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TW: Gewalt, Suizidalität, Depression !!!

Aber einfach nur abwarten und Däumchen drehen klingt mindestens genauso schlimm.
No risk no fun, nicht wahr?

Wie erwartet klopft es an der Türe und ich seufze tief, bevor Mito den Raum betritt und sich aufs Bett setzt.

"Ist das vor Ryoko immer nötig?", fragt sie.
Ich starre gekonnt die Wand an, da ich diesen Anblick um ein vielfaches besser finde als Mitos "Ich weiß wie du dich fühlst, aber hör mir zu"-Blicke.
Dabei weiß sie überhaupt nichts.

"Ist es nötig, dass du mir jedes Mal dieselbe Frage stellst, obwohl wir beide genau wissen, dass die Antwort immer gleich ausfällt?", murre ich und lege den Kopf in den Nacken.

"Du benimmst dich kindisch."
"Dann weißt du ja, dass Diskussionen mit Kindern aussichtslos sind."

"Saiya.", mahnt sie mich mit ernster Stimme, doch bin ich nun mal genauso bockig wie ein Kind und würdige meine Cousine keines Blickes. Wieso sie überhaupt noch versucht mit mir zu reden, wenn es jedes Mal so abläuft, verstehe ich sowieso nicht, daher hab ich dieser Unterhaltung auch nicht viel beizufügen.

"Denkst du deine Eltern fänden es gut wie du deine Schwester behandelst? Auch, wenn du sie nicht belasten willst, seid ihr immer noch eine Familie und Ryoko fühlt sich so nur schlimmer."

"Halt den Mund.", zische ich und sehe böse zu Mito hoch.

"Wieso? Weil es die Wahrheit ist und du sie nicht verkraftest?", fragt sie etwas lauter und ich schlage meine geballte Faust auf den Fußboden.

"Rede nicht über sie."

"Machst du dir jetzt endlich mal Vorwürfe?", ruft Mito wutentbrannt und springt vom Bett auf.
"Verstehst du nicht, was du deiner Schwester da antust? Für sie ist es auch nicht leicht, dass ihr eure Eltern verloren habt oder denkst du, du bist die einzige die leidet? Denn das bist du nicht und weißt du was? Ryoko leidet sogar noch viel mehr als du, doch sie versucht darüber hinwegzukommen, während du dich in deiner Ecke verkriechst und dich selbst bemitleidest."

Ehe ich mich versehe, bekomme ich nur noch mit wie Mito aufschreit, die Türe aufgerissen wird und Tobirama mich auf den Boden drückt.

"Beruhig dich.", meint er, doch dies ist das erste Mal, dass sich Tobiramas Stimme mehr als nur monoton anhört. Er klingt sogar wirklich wütend.

"Das sieht nicht gut aus.", höre ich Hashirama sagen und Mito zischt auf.
"Kannst du aufstehen? Vorsicht. Soll ich dir ein Kühlpacket holen?"
"Hilfst du mir raus?"
"Natürlich."

Ich starre minutenlang auf meine Hand, die Tobirama immer noch auf den Boden drückt. Ich blute.
Ich habe so fest zugeschlagen, dass meine eigene Haut aufgeplatzt ist.

Und doch spüre ich gerade keinen Schmerz, da mein Körper noch dermaßen angespannt und mein Kopf am Verarbeiten ist.

Ich bewege mich kein Stück und mein Kopf ist wie leergefegt, ich starre nur wie paralysiert auf meine blutige Hand, während ich im Hintergrund höre, dass Mito anfängt zu schluchzen und von Hashirama getröstet und aus dem Zimmer gebracht wird.

Auch Tobiramas Knie in meinem Rücken spüre ich kaum und erst als die beiden anderen offenbar die Treppe runtergehen, wagt er es mich loszulassen.

Wie ein Blitzschlag löst sich der Druck und die Tränen schießen mir unerklärlicherweise über die Wangen.

Der Schmerz, der durch jedes Glied meines Körpers geht, lässt mich zusammenzucken, so dass ich mich auf dem Boden umherwälze wie ein Schwein im Dreck.
Irgendwann geht mir die Kraft aus und ich komme auf dem Rücken zum Liegen, dabei schaukele ich nur noch ein wenig auf der Stelle hin und her.
Sämtliche Gedanken, die mir bis gerade noch erspart geblieben sind, schießen jetzt wie Raketen durch meinen Kopf.

Tobiramas Anwesenheit fällt mir erst wieder ein als ich soweit durch mit Weinen bin, dass ich seine Umrisse wieder erkenne.
Dabei kann es sich um Minuten oder eine halbe Stunde gehandelt haben, die Schmerzen lassen kaum einen Gedanken in meinem Kopf zu Ende laufen.

Doch sagt Tobirama nichts. Nicht nur das, er hat sich sogar weggedreht. Ob aus Rücksichtnahme oder weil er sich dieses Elend nicht geben will, kann ich kaum sagen, aber es ist besser so. Ich gebe eindeutig einen jämmerlichen Anblick ab.

Und doch geht mir nur durch den Kopf, dass doch nichts passiert wäre, hätte Mito nicht so übertrieben. Ich möchte nun mal kein Wort über den Unfall meiner Eltern hören.
Ich bin nur einem Reflex gefolgt.
Ich kann mich jetzt bereits nicht mal mehr an den Moment erinnern. Es ist einfach geschehen. Nur dieser Schmerz und Mitos Schluchzen, das bis hier oben zu hören ist, beweisen mir, dass das wirklich passiert ist.

"Ich wollte das nicht.", murmele ich immer wieder, auch wenn ich selbst kaum ein Wort verstehe und mir die Hände an den Kopf schlage, damit er aufhört diese vier Worte zu wiederholen.

"Ich weiß.", höre ich Tobiramas Stimme und halte inne, um tief Luft zu holen, damit ich nicht gleich weiter heule.

"Es...", will ich anfangen es zu erklären, doch steigen mir sofort wieder die Tränen und diese vier Worte in den Kopf. Ich wollte das nicht. Es tut mir leid.

Ich habe diese Worte schon einmal benutzt. Damals saß ich mit meiner Mutter in der Notaufnahme und habe wie ein Mantra immer wieder "Es tut mir Leid" wiederholt.
Ich hatte zuvor 70 Tabletten geschluckt, aber statt dem erwünschten Ziel, saß ich danach nur in der Psychiatrie. Auch meine Mutter sagte damals "Ich weiß."

Nur war es damals wegen Selbstgefährdung und keine Fremdgefährdung.
Doch der Schmerz, dieses Stechen in der Brust, der erhöhte Herzschlag, die Übelkeit und die immer wiederkehrenden Worte in meinem Kopf, sind genau wie damals.
Und es ist ein furchtbares Gefühl, das ich nie wieder verspüren wollte.

Dann irgendwann war ich mit Ryoko einfach alleine und stand mit gepackten Koffern auf der Fußmatte von Mito und ihren Eltern.
Und auch wenn ich seitdem alles getan habe, um Ryoko mit Mito als Vorbild eine bessere Zukunft zu ermöglichen als sie mir bislang gewährt war, bin ich wieder an diesem Punkt und habe sogar alles noch viel schlimmer gemacht.

"Wieso verletze ich Alle, die gut zu mir sind?"

Wieder laufen mir die warmen Tränen über mein Gesicht, weshalb ich auch zuerst nicht verstehe, wer es ist, der mir da so fürsorglich über den Kopf streichelt.
Meine Brust hebt und senkt sich immer wieder, doch es beruhigt mich wie gleichmäßig mir über den Kopf gestreichelt wird. Ich fühle mich für einen kurzen Moment wirklich geborgen.
Und als er mir auch die Haare, die durch die Tränen in meinem Gesicht kleben, zur Seite streicht, sehe ich, dass es Tobirama ist, der sich da gerade so überraschend einfühlsam um mich kümmert.

Aber in dem Moment könnte es jeder sein, der da sitzt und so schließe ich die Augen und konzentriere mich erstmal nur darauf gleichmäßig zu atmen.

Doch wieso ist auch er nun gut zu mir?
Wenn mich alle endlich ablehnen würden, dann könnte ich doch auch niemanden, der mir nahesteht, mehr verletzten... warum ist er also für mich da?

Thirst for blood? - IzunaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt