Eine Verhandlung im Ministerium

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"Sie können ihn nicht wirklich zurück nach Askaban schicken, oder?", fragte Hannah ängstlich.
"Natürlich können sie", sagte Susan bitter. "Es geht nicht um Schuld oder Beweise. Letztendlich geht es nur darum, wer die meisten Stimmen auf seiner Seite hat. Und das ist selten der Angeklagte."


Die Tage vergingen quälend langsam. Zusammen mit Hermine, Megan, Sirius und oft auch Remus und Tonks, suchten sie durch alle Gesetzestexte, die sie finden konnten. Selbst Ron gab sein bestes dabei, ihnen zu helfen. Der Tod Amelia Bones und die Gewissheit, dass Pius Thicknesse die Verhandlungen leiten würde, hatte sie nur umso verbissener darin gemacht, sich auf jede Eventualität vorzubereiten. Dumbledore besuchte sie an den Abenden und gab sich ebenfalls große Mühe, Sirius auf das vorzubereiten, was ihn erwarten würde.

Am Tag der Anhörung war Sirius gespannt wie ein Bogensehne. Der Animagus konnte keinen Moment still sitzen, und seine Lippen bewegten sich unablässig stumm, während er Gesetzestexte vor sich hin rezitierte.
Schließlich wurde es Harry zu viel und er zwang seinen Schützling auf einen Stuhl. „Du schaffst das, Sirius. In wenigen Stunden bist du ein freier Mann. Das verspreche ich dir."
Hermine nickte entschlossen, auch wenn ihre Stimme ein wenig höher klang, als sonst. „Alles, was du tun musst, ist dich darin zu erinnern, was wir herausgefunden haben."
„Aber das ist es ja eben!" Sirius raufte sich die Haare. „Wenn sie mich nicht für geistig zurechnungsfähig halten, dann hat meine Aussage keine Bedeutung. Und ihr seid minderjährig. Auch ihr könnt nicht für mich aussagen. Zwar bürgt Dumbledore für mich, aber der hat nichts gesehen, was von Bedeutung wäre."
Harry blickte ihn ruhig an. „Du hast dich einverstanden erklärt, Veritaserum einzunehmen. Und Professor Dumbledore wird dafür sorgen, dass die richtigen Fragen gestellt werden. Hermine, Ron und ich können nicht offiziell aussagen, aber trotzdem hat meine Meinung Gewicht in der magischen Welt."
Ron zuckte mit den Schultern. Aber auch er wirkte angespannt. „Du bist ein Black. Der Name an sich hat schon einiges an Einfluss. Ich meine, das können sie nicht einfach übergehen, oder?"
Sirius starrte vor sich hin. „Nur, dass sie das schon einmal getan haben. Was hindert sie daran, es wieder zu tun?"
„Danke, Ron", murmelte Hermine leise. Lauter fügte sie hinzu: „Beim letzten Mal waren wir nicht gut vorbereitet. Aber diesmal haben wir so ziemlich alle gelesen, was es zu dem Thema zu wissen gibt. Du wirst es schaffen! Ganz bestimmt!"
Harry warf Sirius einen prüfenden Blick zu. „Du solltest dich fertig machen. Der erste Eindruck ist wichtig, erst recht in deiner Lage."
Entrüstet verschränkte Sirius die Arme. „Ich bin fertig!"
Harry warf ihm einen langen Blick zu. Sein Schützling trug ein Hemd auf Jeans und darüber seine Motorradjacke. „Wenigstens heute solltest du dich um ein etwas ... traditionelleres Auftreten bemühen."
Sirius schnaubte abfällig „Ich will nicht mit diesen Reinblütern in einen Topf geworfen werden!"
„Die Reinblüter sind diejenigen, die die meiste Macht in der magischen Welt inne haben. Und ja, heute solltest du betonen, dass du zu ihnen gehörst."
Sirius rührte sich nicht. Düster starrte er Harry an und wirkte in diesem Moment zehn Jahre jünger als er war.
„Sirius Black! Zieh dir andere Sachen an, bevor ich sie dir anzaubere!"
Widerwillig verließ Sirius den Raum und Harry hörte ihn die Treppe hinauf poltern. Megan hinter ihm begann zu lachen. Harry warf ihr einen fragenden Blick zu. „Würde es dir etwas ausmachen, den Grund für deine Erheiterung mit mir zu teilen?"
Megan schmunzelte „Ihr beide wirkt wie Vater und Sohn", sagte sie belustigt. „Nur in vertauschten Rollen."
Seufzend setzte sich Harry zu ihr an den Tisch. „Eher wie Onkel und Neffe", sagte er abwesend.
Dann kehrte Sirius zurück und diesmal trug er eine traditionelle Robe aus schwarzem Satin. Goldene Muster wanden sich elegant um Saum und Kragen des edlen Kleidungsstücks. Das einzige, was nicht dazu passte, war sein Gesichtsausdruck „Zufrieden?", fragte er säuerlich.
„Sehr", erwiderte Harry mit einem kleinen Lächeln. „Die ist nicht aus deinem Kleiderschrank, oder?"
Sirius schnaubte. Ich besitze solche Roben nicht mehr, seitdem ich von zu Hause abgehauen bin. Die hier ist von meinem geliebten Herrn Vater."
Harry nickte. „Umso besser. Das sollte den richtigen Eindruck vermitteln."
„Ach ja?"
Harry nickte. „Es erinnert die Leute daran, wer du bist."
In dem Moment klopfte es an der Tür. „Ich danke dir, Kreacher", war eine freundliche Stimme aus dem Flur zu vernehmen. Kurze Zeit später betraten drei Besucher den Raum. Dumbledores silberblaue Robe wirkte formeller als sonst und Ringe glitzerten an seinen Fingern. „Seid gegrüßt miteinander", sagte der Schulleiter freundlich und neigte den Kopf.
"Hey Leute", sagte Tonks mit einem nervösen Lächeln. Ihr Haar hatte heute eine kränkliche, grüne Farbe.
Auch Remus Lupin wirkte mitgenommener als sonst. Dunkle Ränder lagen unter seinen Augen. "Ich wünschte ich könnte bei der Verhandlung dabei sein", sagte er leise.
Sirius berührte ihn an der Schulter. "Es ist nicht deine Schuld, dass sie Leute mit einem kleinen haarigen Problem nicht in das Ministerium lassen. Du bist hier, Moony. das ist alles, was zählt."
Remus wirkte, als wollte er etwas sagen, aber er schluckte die Worte herunter. Stattdessen setzte er ein gezwungenes Lächeln aus. "Richtig. Ich und Tonks warten einfach hier auf euch, um die anschließende Feier nicht zu verpassen."
Tonks hatte Sirius währenddessen genauer betrachtet. "Was trägst du da eigentlich? Das sieht aus wie die Roben, die ganz hinten in Mums Kleiderschrank hängen." Als sie Sirius Gesichtsausdruck sah, fuhr sie hastig fort. "Nur in männlich halt. Steht dir, wirklich", fügte sie etwas lahm hinzu.
Dumbledore betrachtete Sirius mit einem wissendes Funkeln in den blauen Augen. „Eine umsichtige Wahl, Sirius. Ich denke, das ist genau die Art von Aussage, die wir heute benötigen werden."
Sirius beugte sich zu Harry herab. „Habt ihr euch verschworen, oder so?"
Harry warf einen warnenden Blick in Dumbledores Richtung, um dann einen verwirrten Ausdruck aufzusetzen.
Sirius überlief es kalt. Grünauge hätte Sirius dazu geraten, seine Kleidung den Umständen anzupassen. Aber Harry Potter, ohne die Erinnerungen als ein Leben als Salazar Slytherin, hätte niemals etwas derartiges gesagt, oder auch nur daran gedacht. Es war also höchst unklug, in Dumbledore Gegenwart darüber zu sprechen. Nach der Art, wie er selbst auf Harrys Enthüllungen reagiert hatte, hatte er vollstes Verständnis dafür, dass sein Mentor es vorzog, seine Identität geheim zu halten. Und durch seine Gedankenlosigkeit hätte Sirius ihn beinah verraten. Warum konnte man sich nicht selbst verfluchen? Der Animagus räusperte sich unwohl. „Ähm ... Wir sollten los, oder?"
Dumbledore blickte forschend von einem zum anderen. „Aber unbedingt. Bei solchen Terminen kann man gar nicht zu früh erscheinen."
Sirius nickte und plötzlich war er wieder nervös. „Egal, wie das hier ausgeht. Ich danke euch allen für eure Hilfe."
Ron, Hermine und Megan nickten ihm zu. Der Schulleiter schenkte ihm ein beruhigendes Lächeln. Remus und Tonks zogen ihn in eine kurze Umarmung.
Aber Harry war es, der zuerst sprach. „Immer, Sirius." Und auch wenn die Verlegenheit in seinen Worten ein Ausdruck der Rolle war, die er sich zu spielen entschlossen hatte, war der Ausdruck in seinen Augen voller Ernsthaftigkeit.
Sirius war froh, darauf nicht mehr erwidern zu müssen. Hastig marschierte er voran in Richtung Haustür. Und auch, wenn er keine passende Antwort wusste, erzeugten Harrys Worte ein warmes Gefühl in ihm. Es gab so viele Menschen, die auf ihn zählten und auf seine Rückkehr hofften. Er hatte vor, diese Gelegenheit nicht zu verhauen.

XXX

Ein warmer Sommerwind brachte den Geruch von Blüten durch sein offenes Fenster. Draco Malfoy vollendete seine Hausaufgaben für Zaubertränke, bevor er sie mit einem leisen Lächeln beiseite schob. Aus dem Salon war der Klang eines Klaviers zu hören. Seiner Mutter hatte nicht mehr gespielt seit ... seit all das hier begonnen hatte. Nun war der Dunkle Lord fort. Das Ministerium war mit seinen Auroren über sie hergefallen, hatte jedoch unverrichteter Dinge wieder abziehen müssen. Die Familie Malfoy bot Todessern keinen Unterschlupf. Nicht mehr. Gedankenverloren strich Draco über das Dunkle Mal auf seinem Unterarm, das sich schon jetzt als Fehler herausgestellt hatte. Voldemort mochte noch immer die magische Welt terrorisieren. Aber er tat es nicht mehr von Dracos zu Hause aus. Früher hätte er vielleicht gesagt, dass ihn die Sache nun nichts mehr anginge, jetzt, wo sie ihn persönlich nicht mehr betraf. Aber die Dinge hatten sich geändert. Der Dunkle Lord war nun dort draußen und andere Menschen mussten unter ihm leiden. Draco wusste nun wie sich das anfühlte. Und er wollte, dass niemand mehr unter Voldemort leiden musste. Nie wieder.
Das Klavierspiel verebbte und kurze Zeit später stand seine Mutter im Türrahmen. Sie war sorgfältig geschminkt und ihr silberfarbener Ausgeh-Umhang wallte um ihre Schultern.
„Wirst du mich zur Anhörung von Sirius Black begleiten?"
„Du hast vor, hinzugehen?", fragte Draco überrascht. Seit er sich erinnern konnte, hatte seine Mutter das Thema seines Onkels gemieden. Schon vor seiner Inhaftierung war Sirius Black ein Schandfleck der Familie gewesen, der sich lieber mit Muggelgeborenen abgab und an Dumbledores Rockzipfel hing, ohne sich je um die Verantwortung zu kümmern, die es bedeutete, der Erbe des Hauses Black zu sein.
Narzissa atmete langsam aus. „Er ist trotz allem Familie", sagte sie schließlich. „Außerdem kann es in unserer jetzigen Lage nicht schaden, wenn wir uns verhalten wie üblich und Gerichtsverhandlungen von hoher Tragweite besuchen."
Draco wusste, was sie ihm damit sagen wollte. Die Familie Malfoy hatte, durch die Inhaftierung seines Vaters und die Durchsuchung der Auroren, einen starken Ehrverlust hinnehmen müssen. Wenn sie nun aber weitermachten wie bisher und gesellschaftliche Anlässe besuchten, wo sie nur konnten, war es möglich, diesen Schaden auf ein Minimum zu reduzieren. Gewohnheiten und Äußerlichkeiten beeinflussten die Denkweise. Das war Politik. Draco nickte ihr zu. „Natürlich, Mutter. Ich hole eben meinen Umhang."
Als Narzissa mit einem knappen Nicken das Zimmer verlassen hatte, wandte er sich an Godric. „Wirst du uns begleiten?" Ihm war nicht ganz klar, welchen Regeln Geister unterlagen. Doch die meisten schienen mehr oder weniger an einen bestimmten Ort gebunden zu sein.
„Ich bin dort, wo du bist. Alles, was du tun musst, ist meine Präsenz zuzulassen."
Draco blickte den Geist perplex an. Er verstand nicht, was der Herr der Löwen mit dieser Aussage meinte. War Gryffindor etwa ... an ihn gebunden? Warum sollte der Gründer Gryffindors so etwas tun? Aber für Fragen war keine Zeit. Seine Mutter wartete auf ihn. Er warf sich seinen Umhang über und verließ an der Seite des Geistes sein Zimmer.

