Kapitel 16 - Bailee's P. o. V.

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Der Wille ist der Schlüssel, der WEG nur das Schloss und der Mut die Klinke.

Ich war wohl ziemlich schnell, nachdem Ascanio den Wagen gestartet hatte, eingeschlafen. Dieser Tag war zu viel für mich. Meine Gefühlswelt fuhr Achterbahn. Weder wusste ich, was ich denken noch was ich fühlen sollte.

Die kalten Augen des Mannes, der mich festgehalten hatte, verfolgten mich bis in meine Träume. Durch meinen eigenen Schrei wurde ich wieder wach. Ascanio hatte seine Hand auf meine gelegt und sah kurz zu mir.

„Die Alpträume werden vergehen.", in seine Augen flackerte kurz etwas auf, doch er konzentrierte sich direkt wieder auf die Straße. „Es wird ein wenig dauern, aber sie werden vergehen.".

Ich nickte erschöpft und lehnte meinen Kopf gegen die Fensterscheibe. Er streichelte meine Hand und ich döste noch ein wenig vor mich hin. Als sich der Untergrund unter dem Auto zu Kies veränderte, öffnete ich meine Augen wieder und mir blieb der Atem weg.

Viele Menschen wuselten auf dem Grundstück hin und her. Ich sah manche weinen, manche schreien und andere wiederum andere hatten eine monotone Miene aufgesetzt. Vereinzelt sah man auch Leichen, welche mit Decken verhüllt wurden und in meinem Hals bildete sich ein Klos.

„Wir schaffen das.", Ascanio drückte meine Hand und ich nickte abwesend. Er parkte das Auto vor der riesigen Eingangstür und stieg aus dem Wagen.

Zögernd öffnete ich meine Autotür. Zeitgleich öffnete sich die Haustür und Skylar stand mir gegenüber. Wir starrten uns an und uns rannen stumme Tränen über die Wangen.

Sie kam auf mich zu und umarmte mich fest. Ich drückte sie ebenfalls an mich. Sie schluchzte auf, doch ich konnte keinen Ton von mir geben. Es war als hätten meine Stimmbänder ihren Dienst quittiert und wären unfähig auch nur einen Ton von sich zu geben.

Vorsichtig zog Fynn meine beste Freundin von mir weg und Ascanio legte mir seinen Arm, um die Taille. Skylar klammerte sich an ihn und weinte immer noch. Ich beruhigte mich langsam und ließ mich von Ascanio nach drinnen führen.

Widerwillig sah ich mich um. Die Inneneinrichtung war größtenteils zerstört. Wie in Trance lief ich zusammen mit den Anderen in die Küche, welche scheinbar relativ unbeschadet überlebt hatte.

Vorsichtig hob mich Ascanio hoch und setzt mich auf der Theke neben dem Waschbecken ab. Er reichte mir ein Glas Wasser, welches in schlückchenweise austrank.

Ein freudiges Bellen ließ uns herumfahren. Nanouk rannte schwanzwedelnd auf und zu und sprang sogar an der Theke hoch, sodass seine Pfoten auf der Arbeitsfläche lagen und ich begann seinen Kopf zu streicheln.

„Ich dachte schon, er wurde von den Männern erschossen!", murmelte ich und Ascanio drückte mich sachte an sich, während er ebenfalls den Hund kraulte. Meine Stimme war von dem ganzen Weinen sehr heiser.

„Ich hätte dir zeigen sollen, wie man ihm Befehle gibt...", hauchte er in meine Haare und ich seufzte.

„Vielleicht wäre das besser gewesen.", seufzte ich und drückte ihn kurz an mich. „Wie geht es Noel?".

Mein Blick wanderte zu Skylar, welche ebenfalls ein Glas Wasser in der Hand hielt. Sie richtete ihren Blick auf mich und lächelte mild.

„Ihm geht es den Umständen entsprechend gut. Er wurde in eine Art Krankenhaus gebracht. Du hast ihm wohl sein Leben gerettet. Nachdem...", sie atmete tief durch und senkte den Blick. „Nachdem du weggebracht wurdest, habe ich weiterhin versucht seine Blutung zu stillen. Er wird durchkommen.".

Ich nickte einerseits erleichtert, andererseits auch geschockt.

„Wir sollten für die nächste Zeit in ein Hotel ziehen.", Fynn sah zwischen Syklar und mir hin und her. „Ihr solltet mitkommen. In unserer Nähe seid ihr sicher.".

Skylar und ich nickten. Immerhin hatten wir keine andere Wahl.

„Ich rufe im Lowell Hotel an. Da könnt ihr auch Nanouk mitnehmen.", Fynn zückte sein Handy und verließ den Raum.

„Ich hole dir etwas anderes zum Anziehen. Wir werden beim Lowell einen anderen Eingang benutzen.", Ascanio küsste sanft meine Stirn und verließ ebenfalls den Raum.

Skylar und ich starrten einfach nur Löcher in die Luft. Ich war vollkommen leer. Keinerlei Gefühle regten sich in mir. Keine Tränen kamen mehr. Mein Atem war meine einzige Regung.

„Denkst du, wir werden wieder okay?", langsam wandte ich meinen Kopf in die Richtung meiner besten Freundin und merkte selbst, wie sich meine Pupillen weiteten.

„Ich denke, wir werden wieder okay.", versicherte ich ihr mit heiserer Stimme.

Langsam kam wieder Gefühl in mich und in meine Gliedmaßen zurück. Eigentlich sollte ich panische Angst vor Ascanio und Fynn haben. Dennoch saß ich hier in der Küche, kraulte Nanouk immer noch und war relativ ruhig.

„Wir haben keine andere Wahl, als mit ihnen zu gehen, oder?", ich schüttelte den Kopf und schloss kurz die Augen, während ich tief durchatmete.

„Ich denke bei den Beiden sind wir sicher.", sagte ich und Syklar schlich ein mildes Lächeln auf die Lippen, welches ich erwiderte.

Schließlich kam Ascanio mit einem weißen Pullover von sich, einer schwarzen Leggings und frischen Socken von mir wieder. Er reichte mir die Sachen und führte mich zum Gästebadezimmer im Erdgeschoss.

Während ich mich langsam auszog wichen Ascanio und Nanouk nicht von meiner Seite. Mein Fakefreund reichte mir seinen Pullover, welchen ich überzog und zog mich dann kurz an sich.

„Ich hatte Angst.", murmelte er so leise, dass ich ihn fast nicht verstand. Ich sah ihm in seine Augen und küsste ihn vorsichtig.

„Ich auch.", hauchte ich, nachdem wir uns gelöst hatten und uns in die Augen sahen.

„Du bist bei mir sicher.", versicherte er mir und ich nickte. Ich glaubte ihm. Schließlich hatte er mich beschützt. Er hätte mich auch in den Fängen dieses Mannes lassen können.

Irgendwann lösten wir uns voneinander und ich schlüpfte in meine Leggins, sowie in die frischen Socken. Ascanio nahm meine Hand und zog mich in die vollkommen zerstörte Eingangshalle.

Dort trafen wir auf Skylar und Fynn. Erst jetzt fielen mir die drei Koffer auf. Skylars Sachen würden sie und Fynn wohl noch holen.

Draußen teilten wir uns wieder auf die zwei SUVs auf und ich versuchte nochmal kurz zu schlafen, bevor wir an dem Hotel ankommen würden.

Eine halbe Ewigkeit später waren wir endlich bei Lowell Hotel angekommen und Ascanio fuhr direkt zu einer Tiefgarage. Dort warteten wir auf Skylar und Fynn.

Während der gesamten Fahrt hatten wir nicht ein Wort miteinander gewechselt. Ich hatte stumm aus dem Fenster gestarrt, nachdem all meine Versuche zu schlafen gescheitert waren und Ascanio hatte sich auf den Verkehr konzentriert.

Er hatte seine Hand auf mein Bein gelegt und ich hatte seine Hand in meine genommen. Immer wieder streichelte er mit seinem Daumen über meinen Handrücken und ich genoss diese Zärtlichkeit.

Jede noch so kleine Zärtlichkeit und jeden noch so kleinen Blick saugte ich in mich auf, wie ein Schwamm. Während dieser Fahrt wurde mir klar, dass ich mich Hals über Kopf in Ascanio Bennet verliebt hatte und es nicht mehr aushalten würde, ohne ihn zu sein.

Egal, was noch kommen würde. Irgendwie würde ich es aushalten, um bei ihm sein zu können.

Alibifrau des mächtigsten Manns New YorksWo Geschichten leben. Entdecke jetzt