Das Ende des Tages

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„Luna?" Anna hielt inne und drehte sich zu dem jungen Mann um der hinter ihr stand. „Sasha... Ihr seid schon zurück?" Der blonde Beta nickte grinsend. „Gerade frisch angekommen. Es war ...ereignisreich...!" Sascha räckelte sich, dann legte er den Kopf schief. „Du siehst so aus, als wäre etwas wichtiges passiert!" Die Luna lächelte und tätschelte dem jungen Mann sanft die Wange. „Eventuell... Es könnte sein, das ich da etwas entdeckt habe. Aber ich möchte noch nicht darüber reden. Erst möchte ich mir sicher sein, dass das was ich gefunden hab auch tatsächlich wichtig ist." Sasha hob eine Augenbraue, die Neugierde stand ihm in den braunen Teddy-Augen. Dann auf einmal taumelte er mit einem dumpfen „UFFF..." nach vorne, stützte sich an der Wand ab und drehte sich dann um. „SAM!" fauchte er. Seine kleine Schwester stand grinsend mit den Augenbrauen wackelnd hinter ihm, ihre Sporttasche schwang lässig in der Hand hin und her. „Uuups...Hast du mich gerade echt mit der Tasche geschlagen?" fragte der blonde Mann ungläubig. Nils, der verantwortungsbewusste ältere Bruder, welcher jetzt hinter Sam hervortrat, schüttelte tadelnd den Kopf. „Ihr zwei Kindsköpfe! Wann werdet ihr endlich erwachsen?" Sam machte einen Schmollmund und blinzelte zu ihrem großen Bruder auf. „Ach, komm schon Nilnil. Um ernst zu sein haben wir später im Leben noch gaaaaanz viel Zeit. ... Luna.... Du siehst so aus als würdest du etwas wichtiges auf dem Herzen haben...?!" Sascha grinste bereit und machte so mit seinem Spitznamen Grinsebacke alle Ehre. Anna schüttelte lachend den Kopf und sagte im Weggehen: „Na, die Frage kommt mir irgendwie bekannt vor... Lasst euch von eurem Bruder aufklären. Und willkommen zu Hause!"

Mit einem belustigten Seufzer betrat die weißhaarige Frau das Rudelhaus und begab sich ins Büro ihres Mannes. Daret Schwarzholm hob mit einem warmen Lächeln im Kopf, als seine Gefährtin eintrat. Anna ging rasch zu ihm und küsste ihn sanft auf den Mund. Daret fuhr ihr zärtlich mit seinen Händen durch die kurzen Haare. „Ist alles okay, Liebste?" fragte er leise. Die Frau lächelte und setzte sich auf die Schreibtischkante. „Das kann man wohl sagen! Ich glaube, ich hab da etwas entdeckt, was unserem Rudel weiterhelfen wird." Der Alt-Alpha lehnte sich zurück und sah sie fragend an. „Weiterhelfen? Wie meinst du das?" „Nun... Ich denke, dass meine Entdeckung unsere Jungs endlich in die richtigen Bahnen lenken wird und mit ein klein wenig Glück wir diese Nervensäge Sherin endlich loswerden." Ein amüsiertes Funkeln blitzte in den Augen des Mannes auf, dann fragte er: „Und? Was ist das für ein Wunder, dass uns diese geldgeile Intrigantin vom Hals schaffen soll?" Anna beugte sich vor und raunte leise: „Ich glaube, ich habe eine Omega gefunden." Mit einem einzigen Satz war Daret auf den Beinen. „Göttin, ist das wahr?" Anna zuckte mit den Achseln. Dann sagte sie: „Die Anzeichen sprechen dafür. Weiblicher Wandler, winzig kleine Wolfsform, eindeutig ausgewachsen aber dennoch... nun ja... winzig kleine Gestalt, scheu, kinderlieb. Sie hatte jetzt zwar keinen besonderen Duft an sich, aber dafür kann es eine gute Erklärung geben." 
„Wo hast du sie gesehen?"  „In Silvia Kleibers Waisenhaus. Sie hat mit den Kindern im Garten gespielt..."

Der große Mann stand für einige Herzschläge lang völlig unbeweglich da, während er ein Kampf mit seinem inneren Wolf ausfocht. Das Seelentier war bei dem Wort Omega bereits unruhig geworden, es wollte losrennen, die Kleine unbedingt in Sicherheit bringen und vor den Gefahren dieser Welt beschützen.
„Dann sollten wir es behutsam anfangen," rang Daret sich schließlich mühsam ab. „Wenn wir jetzt zu forsch vorgehen könnte sein, dass sie verschwindet und wir finden sie nie wieder. Und vor allem müssen wir dafür sorgen, dass Sherin nichts von der Omega erfährt!"

....

Eine hübsche, große, junge Frau mit dichten goldbraunen Locken und einem wunderschönen Milchkaffee-Teint lehnte sich außen neben der Bürotür an die Wand und presste eine Hand auf ihr hart hämmerndes Herz. Eine Omega war gefunden worden!
Oh, bei der Göttin...
DAS würde sie zu verhindern wissen! Der Platz als Gefährtin der beiden Alphas war der ihre! Sherin stieß sich vor Wut zitternd von der Wand ab und eilte zum Wohnzimmer. Dort waren mittlerweile die drei Betas eingetrudelt und begrüßten ihre Freunde und Alphas. Rafael und Gabriel setzen sich schließlich auf Sofa und sahen erwartungsvoll zu Nils hin. „Und? Lass euch doch nicht alles aus der Nase ziehen! Was haben die Blackfords ausgeheckt...?" Rafael hob fragend eine Augenbraue.
Sherin hörte nicht mehr zu. Es interessiert sie auch nicht wirklich, die Betas waren für sie unter ihrer Würde und alles was im Moment in ihrem Kopf herumschwirrte war das Wort: Omega. Sie sah kurz zu den beiden schwarzhaarigen Alphas hinüber. Seit sieben Göttin verdammten Jahren waren sie bereits zusammen. Und sie würde nun einen Teufel tun und sich diese Position als Gefährtin streitig machen lassen! Eine Omega... Pffff! .... War doch auch nur ein weiteres Hindernis. Und Hindernisse mussten halt beseitigt werden.
Die Delta verließ ungesehen das Rudelhaus und machte sich auf dem Weg zum Stadtrand. Es wäre doch gelacht, wenn sie es nicht schaffen würde, eine nervige, kleine, dumme Winz-Wölfin loszuwerden. Wutentbrannt trat Sherin das Gaspedal bis zum Boden durch und der schwarze Mercedes SL schnellte vorwärts, Geschwindigkeitsbegrenzung waren für andere vielleicht von Bedeutung, nicht für die Delta! Sie war schließlich die zukünftige Luna des Sauerlands!! Das Auto war gepanzert, sie selbst ein Wandler. Und was anderen passierte könnte, war Sherin völlig egal.

....

Das Waisenhaus lag am Ende einer Sackgasse, so dass die Kinder auf der Straße spielen konnten, ohne dass sie in Gefahr liefen, in den Verkehr zu geraten. Heute war das Malen mit Kreide dran. Nachdem sie den ganzen Tag mit der kleinen schwarzen Wölfin im Garten gespielt hatten, hatte es Abendessen gegeben – ohne das Hackfleisch, denn das befand sich zur sicheren Aufbewahrung ja längst in Mias Magen! Und nun verbrachten die Kinder die Zeit vor dem Schlafengehen damit, den Asphalt mit hübschen bunten Bildern zu versehen. Mia lag im Schatten eines Baumes und sah träge mit der Rute wedelnd zu, eines der kleinen Mädchen namens Kerstin hing halb auf ihr und hatte die Patschhändchen in dem flauschigen schwarzen Fell vergraben. Silvia trat just in dem Moment aus dem Haus, als Sherin in dem großen schwarzen Wagen mit über 70 km/h in die kleine Gasse hineinbretterte. Die Delta-Wölfin hatte die kleine Omega im Blick und beschleunigte mit einem bösartigen Lächeln erneut. Silvia runzelte die Stirn, dann begriff sie und schrie: „Ins Haus Kinder, SOFORT! Los, beeilt euch!!!!" Die Kleinen sahen das Auto, schrieen ängstlich auf, ließen alles stehen und liegen und rannten in die Sicherheit des Waisenhauses. Katja allerdings stolperte und fiel hin...  Ihre großen Augen starrten voller Panik auf den rasend schnell näher kommenden Wagen und hörte dumpf im Hintergrund wie Silvia kreischte: „KAAAATIJAAAAAA!!!"

Mit einem einzigen Satz war Mia auf den Pfötchen, preschte auf das am Boden liegende kleine Mädchen zu und prallte mit voller Wucht gegen das Kind. Katja wurde aus der Reichweite des Autos geschleudert und kugelte über den Bürgersteig, Silvia stürzte auf das Kind zu und riß es in die Arme. „Grundgütiger Gott, meine Kleine... Geht es dir gut, hast du dich verletzt?" Verzweifelt strich die Erzieherin über die Arme und Beine des Kindes und suchte nach Verletzung. ... schon wieder. ...
Die kleine Kerstin weinte verzweifelt vor Schock und klammerte sich nun auch verängstigt an die Frau, die sie zitternd an sich presste. Sherin währenddessen wendete das Auto mit kreischenden Reifen und fuhr so schnell sie konnte wieder davon... Sie hinterließ völlig verängstigte Kinder, eine zutiefst entsetzte Heimleiterin und am Straßenrand...  eine regungslos da liegende kleine schwarze Wölfin...

MiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt