(Etwas früher)
RAFAEL„Morgen!" Gabriel schlug seinen Bruder freundschaftlich auf die Schulter, beugte sich vor und gab Sherin einen Kuss auf die Schläfe. „Guten Morgen, mein Geliebter!" Die Delta Wölfin klimperte mit den langen Wimpern und streichelte ihm sanft mit den Fingerspitzen über seine Kieferlinie. Sam verdrehte die Augen. Und sie war nicht die einzige ... auch ihre beiden Brüder sahen gerade dezent genervt aus. Grinsebacke Sascha tat sogar so, als müsste er sich übergeben. Das brachte ihm ein verstecktes Lächeln von Luna Anna ein. Der alte Alpha Daret hob mit einem kurzen Seufzer den Blick zur Decke, dann sagte er: „Guten Morgen, Sohn. Kaffee?" Gabriel nickte kurz und setzte sich. Er war nicht wirklich der Frühmensch. Genau gesagt gehörte er zu der Sorte, die erst nach dem zehnten Kaffee und einem ausgiebigen Frühstück so richtig munter wurden. Rafael entgegen war überzeugter Frühaufsteher. Jeden Morgen, bevor es zum Frühstücken ging, lief er 10 km ... stets mit Nils um die Wette - einfach so, um wach und zufrieden den Tag zu starten. Deswegen grinste er seinen Zwilling jetzt breit und frech an, was ihm ein Murren von diesem einbrachte. „Göttin... Wie kann man früher Morgen schon so gut drauf sein," maulte Gabriel genervt und löffelte Zucker in seinen Kaffee. Sam reichte ihm den Brotkorb. „Nimms ihm nicht übel," sagte sie. „Er hat Nils heute beim Joggen Staub fressen lassen und platzt gerade vor Schadenfreude!" Vom besagten Nils kam ein leises Knurren. „Vorsicht, Schwesterherz. Wenn du anfängst frech zu werden, verdonner ich dich zum Mitlaufen!" „No way," lachend hob die Beta abwehrend die Hände. „Allenfalls wenn eine Horde Jäger mit Silberkugeln hinter uns her ist. Dann bekommst du mich zum laufen, aber vorher... Vergiss es!" Die Luna lächelte und sagte: „Vertragt euch! Der Tag ist zu schön um Streit zu beginnen..."
Die Grinsebacke am Tisch kicherte fröhlich vor sich hin und sagte: „Mach dir nichts draus, Luna. Unser liebevolles Debattieren hält uns alle jung und fit. Und solange nicht wirklich Jäger mit Silberkugeln hinter uns auftauchen ist doch alles geritzt." Gabriel hob seine Tasse und nahm einen tiefen Zug. „Na, deine Einstellung hätte ich gerne," murmelte er, als er sich nachschenkte. Anna wollte gerade etwas erwidern, als das Telefon klingelte. „Entschuldigt mich," sagte sie und verließ die Küche. Sherin erhob sich derweil und ließ sich auf dem Schoß von Rafael nieder. „Na, Baby. Was machen wir heute? Wollen wir für den Winterball einkaufen gehen?" Sam ließ ein genervtes Stöhnen hören und maulte: „Echt jetzt? Gute Frau, wir haben gerade mal August. Willst du allen ernstes jetzt schon lostraben und für ein Event einkaufen, dass erst in vier verdammten Monaten ist? Hast du nichts besseres mit deiner Zeit anzufangen?" Die Delta wirbelte mit einem Fauchen herum und bleckte die Zähne. „Werd nicht frech, du kleiner Gnom! Du solltest anfangen, mir ein wenig Respekt entgegenzubringen." Sam schnaubte nur spöttisch. „Wieso?" fragte sie „Was hast du denn großartiges geleistet das Respekt verlangt?" Daret sagte leise mit scharfer Stimme: „Genug jetzt! Alle beide. Sherin? Ich verbiete dir so mit unserer Beta zu sprechen. Sie ist eine Respektsperson in diesem Rudel und das genau das verlange ich von dir auch! Und du Sam... Du solltest wirklich lernen dein Temperament ein wenig zu zügeln." „Ja, Alpha. Es tut mir leid..." sagte Sam leise und stand auf. „Entschuldigt mich. Ich werde wohl... ein paar Runden laufen gehen.... um mein Gemüt etwas zu kühlen..."
„Warte, Sam. Ich brauche deine Hilfe. Deine auch Sascha. Und Nils? Ruf bitte Jason und Eva an. Sie sollen zum Waisenhaus kommen." Anna hatte die Küche wieder betreten. „Was ist geschehen," fragte Rafael und richtete sich auf. Sherin versuchte vergebens seine Aufmerksamkeit wieder auf sich zu ziehen, indem sie mit ihren Händen über seine Brust fuhr. Ungeduldig schob der junge Alpha sie zur Seite und sah seine Mutter fragend an.
„Sherin? Bitte geh kurz raus. Dieses Thema betrifft nur die Führungsebene." Hoheitsvoll deutete die Luna hinter sich und forderte die Delta somit auf, die Küche zu verlassen. Wütend knirschte die junge Frau mit den Zähnen und sah ihre beiden Liebhaber auffordernd an, sich in ihrem Namen einzusetzen. Doch der mürrische Gabriel wedelte sie nur ungeduldig zur Tür hinaus und höflich wie er doch war, schloss Sascha dieselbige direkt hinter der wutschnaubenden Delta Wölfin.
Daret sah seine Gefährtin fragend an. „Was ist passiert, Liebling?" Die Luna stürzte sich mit beiden Händen auf der Tischplatte ab und sah ihren Mann in die Augen. „Du erinnerst dich an das Gespräch von gestern?" Der alte Alpha nickte langsam. „Nun, anscheinend gab es ein Unfall vor dem Waisenhaus und die Kleine wurde dabei schwer verletzt." Bedeutungsvoll hob die Luna dabei die Augenbrauen. Darets Augen wurden goldfarben, als sein Wolf sich bemerkbar machte. Das Seelentier war stocksauer. Hätte es doch die kleine Omega gestern schon in Sicherheit gebracht, dann wäre ihr nichts geschehen. Nils hatte währenddessen sein Handy weggesteckt und sagte: „Jason und Eva sind auf dem Weg, sie treffen dich dort."„Sehr gut! Sam und du, Sascha ... ihr kommt mit mir und äh... Rafael bitte auch. Es könnte gut sein, das ich ein Alpha brauche." Die beiden Zwillinge knurrten leise und Rafael sagte mit scharfer Stimme: „Jetzt raus mit der Sprache, Mutter! Was ist los? Wer ist ‚sie'? Wer wurde verletzt?" Die Luna presste kurz die Lippen fest zusammen, dann sagte sie: „Ich kann es nicht mit Sicherheit sagen, aber ich glaube, dass die kleine Wölfin mit der die Kinder gestern im Waisenhaus gespielt haben eine Omega ist. Und diese Kleine wurde bei einem Autounfall am Abend verletzt." Bei jedem Wandler im Raum wurden die Augen goldfarben, als die Wölfe aufstiegen. Eine Omega in Gefahr. Ein Omega, die verletzt worden war und Schmerzen hatte. Augenblicklich brachen die Beschützerinstinkte hervor und Rafaels Stimme hatte kaum noch etwas menschliches an sich, als er tief und knurrend sagte: „Worauf warten wir denn noch? Beeilen wir uns lieber!"
Gesagt ... getan. Daret und Gabriel blieben zurück und bereiteten zusammen mit Camilla, einer Arzthelferin die Krankenstation vor. Nils hingegen hatte beschlossen, Sherin ein wenig im Auge zu behalten. Er dachte nämlich ebenso wie die Luna und hielt die eifersüchtige Delta für eine große Gefahr für jede potenzielle Omega, oder gar Gefährtin.
Kaum standen die Wagen vor dem Waisenhaus, stürzte auch schon die völlig aufgelöste Heimleiterin ihnen entgegen. „Luna! Gut, dass ihr da seid! Sie ist fort... Es ging ihr wirklich, wirklich schlecht und ich dachte mir nichts dabei ... ich habe sie nur kurz alleine gelassen, um die Kinder zu wecken und dann... dann...dann war der Raum einfach leer. Großer Gott, ich hätte sie nicht allein lassen dürfen! Was, wenn sie ganz alleine jetzt dort im Wald noch schlimmer verletzt wird oder... oder vielleicht sogar ... vielleicht sogar stirbt," die bebende, stotternde Stimme Silvias brach gegen Ende und Tränen liefen ihr über die Wange. Rafael knurrte. Dann stürmte er ins Haus und rief über die Schulter: „Welcher Raum?" „Küche!" schrie Silvia hinter ihm her und mit langen Schritten erreichte der junge Alpha Sekunden später das angewiesene Zimmer. Die Kinder sahen auf und Klein-Katja taperte auf ihn zu, Tränen in den großen Kulleraugen. „Rafa... Wirst du Engel finden? ... So haben wir sie genannt, weil sie mir zweimal das Leben gerettet hat." Rafael strich dem kleinen Mädchen beruhigend über den Kopf und sagte liebevoll: „Mach dir keine Gedanken, Kleines. Ich werde sie schon finden! Und dann werden wir sie gesund machen. Wir lassen euren Engel doch nicht sterben." Dann ging der große dunkelhaarige Mann neben den Decken in die Hocke und schnupperte daran. Der Geruch war ... merkwürdig, um es gelinde zu sagen. Ein wenig Kräuter, ein Hauch von Blut, und kaum wahrnehmbar darunter der Duft von einem Wandler. Kein typischer Omega Geruch. Nicht diese süße, zuckrige, Vanillige und Mandelartige Duftnote, die so typisch für ein reifes Omega Weibchen war. Dennoch. Was er roch, genügte. Er ließ seinen Wolf aufsteigen und folgte der Duftspur hinaus in den Wald. Sam, Sascha und die Rudel Ärztin Eva schlossen sich ihm im Garten des Waisenhauses an und gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach der kleinen verletzten Omega. Nach einigen Minuten flüsterte Sam auf einmal: „Hört ihr das? Da... Dieses leise Wimmern." Augenblicklich beschleunigten die Wandler ihre Schritte und die scharfen Augen von Sascha entdeckten schließlich als erstes die Mulde unter den großen knorrigen Wurzeln der alten Eiche. „Hier... Hier ist sie!" Rafael ließ sich am Höhleneingang in die Hocke sinken und spähte in das dunkle Versteck aus dem ein klägliches, schmerzerfülltes Winseln kam. Es brach ihm schier das Herz und sein Wolf jaulte vor Verzweiflung auf. Selbst wenn sie keine Omega sein sollte.... es war ein kleines Weibchen. Ein Weibchen, das verletzt und mit Schmerzen in dieser dunklen kalten Höhle lag. Und das Seelentier wollte nichts lieber, als hineinkriechen, sich um die Kleine zusammenrollen und sie wärmen.
Der Alpha begann zu schnurren... es war unwillkürlich, nicht geplant, aber in der Sekunde in der er das unglückliche leise Winseln gehört hatte wusste er, dass er Himmel und Erde in Bewegung setzen würde, um dieses kleine süße Ding in Sicherheit zu bringen.Sein Wolf schnaubte zustimmend. Er hatte sich ebenfalls entschieden. Er wollte dieses Weibchen behalten. Leise und zufrieden schnurrte das Seelentier und das Wort ‚Gefährtin' sang in Rafael Seele.

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Mia
WerewolfJahre lang war ich in meiner Wolfsform gefangen. Gezwungen von meinem mir zugewiesenen Gefährten. Weil er eine andere wollte und sie nicht bekam, ließ er seinen Frust an mir an. Quälte, folterte und schändete mich auf jede nur erdenkliche Art und We...