8️⃣ Montag

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"Zuki, aufstehen!" eine warme Hand rüttelt an meiner Schulter.
Der Stimme nach, muss das aber mein Vater sein und nicht wie angekündigt, Nikolaj.

Je bewusster mir mein Umfeld wird, desto präsenter werden die Schmerzen im Gesicht und meiner Magengegend.
"Junge, na los. Raus aus den Federn!" mein Vater verschwendet nicht allzuviel Zeit mit seiner Weckeinlage und läuft sofort wieder Richtung Küche, da dort anscheinend eine weitere Person anwesend sein muss.

Voller Unmut quäle ich mich aus meinem Bett und begebe mich zuerst in mein Badezimmer.
Meiner Meinung nach ist mein Spiegel kaputt gegangen.
Er zeigt die falschen Gesichtsfarben an.
Anstatt einer rosigen Haut, sehe ich dort eine enorme Blässe, die auf der linken Seite mit einem ordentlichen Blauschimmer durchzogen wird.
Da muss ich mir wohl wieder eine gute Ausrede für Arne einfallen lassen.

Als ich mich gewaschen und umgezogen habe, treffe ich in der Küche am Esstisch ein, an dem auch Nikolaj sitzt und genüsslich einen Kaffee schlürft.
Heute muss einer der seltenen sozialen Tage meines Vaters sein, denn seine Gorillas haben normalerweise keine Erlaubniss, an dem selben Tisch zu sitzen wie die Hoheit selbst.

"Morgen!" ohne einen der beiden wirklich anzuschauen, setze ich mich auf meinen Platz und schnappe mir eins der Brötchen, um es mit Nutella vollzukleistern.
"Morgen Zuki!" begrüßt mich Nikolaj und klingt ziemlich vergnügt.

Die Männer schließen noch direkt nach ihren Handlungen mit der Sache ab und verhalten sich, als wäre nichts passiert.
Würde ich auch gerne tun, jedoch hindern mich meine vorhandenen Schmerzen daran, daß Geschehene zu vergessen.

Mein Gesicht muss allem Anschein nach Bände sprechen, denn mein Vater legt mir ungefragt eine Tablette neben meinen Teller und stellt anschließend ein Glas Wasser dazu.
"Danke!" murmele ich vor mich hin und beiße genüßlich in die braun beschmierte Teigware.
"Brauchst du eine Entschuldigung für Sport?" diese Frage wirft mich schon fast aus der Bahn, da es normalerweise niemanden interessiert, ob ich unter Schmerzen den Sportunterricht meistern muss oder nicht.
"Ja!"

Ob er vielleicht ein schlechtes Gewissen hat?

Während ich so überlege, lasse ich meinen Blick über die Küchenzeile schweifen.
Die weißen Fronten sind neuestens in tiefen schwarz gehalten und desweiteren besitzt der Backofen keine Glasscheibe mehr.
Auch seine Form und Beschaffenheit hat sich stark verändert.
Warum mein Vater darüber so sauer ist, will ich einfach nicht verstehen.
Er hat genug Geld um die Küche zu erneuern.
Ausserdem benutzt er die Kochgelegenheiten vielleicht zweimal im Jahr.
Der Essenslieferant um die Ecke verdint sich das restliche Jahr, eine goldene Nase an uns.

"Marco, kannst du heute nach der Schule zu Arne? Ich habe wichtige Erledigungen zu tätigen!"
In meinem Gesicht bahnt sich schon fast ein überschwängliches Lächeln an, das ich gerade noch so in letzter Sekunde ausbremsen kann und versuche, möglichst neutral zu klingen:
"Ich muss dann kurz nachfragen, ob es bei ihm klappt!"
"Dann mach das schnell!" gibt mir mein Vater die Bestätigung, was mich ziemlich schnell von meinem Stuhl aufspringen und in mein Zimmer rennen lässt.

Warum jetzt plötzlich diese Wandlung?
Erst ist er total unbegeistert und jetzt schickt er mich freiwillig zu Arne?
Egal Marco, nutz das aus!

In Windeseile wähle ich die Nummer meines besten Freundes und lasse es bis zum vergasen durchklingeln.

Arne: "Hey, du lebst noch?"
Ich: "Hahaha halt die Klappe. Hast du heute nach der Schule Zeit?"
Arne: "Bist du adoptiert worden oder wie kommt es, daß du heute in die Schule kommst und dann auch noch fragst, ob ich anschließend Zeit habe..."
Ich: "Ich habe solche Sehnsucht nach dir! Hahha. Ne mal ernst... Mein Vater hat Laune und das muss ich ausnutzen!"
Arne: "Warte kurz, ich muss meinen Vater fragen...."

Ich warte zappelig auf die Rückkehr meines Freundes und laufe nervös in meinem Zimmer auf und ab.

Arne: "Marco?"
Ich: "Ja?"
Arne: "Geht klar! Pack ne Badehose ein, wir gehen heute Mittag ins Freibad. Mein Vater und ein paar Kollegen sind ebenfalls dabei, dann brauchst du dir um Personenschutz keinerlei Gedanken machen! Hahahaha"
Ich: "Witzig... wirklich witzig...."
Arne: "Hallo? Wessen Vater flippt denn aus, wenn der Sohn fünfzig Meter alleine auf der Straße läuft?"
Ich: "Ja, schon gut. Passt. Bis nachher!"
Arne: "Bis denn!"

Überglücklich laufe ich in die Küche zurück und verkünde, dass das Treffen mir Arne klappt.
Ganz ganz vorsichtig erwähne ich den Besuch im Freibad und ziehe schon langsam mein Genick ein.
Maxim verengt leicht seine Augen und ich versuche darauf, Arne's Trumpf auszuspielen:
"Sein Vater und ein paar Kollegen sind auch dabei. Die werden keinesfalls zulassen, das mir etwas passiert!"
"Na gut... Aber Marco! Lass dich von den Bullen ja nicht ausquetschen. Hast du verstanden? Du erzählst nichts!" die bedrohliche Art gefällt mir ganz und gar nicht, denn was sollte ich schon großartig erzählen?
"Ja, versprochen! Die interessieren sich doch eh nicht dafür. Dann brauche ich keine Entschuldigung für Sport. Kann schlecht in Sport blau machen und dann heute mittag zum Schwimmen gehen!"
"Wie du meinst. Also, viel Spaß mein Junge. Ich muss los. Alec kommt dich in zehn Minuten holen!" kaum ausgesprochen, steht mein Vater auf und verlässt zusammen mit Nicolaj den Raum.

Ich stopfe mir im Unverstand mein Brötchen in den Mund und räume schnell den Tisch auf, um zusätzlich meine Badehose und ein Handtuch zu meinem Sportsachen dazu zu packen.

"Zuki? Bist du fertig?" Alec ist mal wieder überpünktlich, doch heute bin auch ich zum geforderten Zeitpunkt bereit.
Nachdem ich nochmals in der Küche einen Stopp eingelegt habe, um die Tablette einzupacken, laufe ich zu Alec, der sich mit mir zusammen zum Auto begibt.

Die Tablette werde ich erst vor dem Sportunterricht einwerfen, denn irgendwie muss ich diese Stunde überleben.

Zuki - Das ZUhälter-KIndWo Geschichten leben. Entdecke jetzt