XXX

Als sich Dumbledore mit einem letzten beruhigenden Kopfnicken von ihm verabschiedete, als Sirius allein hineingerufen wurde, um den Platz des Angeklagten einzunehmen, als ihn das Blitzgewitter der Reporter erwartete, war er sich nicht mehr ganz so sicher, ob all das hier eine gute Idee war. Dann blickte er hoch zum Richterstuhl und sah in das krötenähnliche Gesicht von Dolores Umbridge. Die Ministeriumsangestellte fing seinen Blick auf und warf ihm ein klebriges Lächeln zu, das nicht Gutes bedeuten konnte. Aus dem Sitz des Amtsleiters für magische Strafverfolgung, den Anelia Bones so lange innegehabt hatte, starrte ihm das ausdruckslose Gesicht von Pius Thicknesse. Sirius biss die Zähne zusammen. Auch Rufus Scrimgeour, der neue Minister, war vor Ort. Aber unter dem Deckmantel der Unparteilichkeit, hatte er keine besondere Rolle in dieser Verhandlung inne. Sirius konnte nur hoffen, dass dessen Abmachung mit Harry sich dennoch positiv auf den Prozess auswirken würden. Er suchte Dumbledores Blick in der Menge, doch der Schulleiter unterhielt sich mit einem wichtig aussehendem Zauberer neben ihm. Harry schenkte ihm ein beruhigendes Lächeln, bevor er sein Blickduell mit Draco Malfoy wieder aufnahm. Moment, Draco Malfoy? Ungläubig blickte der Animagus zu seiner Cousine und deren Sohn, die sich, wie selbstverständlich, zwischen den anderen Hexen und Zauberern niedergelassen hatten. Draco war zum Glück noch nicht volljährig, aber Narzissa würde gewiss gegen seinen Freispruch stimmen. Eine weitere Stimme, die gegen ihn war, ganz gleich, welche Argumente er und Dumbledore für ihn vorbringen mochten. Sirius unterdrückte den Drang, panisch aus dem Raum zu fliehen und setzte sich, so ruhig er konnte, auf den dargebotenen Stuhl.

Nach und nach verstummten die Anwesenden und Dolores Umbridge ergriff mit ihrer viel zu hohen Stimme das Wort. „Verehrte Damen und Herren. Wir haben uns hier eingefunden, um das Urteil von Sirius Black nachzuholen, der, aufgrund der Wirren des letzten Krieges, nie ein gerichtliches Verfahren erhielt. Sie schenkte Scrimgeour ein strahlendes Lächeln. „Dem Minister und meiner Wenigkeit ist dieser Fauxpas in der Politik unserer lieben Vorgänger aufgefallen und so liegt es nun an uns, diese kleine Dilemma gerade zu rücken." Sie hüstelte geziert. „Mr Black hat der Verwendung von Veritaserum zugestimmt. Wenn ich den zuständigen Tränkemeister also bitten darf?"
Sirius düstere Vorahnung bestätigte sich weiterhin, als niemand anderes als Severus Snape hervortrat und die nötigen drei Tropfen abmaß. Ernsthaft! Hatte das Ministerium keine eigenen Leute für so etwas? Oder geschah das ganze auf Dumbledores Bitte hin? Na dann herzlichen Dank auch. Er begnügte sich damit, Snape mit Blicken zu erdolchen, als ihm dieser mit spitzen Fingern einen winzigen Becher in die Hand drückte. Snape starrte nicht minder hasserfüllt zurück. Kurzentschlossen wandte sich Sirius ab und stürzte den geschmacklosen Inhalt herunter. Einen Moment fühlte sich seine Zunge wie taub an. Dann verblassten seine Gedanken und machten einem wohltuenden Nichts platz.
Als er aus seiner Betäubung erwachte, versuchte Umbridge vergeblich, Ruhe in die murmelnde Menge zu bringen. Hexen und Zauberer tuschelten wild miteinander und warfen verwirrte bis ungläubige Blicke in seine Richtung. Was hatte er wohl gesagt? Der Reaktion der Menge nach zu urteilen, hatte den wenigsten gefallen, was sie gehört hatten.
Endlich war es Umbridge gelungen, die Ruhe im Saal wieder herzustellen. „Sie möchten also behaupten, Peter Pettigrew, der gefeierte Held der magischen Welt, sei der wahre Mörder der Muggel? Nicht nur das, zudem sei er auch der Geheimniswahrer gewesen, der Lily und James Potter an Sie-wissen-schon-wen verriet?"
Sirius nickte. Das war ja vielleicht doch gar nicht so schlecht gelaufen.
Umbridges süßliches Lächeln strafte seine Gedanken Lügen. „Das ist der größte Unsinn, den ich je gehört habe. Wie praktisch es doch ist, dass alle Menschen, die Sie erwähnen, nicht mehr am Leben sind, nicht wahr?"
Beinah wäre Sirius von seinem Stuhl aufgesprungen. „Ich habe meine Antworten unter Einsatz von Veritaserum gegeben!"
Sie wären nicht der erste, der gelernt hat, die Wirkung dieses Tranks zu umgehen. Wenn Sie mir keine Beweise liefern, schicken wir Sie umgehend zurück nach Askaban."
„Professor Snape?", fragte Dumbledore ruhig. „Hat Mr. Black alle Symptome gezeigt, dass der Trank seine Wirkung entwickelt hat?"
Sirius wusste nicht, was Snape düsterer dreinschauen ließ. Die Tatsache, dass er etwas sagen sollte, um ihn, Sirius, zu retten, oder dass Dolores Umbridge an seinen Fähigkeiten als Tränkemeister zweifelte.
„Das Veritaserum hat seine Wirkung gezeigt. Dessen bin ich mir sicher", sagte er in einem sorgfältig neutralen Tonfall.
„Nun, wenn das das einzige ist, was für Ihre Unschuld spricht ..."
„Sirius", bat Dumbledore. „Wärest du so freundlich, den Versammelten deinen Unterarm zu zeigen?"
Sirius krempelte seinen Unterarm herunter und offenbarte die unversehrte Haut darunter. „Kein Dunkles Mal, sehen Sie? Reicht Ihnen das?!"
Thicknesse wedelte mit der Hand, als würde er eine Mücke verscheuchen. „Das hat heutzutage nichts mehr zu sagen, Mr. Black. Viele seiner Diener tragen das Dunkle Mal nicht und einige, die es tun, wurden dazu gezwungen."
Sirius starrte ihn an. „Sie behaupten ich wäre seine rechte Hand? Und dann glauben Sie, ich würde sein Mal nicht tragen?"
„Ich sage nur, dass es kein Beweis Ihrer Unschuld ist. Wenn Sie für ihn-dessen-Name nicht genannt-werden darf in unseren Reihen spionierten, haben sie das Dunkle Mal natürlich nicht getragen."
Snape wirkte einen Moment, als hätte er sich verschluckt.
Sirius konnte den Mann beinah verstehen. Was Thicknesse da sagte, war ausgemachter Unsinn. Snape war ein Spion und er trug das Dunkle Mal wie jeder andere anständige Todesser. Aber er konnte ja schlecht Snape ans Messer liefern, in dem er das Argument vorbrachte, nicht wahr? Was für eine Schande aber auch.
„Und was sagen Sie dazu, dass Harry Potter von seiner Unschuld überzeugt ist?", fragte Dumbledore sanft.
„Ob prominent, oder nicht. Die Aussage von Minderjährigen spielen in diesem Prozess keine Rolle." Ein dünnes Lächeln spielte über Thicknesse Züge. „Ein Gutes hat diese Angelegenheit. Auf diese Weise sind wir Ihrer habhaft geworden, Mr. Black."
Sirius erstarrte. Das war es also? Sie wollten ihn wieder nach Askaban bringen? Und das, obwohl er einen Prozess bekommen hatte? Er war unschuldig!
Nun klang Dumbledores Stimme scharf. „Ich bürge persönlich für die Unschuld dieses Mannes! Dies sollte Ihnen genügen, wo kein Beweis seiner Schuld vorliegt." Seine Stimme gewann an Eindringlichkeit. „Sie wissen sehr gut, dass ich mich in den entscheidenden Entwicklungen der letzten Zeit ebenfalls nicht geirrt habe."
Thicknesse wedelte mit der Hand. „Sie werden nicht jünger, Schulleiter. Es ehrt Sie sehr, dass Sie um das Wohl Ihres einstigen Schülers besorgt sind, aber diese Gefühle sind hier fehl am Platz."
Sirius Augen schnellten umher. Niemand würde damit rechnen, dass er sich über die Tribüne schwang. Wenn er nur schnell genug in der Menschenmenge untertauchte, war er ein schlechtes Ziel für Flüche. Vielleicht wäre es möglich, auf diese Weise zu entkommen. Vorausgesetzt, dass die Ketten, die sich um seinen Stuhl wanden, nicht zum Leben erwachten, sobald er einen Fluchtversuch unternahm? Vielleicht würde es gehen, wenn er sich blitzschnell zu Boden rollte, so dass er außer Reichweiten der Ketten war? Aber dann böte er ein perfektes Ziel für jede Hexe und jeden Zauberer auf den oberen Reihen der Tribüne. Er ballte die Hände zu Fäusten. Seine Chancen standen nicht besonders gut.
Dann öffnete sich die Tür und sämtliche Geräusche verstummten. „Ich möchte für Sirius Black aussagen!", rief eine Gestalt in die Stille.
„Und ich ebenfalls!"
Sirius kannte diese Stimmen. Nach all den Jahren hatte er sie noch immer nicht vergessen. Sie gehörten zum schönsten Teil seines Lebens und diese beiden würden immer einen Platz in seinem Herzen inne haben. Aber sie konnten nicht hier sein. Es war unmöglich. Die Tür war in Sirius Rücken. Zögernd, langsam, drehte er sich zu den Sprechern. Sie hatten alle Farben verloren, die ihnen einmal zu eigen gewesen waren. Sie waren durchsichtig, körperlos und schimmerten bläulich im Zwielicht des Raumes.

Aber sie waren es.

Unverkennbar,

Lily und James Potter hatten den Raum betreten.

Harry Potter und die Legende der GründerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt