Offenbarung

1K 53 7
                                    

MIA

„Soooo... das hätten wir." Sarah legte das Stethoskop zu Seite und musterte ihre Omega Freundin mit einem nachdenklichen Blick. „Gibt es irgendetwas, worüber du reden möchtest, Schatz?" Mia schreckte aus ihren Gedanken auf und sah sie ein wenig verloren an. „Nein... Mir geht's gut." Sarah hob eine Augenbraue, dann seufzte sie und setzte sich Mia gegenüber auf einen Stuhl. „Ich hab nicht gefragt, ob es dir gut geht, sondern ob du über irgendwas reden möchtest." Doch das verneinte die Omega und richtete ihren Blick wieder ins Nichts. Seid sie alle aus Hamburg zurückgekehrt waren, war sie in sich gekehrt und still. Die beiden sauerländischen Alphas hatten sie wie eine Porzellanpuppe behandelt. Während der gesamten Fahrt hatte einer von ihnen sie auf seinem Schoß gehabt, gestreichelt und die ganze Zeit über geschnurrt. Beide hatten gewusst, dass etwas nicht stimmte, aber sie hatten auch gewusst, dass Mia Zeit brauchte um es zunächst für sich selbst zu verarbeiten. Ein leises Räuspern unterbrach die Stille im Raum und Alia trat auf die beiden Frauen zu. „Lass mich mal, Sarah..." Die seufzte erneut, warf die Hände hoch und sagte: „Na, schön... Ich schau mal nach Emma und ihrer Babykugel!" und dann verließ die Kräuterheilerin den Raum. Alia betrachtete die schwarzhaarige junge Frau mit einem wissenden Blick und von ihrem Lunainstinkt geleitet streckte sie ihr die Hand hin.
„Komm mal mit," sagte sie und führte Mia nach draußen in den Garten.

Im Sonnenlicht purzelten die beiden Welpen, Emma und Elias durch die Blumenbeete und versuchten, die Schmetterlinge zu fangen, die sie mit ihrem Herumgewusel aufschreckten. Die Tage im Bunker waren für die Welpen nicht gerade leicht gewesen. Anders als die Erwachsenen hatten sie natürlich nicht verstanden, warum sie in die Sicherheit unter Tage hatten flüchten müssen... Nein, sie hatten es wirklich nicht gemocht und jetzt explodierten die beiden voller Unfug und Lebensfreude. Elias winselte kläglich, als er von seiner um zwei Minuten älteren Schwester als Trampolin missbraucht wurde. Dieses Bild brachte Mia unwillkürlich zum Schmunzeln, während Lia mit einem Augenrollen aufstand und ihre Tochter von dem kleinen Bruder herunterpflückte. Emma protestierte natürlich sofort jaulend und kaute auf dem Finger ihrer Mutter rum. Die weißhaarige Luna des Blackford Rudels drückte der Omega Freundin mit einem warmen Lächeln den schwarzen Welpen in die Arme. Klein-Emma schnupperte direkt am Hals der jungen Frau, dann leckte sie ihr über das Kinn und kuschelte sich in der Armbeuge ein, gähnte genüsslich und rollte sich schließlich zum Schlafen zusammen.
Alia schüttelte lachend den Kopf und fragte: „Wie kriegst du das nur immer hin? Bei Elias dasselbe. Sobald sie bei dir sind, werden sie lammfromm und schmusen sich sofort in den Schlaf."
Mia grinste schief und antwortete: „Keine Ahnung... Das war im Hamburger Rudel auch schon so. Aus irgendeinem Grund stehen Welpen auf mich." „Na, das will ich wetten!" kicherte Alia, doch dann wurde sie ernst.

„Mia... Ich will gar nicht mutmaßen, was du durchgemacht hast, oder wie du dich dabei fühlst. Du warst mutiger als wir alle zusammen. Aber wenn du reden willst.. Und glaub mir, irgendwann musst du darüber reden, sonst frisst es dich auf... Wir sind hier! Auch wenn es sich im Moment vielleicht für dich so anfühlt, aber du bist nicht alleine!"
Mia strich über den seidig-flauschigen schwarzen Pelz des Welpen in ihren Armen, dann hob sie den Kopf und sah Lia in die Augen.
„Ich weiß gar nicht, wie ich das erklären soll... Ich fühle mich einsam....Ich BIN einsam!"
Alia schüttelte den Kopf und nahm Mias Hand in die ihre. „Du bist nicht alleine, Mia! Wir sind alle da!"
Doch diese schüttelte traurig den Kopf.
„Das meine ich nicht.... das Ritual, dass Sarahs Tante an mir durchgeführt hat, hat eine Seele...MEINE Seele an die der beiden Hamburger Alpha gebunden. Das hat unsere Lebenskraft miteinander verwoben."
Alia nickte. „Ja, und du hast den.. Zauber, würde ich sagen, gebrochen, in dem du dich geopfert hast!"
Mia presste ihre Lippen fest zusammen, dann sagte sie: „Das ist es ja... Ich habe nichts gebrochen. Der Zauber hat sich erfüllt."
Die weißhaarige Omega bückte sich und hob ihren kleinen Sohn auf, der ihr winselnd um die Beine strich.
„Das verstehe ich nicht. Wie meinst du das?" Ihre dunkelhaarige Freundin sah in Richtung des Rudelhauses, wo die sechs Alphas der drei verbündeten Rudel zusammen mit dem Beta Lex aus dem königlichen Rudel standen, um weiteres Vorgehen zu besprechen. „Das Ritual forderte eine Seele," flüsterte Mia leise. „Das OPFER einer Seele." Mit Tränen in den Augen sah sie Alia an. „Ich hätte sterben sollen. Und ich wollte es auch... Ich konnte einfach nicht ertragen, dass diese beiden widerlichen Entschuldigungen von Rudelführern straffrei davonkommen würden. Nicht nach allem, was sie getan hatten. Als ich tot war, hat mir die Mondgöttin offenbart, dass eine Seele geopfert werden muss... bevor ich das akzeptieren konnte, hat meine Wölfin die Wahl für mich getroffen."
Alia schüttelte den Kopf. „Mia, was meinst du?"
„Eine Seele MUSSTE geopfert werden! Nicht einmal die Göttin konnte das ändern. Um dieses Blutritual zu brechen, musste eine Seele...sterben..."
Lia wurde kreidebleich, als sie endlich verstand. „Oh nein," flüsterte sie, während ihr die Tränen über die Wangen liefen.
„Deine Wölfin hat sich geopfert, nicht wahr?" Mia nickte und flüsterte: „Ja... hat sie. Damit ich ein Leben führen kann, in dem ich frei und glücklich bin. Sie hat mich so sehr geliebt, dass sie mir das gewünscht hat und jetzt bin ich allein. Ich kann sie nicht mehr spüren...sie ist fort... wie kann ich jetzt noch die Gefährtin, die Luna für das Sauerland werden, wenn ich nicht mal mehr einen Wolf in mir trage!"

Bevor Lia weiter sprechen konnte, erfüllte sich die Luft mit dem Schnurren der Alphas. Ohne dass die beiden Omegas es gemerkt hatten, waren Konstantin, Grayson, Lucan, Gabriel und Rafael zu ihnen gekommen und hatten die letzten Worte der Omega gehört. Ruhig nahm Grayson den kleinen schwarzen Welpen aus den Armen der jungen Frau und ging zu seinen Brüdern zurück. An seiner Stelle trat Gabriel, hob Mia hoch und entfernte sich mit ihr. Behutsam drückte er ihren Kopf in seine Schulterbeuge und ließ sich zusammen mit Rafael auf dem Rasen inmitten von hunderter Wildblumen nieder. Im Hintergrund war leise das unglückliche Schluchzen von Lia und das beruhigende Schnurren ihrer Alphas zu hören. Zärtlich strich Rafael Mia eine schwarze Locke aus den hellblauen, tränenerfüllten Augen und dann schmiegte er seine große Hand an ihre Wange.
„Kleines, ob mit Wolf oder ohne... Du gehörst zu uns! Wir haben dich endlich gefunden und wir werden dich niemals wieder gehen lassen. Auch wenn du kein Wandler mehr bist, du bist immer noch eine Omega. UND du bist immer noch Mia. Nein, wir lassen dich nicht mehr gehen! Du, mein Liebling, du gehörst zu uns. Du gehörst ins Sauerland! An unsere Seite!"
„Ihr wollt mich noch? Wirklich?"

Gabriel strich mit der Nase an ihrem Wangenknochen entlang und küsste sie schließlich auf die Schläfe. „Immer!" flüsterte er, dann hob er sanft ihr Kinn an und sah tief in die Augen der jungen Frau.
„Wie Rafa gesagt hat. Du gehörst zu uns, Kleines. Wandler oder nicht. Das ist uns vollkommen egal. Wenn du uns willst, sind wir dein!"
Tränen lösten sich von den bebenden Lidern der Omega, dann schlang Mia die Arme um Gabriels Nacken und mit einem leisen Wimmern presste sie ihre Lippen auf seinen Mund. Für ein, zwei Herzschläge hatte sie den Alpha einfach überrumpelt, dann übernahm Gabriel die Kontrolle über den Kuss und vertiefte ihn. Sanft knabberte er an ihre Unterlippe, schließlich glitt seine Zunge in ihren Mund.
Und er beendete den Kuss erst, als in Mias Augen endlich wieder Sterne leuchteten.

MiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt