Große Verwirrung verlangt nach großen Taten (16)

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Herr Grün mochte Krankenhäuser nicht. Sie rochen komisch und hatten hässliche Farben.
Offen hätte er das natürlich nicht gesagt, schließlich arbeitete seine geliebte Ehefrau in eben diesem Krankenhaus, aber er konnte alle Krankenhäuser nicht leiden.
Und jetzt waren ihm die Kinder auch noch in einem Krankenhaus verloren gegangen!
Während sie vermutlich auf Drogen waren!
Herr Grün machte sich schreckliche Vorwürfe.

Auf seiner Suche nach Alice und Tamara hatte er Hannes getroffen, den 26jährigen Clown des Krankenhauses.
Der sollte die kranken Kleinkinder bespaßen und hatte Herrn Grün versprochen Alice und Tamara mit ihm zu finden.
Das hatten sie auch, zumindes Tamara: genau an Hannes' Arbeitsplatz und umgeben von dem, was vermutlich Alice' Monster waren.

Als Herr Grün nun versuchte Tamara und die Monster zu finden, da diese ihn vermutlich direkt zu Alice führen würden, hörte er einen marketschütternden Schrei.
So viel Chaos, wie Alice durchschnittlich verursachte, war er sich ziemlich sicher, dass er auf der richtigen Spur war.

Er folgte dem verzweifelten Geräusch also und hoffte in die richtige Richtung zu sprinten.
Er rannte in ein Treppenhaus, das, bis auf eine bewusstlose Krankenschwester und ein Tablett, voll von einer absolut beunruhigenden Menge Schimmel, absolut leer war.

Nun befand Herr Grün sich in einem Dilemma. Sollte er die Kinder suchen, oder der Krankenschwester helfen? Lange musste er nicht darüber nachdenken. Seine Alice war natürlich um einiges wichtiger. Trotzdem hatte er Erbarmen mit der Frau, die wohl Alice und ihren Monstern zum Opfer gefallen war, packte sie kurzerhand am Knöchel und schleifte sie in den Gang aus dem er gekommen war. Schließlich wollte er nicht, dass die Arme irgendwann in einem ähnlichen Zustand, wie das... war das mal Essen gewesen? wie das Zeug auf dem Tablett gefunden wurde.

Dann rannte er die Treppe herunter, seiner Tochter, Tamara und den monströsen Freunde der beiden hinterher.
Grässlicher Gesang schallte ihm entgegen.
Was zur Hölle war hier nur los?

Alice war am ausrasten. Ihr Handy war schon wieder gestohlen worden!
Und schon wieder von einem Dämon!
Sie würden diesem Typen ein schönes Highfive geben.
In seine glänzende Visage!
Mit einem Tisch!
Aus Metall!
Geschwungen von dem Hulk!

Während Alice also wütende Mordpläne schmiedete, versuchte Ellelib, Marianne davon abzuhalten sich weiter damit zu blamieren, dass sie Lieder aus den 1910ern sang.
Es klappte eher weniger gut.
Mittlerweile war das Geistermädchen dazu übergegangen "Es klappert die Mühle" zu einem Metal-Beat gröhlen, der genauso gut aus einem Hit von "Iron Maiden" hätte stammen können.
Gleichzeitig schlug sie waghalsige Kurven und Loopings, um ihrem geflügelten Klassenkameraden zu entgehen.
In einer anderen Situation hätte Alice es bestimmt lustig gefunden.

"Hör auf! Komm zurück!", brüllte der Fee.
"KLIPP KLAPP! KLIPP KLAPP! KLIPPKLAPP!"
"Du bist viel zu auffällig!"
"BEI TAG UND BEI NACHT IST DER MÜLLER STEHTS WAAAAACH!"
"Marianneeeee! Stop!"
"KLIPP KLAPP! KLIPP KLAPP! "
"Bitte komm runter! Die Menschen..."
"ER MAHLET DAS KORN ZU DEM GUTEN MEÖÖÖÖÖÖL!"
"Ich will es nicht, wegen dir, mit den Jägern zu tun haben!"
"UND WENN WIR DAS HABEN, DANN GEHT'S UNS NICHT FEÖÖÖÖHL!"
"MarianeEeEeE!"
"KLIPP KLAPP! KLIPP KLAPP! KLIPP KLAAAAAAAAAP!"

Tamara klammerte sich lachend an Wilhelm fest, auch wenn das vermutlich nur dazu diente sich an einen ihrer Crushs zu häften, wie eine Meerschweinchen-fürchtende Klette, und nichts mit Balance zu tun hatte.
Edres war, wütend grollend, bereits einige Etagen tiefer angelangt und brüllte etwas darüber, dass sie nicht wegen Copper in den Knast gehen würde.
Wilhelm war in einem Zustand vollständiger Verwirrung gefangen. Alice ging davon aus, dass er es noch nie mit Dämonen zu tun gehabt hatte.
Was ein Anfänger!

Marianne vollführte mittlerweile über den Köpfen ihrer menschlichen Begleiter ein Luft-Girarren-Solo zu dem sie: "MNIUMNIUMNIUMNIUMNIU!" brüllte, vermutlich um eine E-Gitarre oder eine Versammlung gequälter Katzen zu imitieren.

Mitten während dieser Ohrenfolter gelang es Ellelib endlich sie zu fassen zu kriegen.
"Grundgütiger! Ich werde angegriffen!", quietschte das Geistermädchen und ruderte wild mit den Armen.
"Beruhige dich! Du bist völlig durcheinander, weil du gegen diese Wand geflogen bist! Du musst zu einem Arzt! Deine Erinnerungen an deine Zeit unter den Leben drehen durch. Du bist verwirrt, das kann schon mal passieren, wenn sich ein Geist am Kopf verletzt."

Aber Marianne, ganz ein Kind des ersten Weltkriegs, war wohl in einer ganz anderen Zeit gefangen.
"Die Franzosen kommen! Zu den Waffen Kameraden! Macht sie nieder!", kreischte sie und rammte dem Fee ihren Ellenbogen in die Nieren.
"Nimm das, Franzmann!"
Sie verpasste ihm eine saftige Backpfeife.
"Und das, für den Kaiser Wilhelm! Jawohl!"

"Ich bin kein Franzmann.", winselte Ellelib und hielt sich sie schmerzende Wange, "Ich weiß nicht mal was das ist! Und seit wann ist der Mensch da unten bitteschön Kaiser?"
Mariannes Blick war unterdessen auf Alice, Wilhelm und Tamara gefallen, die unter ihr die Treppe entlangsprinteten.
Am liebsten hätte Alice etwas nach oben geworfen, um Marianne aus ihrer komischen Fantasie zu reißen, aber sie war zu sehr damit beschäftigt den Tod des Metall-Typen zu planen.

Hätte sie doch etwas mehr auf das Geistermädchen geachtet, denn so erschrak sie vollkommen, und stieß einen spitzen Schrei aus, als Marianne ihr plötzlich den Arm um die Schulter legte.
"Und ihr, gute Soldaten, jagt ihr dem Feinde nach, dem garstigen?", erkundigte sich der Nachthemd tragende Geist wichtigtuerisch und rückte ihre Brille zurecht, die während des Gitarrensolos verrutscht war.

In Alice Gedanken formte sich ein hinterhältiger Plan.
"Jawohl, Kommandant Marianne, den Feind!", rief sie, "Den glänzenden Metallgeneral der Franzosen. Der hat die heilige Kommunikationsbox von Prinzessin Alice von... äh... Weilerswilst geklaut. Die würde dem... Reich den Sieg garantieren. Wir müssen sie zurückerobern und an mich abgeben. Es ist absolut entscheidend, für den Ausgang des Krieges, dass ich die Box bekomme."

"Natürlich.", bestätigte Marianne und salutierte, "Alles was Ihr sagt ergibt absolut Sinn. Logisch! Wir werden diese heilige Box erobern! Auf geht's, Kameraden!"
Sie saußte die Treppe herunter und machte angestrengt mit dem Mund Flugzeug-Geräusche, die nur gelegentlich von "Ich bin der Rote Baron!" Schreien unterbrochen wurden.
"Marianne, warteeeeeee!", kreischte Ellelib und flog schleunigst hinterher.

Alice stieß ein triumphierendes Lachen aus, das vermutlich besser zu dem Schurken eines Disneyfilms gepasst hätte. "Ich bekomme es wieder! Sie holt es mir zurück!", frohlockte sie.
"Man, du bist wahnsinnig.", quengelte Wilhelm.
Tamara dagegen war voll auf Alice' Seite.
Sie schlug ihre Faust in die Luft und brüllte: "Genau! Nieder mit den Dämonen! Auf dein Handy! Auf deine Spielstände, dein Insta, dein Snapchat und deine DATEN! Nieder mit den Meerschweinchen!"
"Auf in die Schlacht!", kreischte Alice und rannte schneller.
"Die Schlaaaaaaacht!", bestätigte Tamara.
"Was läuft falsch bei euch?", winselte Wilhelm und eilte den Mädchen nach.

Weiter unten im Treppenhaus begann Marianne ein Marschlied aus dem ersten Weltkrieg zu der Melodie von "Märchen schreibt die Zeit", aus "Die Schöne und das Biest" zu trällern.
Alice war sich ihres Sieges gewiss.

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