte voller Wärme den Blick von Adler und Schlange, die sich zu den beiden anderen Tieren herabbeugten, sodass sich ihre Blicke begegneten.
Und während all das geschah, schälten sich verborgene Schriftzeichen aus den Fugen des Gesteins hervor. Golden und glänzend, als während sie frisch geschmiedet, verkündeten sie das Motto der Schule, das sich soeben um einen Satz verlängert hatte. „Kitzele niemals einen schlafenden Drachen. Und wenn es sich einmal nicht vermeiden lässt, so löse das entstandene Problem gemeinsam."

XXX

Bellatrix Lestrange hätte heulen können vor Wut. Sie war so nah dran gewesen, ihren verhassten Cousin endlich von dieser Welt zu tilgen. Wie gerne hätte sie gesehen, wie neben Sirius Platz auf dem Stammbaum der Familie Black ein Sterbedatum aufgetaucht wäre. Und dann hätte sie ihren Zauberstab genommen und auch dort sämtliche Spuren von ihrem verräterischen, muggelliebenden Cousin beseitigt. Aber es hatte nicht so kommen sollen. Der Todesfluch hatte Sirius verfehlt. Und stattdessen war er auf Narzissa, ihre zarte und sensible Schwester zugeschossen. Ein Glück, dass sich Draco davor geworfen hatte. Sie hatte den Jungens schon immer für zu weich befunden. Er bestand nicht aus dem Material, aus dem Todesser gemacht waren. Der Junge war wie Lucius. Er konnte schöne Reden schwingen, aber wenn es darauf ankam, den Wünschen ihres Lords zu folgen, dann zogen sie den Schwanz ein. Ja, Bellatrix kannte solche Männer zu genüge. Es war nicht gerade schlimm, dass es nun einen davon weniger auf der Welt gab. Aber Zissi würde deswegen bestimmt sehr traurig sein. Bellatrix sollte sie unbedingt einmal besuchen. Sie würde ihr sagen, dass sie jung genug war, um neue Kinder zu zeugen. Und sie alle könnte sie in den Dienst des Dunklen Lords stellen. Es gab sogar gute Chancen, dass sie bessere Diener abgeben würden, als es Draco je gewesen war. Wenn Zissi wusste, was gut für sie war, dann würde sie dieser Gedanke aufheitern. Bellatrix sann über all das nach, während die Auroren sie zu den anderen Todessern brachten. Noch immer war sie betäubt von Sirius dummen Stupor, aber sie spürte bereits, wie sich der Zauber zu lösen begann. Nein, sie gehörte nicht zu diesen Versagern, die daran gescheitert waren, den Wünschen des Dunklen Lords zu entsprechen. Sie hatte vorgesorgt. Der verflixte Stupor löste sich, kurz bevor man sie mit den anderen an magische Fesseln binden konnte. Mit einem triumphierenden Kreischen berührte Bellatrix den Portschlüssel, den sie um ihren Hals trug. Sie würde nicht zulassen, dass sie noch einmal irgendjemand von ihrem Lord trennte. Seien es Dementoren, das Meer oder Askaban. Sie ,als seine treueste Dienern, würde nicht ein weiteres Mal von seiner Seite weichen. Und nächstes Mal, das schwor sie sich, würde sie nicht eher ruhen, bis sie Sirius ein für alle Mal vom Antlitz dieser Welt getilgt hatte.

Innerlich glühte sie vor Vorfreude, als sie Riddle Manor betrat. Sie würde nicht müde davon werden, Voldemorts Präsenz zu spüren. Der Dunkle Lord war gewaltig wie ein Unwetter und gefährlich wie das Meer bei Sturm. Und doch wurde keines dieser Bilder ihm gerecht. Ihre Magie war wie elektrisiert in seiner Gegenwart und wenn er sprach, dann konnte sie nicht anders, als vor Ehrfurcht zu erstarren. Selbst wenn er sie strafte, war er schön und gewaltig in seinem Zorn. Bellatrix erschauderte, wenn sie nur daran dachte. Auf dem Weg zu dem Saal, in dem ihr Lord seine Audienzen für gewöhnlich abhielt, kam ihr eine schwarz gewandete Gestalt entgegen. Severus Snape grüßte sie mit einem kurzen Kopfnicken, bevor er mit wehenden Roben an ihr vorbei schritt. Eine Welle von Neid überspülte Bellatrix. Ihr Lord hatte ausgerechnet Snape sprechen wollen, wo sie in seinem Namen einen Angriff auf das Ministerium geführt hatte? Was war an Snape und seinen Informationen so wichtig, dass ihr Lord ihn ständig bevorzugte? Der Orden lebte noch immer. So nützlich konnten Snapes Informationen gar nicht sein. Und der Platz zur Rechten ihres Lords stand niemand anderem zu als ihr. Niemand würde sie von dort verdrängen. Erst recht nicht der schleimige Verräter, dem sie seit der ersten Sekunde an misstraut hatte. Mochte sein, dass er geschworen hatte, Dumbledore zu töten. Aber noch hatte er es nicht getan. Und bis er den Zauberstab hob und ihn tatsächlich auf den Schulleiter richtete, würde Bellatrix seine Loyalität in Zweifel ziehen.
„Ich beobachte dich", zischte sie ihm zu.
Snape, dieser arrogante Narr, hob darauf nur eine Augenbraue. Oh, wie sie ihn zertreten wollte. Zerrupfen wie das minderwertige Insekt, das er in Wahrheit war. Aber nicht jetzt. Für Ärgernisse wie Snape würde noch später Zeit sein. Nun ging es daran, ihren Lord aufzusuchen. Ohne einen weiteren Blick an diese dreckige Made zu verschwenden, schritt sie an ihm vorbei und betrat den Raum, in dem ihr Gebieter sie erwarten würde.

Wie immer war der große Raum nur unzureichend erleuchtet. Doch dort saß er, Nagini hatte sich, wie der Umhang eines Königs, um seine Schultern geschlungen. Grünliches Licht flackerte über seine blasse Haut und spielte auf den Schuppen der Schlange. Bellatrix verschlug es den Atem. „Herr", flüsterte sie heiser und sank auf die Knie.
Stoff raschelte, als sich ihr Lord erhob. Sie spürte mehr, wie sie hörte, dass er sich ihr näherte und sie mit langsamen Schritten zu umkreisen begann.
„Berichte", raunte er ihr zu.
Bellatrix überlief eine Gänsehaut. „Herr ... es gelang uns, die Festgesellschaft zu überraschen. Ich selbst duellierte mich mit dem Minister. Black, dieses Ärgernis war ebenfalls dort ..."
Eine Robe raschelte über den Boden. „Und? Sind sie noch am Leben?"
Ein Zittern trat in Bellatrix Stimme. „Es ... es war so knapp, Herr! Wären Potter und Dumbledore nicht gewesen ..."
„Bella ...", raunte er. Obwohl er flüsterte, konnte Bellatrix ihn nur zu gut verstehen. „Du hast deinen Lord enttäuscht ... ein weiteres Mal ..."
Bellatrix spürte, wie ihr ein Schauder über den Rücken kroch. Sie warf sich flach vor ihrem Meister auf den Boden. „Ich bitte um Verzeihung, Herr. Es wird nicht wieder vorkommen ..."
„Du hast im Ministerium versagt, wo du Harry Potter aufhalten und die Prophezeiung beschaffen solltest. Ja, es gelang dir nicht einmal, Sirius Black unschädlich zu machen ..."
Bellatrix wagte kaum zu atmen. „Herr, ich ..."
„Doch ich war gnädig. Ich gab dir erneut die Möglichkeit, dich zu beweisen. Ich übergab dir das Kommando als es galt, Rufus Scrimgeour aus dem Weg zu räumen. Doch auch dieser Auftrag misslang dir auf klägliche Weise. Wenn du schon nicht den Minister töten konntest, eine Meisterleistung, die ich dir kaum mehr zutraute, so hatte ich doch gehofft, du könntest Angst unter unseren Feinden verbreiten. Doch wie es aussieht, bist du auch an dieser Aufgabe gescheitert ..."
„Es war Potter, mein Lord", beeilte sich Bellatrix zu sagen. „Hätte er Sirius nicht beiseite gezogen, hätte ich ihn erwischt. Dann hätte ich auch niemals Narzissa ..."
„Harry Potter", unterbrach sie der Dunkle Lord leise. „Nicht nur tötet er seine eigenen Verwandten, nun wandelt er schon im Dunstkreis des Ministers. Ich sehe Potenzial in dem Jungen. Und gebe zu, dass seine Entwicklung mein Interesse weckt ..."
Bellatrix fühlte, wie die flammenden Augen ihres Herrn auf ihr zur Ruhe kamen „Im Gegensatz zu dir, Bella. Langsam gelange ich zu dem Eindruck, dass sich dein Potenzial dem Zenit zugeneigt hat. Denke daran, dass du nicht unersetzbar bist. Zurzeit ist mir Severus Snape deutlich nützlicher als du ..."
Bellatrix unterdrückte ein Zischen. Ihr Lord zog Snape, diesen Wurm, ihr, seiner treuesten Dienerin vor? Brennende Eifersucht durchzuckte sie. Und unter Tränen wagte sie es, den Blick zu heben und den Saum seiner Robe zu betrachten. „Herr, lasst es mich erneut versuchen! Lasst mich Euch meine Treue beweisen! Ich schwöre, ich werde euch nicht erneut enttäuschen."
„So, wirst du das?" Ein langer schmaler Finger schob sich unter ihr Kinn und zwang sie, zu ihm aufzuschauen. Bellatrix sog scharf die Luft ein. Der Teil von ihr, der nicht vor Angst zitterte, liebte diese Momente. Ihr Lord beugte sich so nah zu ihr herab, dass sein Atem ihr Gesicht streifte. „Ich rate dir, dich an deinen Schwur zu halten, Bellatrix Lestange."
Bellatrix ertrank in den Augen ihres Herrn. Niemals würde sie von seiner Seite weichen. Sie würde nicht zulassen, dass sie irgendjemand von ihm fortstieß. Nicht Sirius Black und ganz bestimmt nicht Severus Snape. Dann ließ er sie los und zitternd sank sie zu Boden.
„Was weißt du über den Verbleib von Draco Malfoy?"
Die Frage verwirrte sie. Sie schüttelte den Kopf, damit sich ihre Gedanken klärten, aber es wollte nicht helfen. „Draco, Herr? Was soll mit ihm sein?"
Der Dunkle Lord wandte ihr den Rücken zu. „Er starb während der Kämpfe im Ministerium. Ich spürte es durch das Dunkle Mal ..."
Bellatrix biss die Zähne zusammen. „Der Todesfluch war eigentlich für Black bestimmt. Dann hat Potter ihn zur Seite gezogen und es hat Draco erwischt. Aber ihr werdet seinen Verlust verkraften, Herr. Er wäre Euch niemals ein würdiger Diener geworden ..."
Voldemort schwang herum und rote Augen durchbohrten sie. „Also bist du auch dafür verantwortlich, Bellatrix Lestrange. Dein Versagen geht noch tiefer, als ich annahm. Ich warne dich, wage es nicht, den Wert meiner Diener zu beurteilen. Dieses Recht obliegt alleine deinem Lord."
Sie presste sich flach auf den Boden. „Ja, Herr", hauchte sie. „Es wird nie wieder geschehen ..."
Voldemort überging ihre Worte. „Wie der Zufall es will, vermochte es Draco Malfoy, nach seinem Ableben, mein Interesse zu wecken. Denn kurze Zeit, nachdem ich durch das Dunkle Mal von seinem Tod unterrichtet wurde, spürte ich ihn erneut. Der Junge befand sich eindeutig wieder unter den Lebenden und mehr noch, bei bester Gesundheit. Allerdings nur für einen winzigen Moment ... dann zerriss unsere Verbindung vollständig. Ich schickte eine Gruppe von Todessern aus, dieses Rätsel zu lösen. Sie fanden Draco Malfoy in der Gesellschaft von Harry Potter und seinen Freunden ... Ein Kampf entbrannte und meine Diener berichteten, wie die Elemente begannen, verrückt zu spielen. Als das Toben der Elemente abnahm, war die gesamte Umgebung zerstört und die Schüler verschwunden. Rote Augen fanden Bellatrix am Boden kauernde Gestalt. Kannst du dir daraus einen Reim machen, Bella?"
Bellatrix sah die Faszination in den Augen ihres Herrn. Das, was ihr Lord beschrieb, wirkte tatsächlich wie ein Wunder. Sie hatte selbst gesehen, wie Draco von ihrem Todesfluch getroffen worden war. Er war tot gewesen, eindeutig und unwiederbringlich. Wie nur hatte er es vollbracht, zurückzukehren? Und was war passiert, als ihr Herr seine Diener ausgesandt hatte? „Ich weiß es nicht, Herr", sagte sie leise.
Voldemort wandte sich von ihr ab. „Das", sagte er, „hatte ich befürchtet."
Bellatrix spürte, dass sie entlassen worden war. Mit Tränen in den Augen taumelte sie auf die Beine. Es machte ihr nichts aus, wenn Ihr Lord sie bestrafte. Doch wenn er ihr seine Aufmerksamkeit entzog, wenn er sie, so wie jetzt, einfach auf dem Boden liegen ließ, ohne ihr einen Blick zu schenken, das war das Schlimmste. Und ihr Lord wusste es. Dass er es nun tat, ließ Bellatrix, mehr als jemals zuvor, um ihre Stellung fürchten. Sie musste Snape auf den Platz verweisen, an den er gehörte. Sie musste Sirius Black vom Antlitz dieser Welt tilgen. Und sie musste herausfinden, was Draco Malfoy widerfahren war. Denn wenn ihr das gelang, dann würde nichts und niemand mehr sie von der Seite ihres Herrn vertreiben.

XXX

Albus Dumbledore betrachtete mit funkelnden Augen das Schwert von Gryffindor. Die Waffe ruhte in ihrer Verankerung an der Wand, wie sie es getan hatte, nachdem Harry es aus dem alten Hut gezogen und damit einen Basilisken bekämpft hatte. Aber für einen Moment war das Schwert fort gewesen. Albus wusste genau, wie er sinnend von einem Brief aufgeschaut hatte und die Waffe vor seinen Augen verschwunden war. Nun aber war sie wieder da. Mehr noch, die Klinge wirkte wie frisch geschmiedet und der im Griff eingelassene Rubin leuchtete, als lodere darin ein Feuer. Nachdenklich strich der Schulleiter von Hogwarts über seinen langen, silbernen Bart. Erst der Leitspruch der Schule, der sich um einen Satz verlängert hatte ... dann das plötzlich beinah lebendige Wappen und nun das Schwert, das verschwand, ohne verloren zu gehen. Die letzten Jahre in Hogwarts waren turbulent gewesen. Viele Male hatten Voldemort und seine Diener versucht, ihre Hände nach der Schule und denen, die darin lebten, auszustrecken. Der Stein der Weisen war geschützt und eine geheime Kammer entdeckt worden. Ein Krimineller war gefasst und befreit , ein Wettbewerb der Zauberschulen bestritten und gewonnen worden. Die Schule hatte Dolores Umbridge und der Orden des Phönix Voldemort getrotzt. Aber dieses Jahr ... Albus hatte das untrügliche Gefühl, dass das diesjährige Schuljahr etwas ganz Besonderes für sie bereithalten würde. Etwas Großes passierte. Und Hogwarts erwachte aus seinem langen Schlaf und bereitete sich darauf vor.

Harry Potter und die Legende der GründerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt