5️⃣ Sonntag

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Am nächsten Morgen werde ich von nervenden Kaffeemaschinengeräuschen geweckt.
Um sieben Uhr!
Die gute Laune die so früh am Morgen schon präsent ist, lässt mich nur mit den Augen rollen.
"Marco? Möchtest du nicht auch endlich mal aufstehen?" meine Mutter muss direkt vor der Schiebetüre stehen, denn ich kann selbst die kleinen Atemzüge zwischen ihren Worten hören.

Wenn ich mich tot stelle, dann wird sie mich schon nicht weiter nerven.

"Wie geht es dir denn? Soll Phil jetzt mal nachschauen oder ist es besser geworden?"

Ach, der Arzt ist ja auch noch anwesend.
Mist!

"Nerv doch nicht immer! Alles Gut!" kaum hat sich mein Mund geschlossen, öffnet sich die Trenntüre zur restlichen Wohnung:
"Dann kannst du jetzt deinen Hintern aus den Federn schwingen und mit uns frühstücken!"
"Hast du mich schon jemals frühstücken sehen?"
"Nein, aber..."
"Was sagt uns das also?"
"Marco, werd jetzt ja nicht frech!"
"Wieso? Was willst du denn dann machen?" ich öffne meine Augen und werfe meiner Mutter eine provozierende Grimasse entgegen.
Der leere Gesichtsausdruck deutet mir, das ich gewonnen habe was sie mir keine Minute später auch signalisiert, indem sie meine Türe wieder schließt.

Mein Handy vibriert wild in der Hose, die irgendwo zwischen Wand und Bett auf den Boden gerutscht ist.
"Och... auch das noch!"  ich schätze das es ein wichtiger Anruf sein muss, denn der Anrufer lässt penetrant duchklingeln.
Als ich die Hose und somit auch mein Handy zu fassen bekomme, nehme ich den Anruf sofort an:

Ich: "Ja?"
Nikolaj: "Was dauert denn da so lange?"
Ich: "Sorry, lieg halt noch im Bett!"
Nikolaj: "Anziehen! Wir sind in drei Minuten da!"
Ich: "Was? Warum? Ich bleib doch bis Montag hier!"
Nikolaj: "Arzttermin!"
Ich: "Heute ist Sonntag!"
Nikolaj: "Unser Arzt kommt, wenn Maxim es will!"
Ich: "Aber ich bin nicht krank! Ich brauche keinen Arzt!"
Nikolaj: "Dein Vater will dich durchgecheckt haben! Ausserdem hast du Charlett durchgenommen und die hatte immer irgendwas!"
Ich: "Warum HATTE?"
Nikolaj: "Komm raus jetzt!"

Anruf beendet.

Ich starre ungläubig auf mein Handy, während sich die Panik langsam in mir ausbreitet.

Was mach ich denn jetzt?
Scheiße....

So schnell wie möglich strampel ich mich aus meinem Bett und überlege wo ich mich verstecken könnte.
Viele Möglichkeiten gibt es nicht, aber wenn ich es geschickt anstelle, hauen die vielleicht wieder ab.
Zittrig öffne ich die Zwischentüre und stelle fest, das meine Mutter und ihr Typ im Wohnzimmer sein müssen.
Somit schleiche ich  mich zuerst leise ins Badezimmer.
Als hinhaltetaktik öffne ich das Badezimmerfenster, um vorzugaukeln, das ich dort hinausgeflüchtet bin.
Anschließend geh ich in das Schlafzimmer meiner Mutter, quetsche mich so gut wie möglich in den Innenraum des Kleiderschrank und ziehe die Kleidungsstücke über mir von den Bügeln, um mich damit zu bedecken.
Ich versuche leise und normal zu atmen, doch das zittern macht es mir schwer.

Kaum ist die Haustürklingel zu hören, nehme ich auch schon Schritte wahr.
"Hallo Nikolaj. Was willst du hier?"
"Wo ist er?"
"Marco?"
"Nein, der Weihnachtsmann. Ich habe gesagt, er soll nach draußen kommen!"
"Moment, er ist bis morgen bei mir!"
"Tja, Püppi. Zuki hat nen Arzttermin, der sich nicht verschieben lässt.
"Ihm geht es besser, ausserdem..."
"Halt die Fresse! Ich such ihn selbst!"

Den Schritten nach läuft Nikolaj direkt in die Küche.
Ich höre meine Mutter noch irgendetwas aufgeregt schnattern und eine Türe schließen.
Wahrscheinlich hat sie ihrem Lover gesagt, das er im Wohnzimmer bleiben muss und keinesfalls rauskommen darf.

"Zukilein, wo hast du dich versteckt?" Nikolaj's Stimme beschehrt mir einen großflächigen Gänsehautschauer.
Ich muss sehr hart Schlucken als ich die Schritte im Schlafzimmer wahrnehme.
Natascha motzt irgendetwas im Hintergrund, was den Muskelprotz nicht zu beeindrucken scheint.
Als dann urplötzlich die Schranktüren aufgerissen werden, zucke ich so heftig zusammen, das die Hälfte meiner Tarnung von mir herunterfällt.
"Hast du wirklich gedacht das ich dich nicht finden werde?" das gehässige Lachen lässt die ersten Tränen über meine Wangen kullern.
"Bitte nicht!" flehe ich ihn noch an, bevor er grob nach meinem Fuß fasst und mich aus dem Schrank herauszieht, doch ich wusste schon von Anfang an, dass das nichts bringt.

Der Riese zieht mich quer über den Boden hinter sich her, während ich noch versuche mich im Türrahmen festzuklammern.
Nikolaj stöhnt laut auf und tritt mir mit der Schuhspitze einmal gegen meine Finger, worauf ich auch sofort loslasse.
"Nikolaj, bitte lass Marco in Ruhe. Du siehst doch was für eine Angst er hat. Ausserdem hat er nur eine Unterhose an!" meine Mutter fleht vergeblich und sie stellt sich auch nicht in den Weg, was verständlich ist.
Sie würde den kürzeren ziehen.

"Natascha! Du weist wie das läuft! Er hatte genug Zeit um sich anzuziehen, jetzt kommt er eben so mit!" während Nikolaj mich auf dem Flurboden entlangzieht, öffnet sich die Wohnzimmertüre.
Phil streckt seinen Lockenkopf heraus und reißt die Augen weit auf, als er mich auf dem Boden erblickt.
Als wir an der Haustüre angekommen sind, packt mich Maxim's Bodyguard grob am Arm und zieht mich in die Lüfte.
Einen Wimpernschlag später, hänge ich über seiner Schulter und strampel wie verrückt, da ich irgendwie noch Hoffnung habe, das er mich wieder absetzt.

Natascha schubst Phil währenddessen schnell ins Wohnzimmer zurück, damit er nicht entdeckt wird und fleht den Brocken unter mir erneut an, mich hier zu lassen.
Dieser gibt allerdings keine Antwort mehr, sondern knallt hinter sich nur die Wohnungstüre zu und läuft mit mir die Treppen hinunter.

Vor dem Haus, werde ich auf die kalten Ledersitze einer Rückbank, des schwarzen SUV meines Vaters geschmissen.
Nikolaj knallt meine Türe zu und steigt vorne, auf der Beifahrerseite ein.
Alec, der Fahrer, startet den Motor und fährt los.
"Was hat da so lange gedauert?" knurrt Sergej mir entgegen und verriegelt die Türen.
"Er hat sich versteckt und wollte nicht mit!" berichtet Nikolaj, was den Mann neben mir richtig sauer werden lässt.
"Ist das so?" sein starker Arm packt mich grob und sorgt dafür das ich zwischen ihm und Sergej's Körper eingequetscht werde.
"Dann gib mir das Tuch. Maxim ist eh schon schlecht drauf, da kann er nachher kein Theater gebrauchen!"
Ich kann beobachten wie unser Vordermann eine Flasche, ebenso ein Tuch, aus dem Handschuhfach zieht und irgendetwas vorzubereiten scheint.
Nachdem der weiße Stofffetzen ein paar mal mir einer Flüssigkeit getränkt wurde, nimmt es Sergej entgegen.
Ohne jede Vorwarnung, drückt er mir den Fetzen über meinen Mund und meine Nase.
Ein beißender Geruch schleicht meine Nasengänge hinauf, bis in meinen Kopf, was sofort alle Alarmglocken aufläuten lässt.
Ich kralle beide Hände in Sergej's Handrücken und versuche mich irgendwie von ihm zu befreien, aber natürlich bin ich vollkommen machtlos.

Die Welt um mich herum verschwimmt langsam zu einem bunten Farbenbrei, während meine Augen tonnenschwer werden.
Meine Körper verliert an Spannkraft, wesshalb mein Kopf langsam auf die Schulter meines Nebenmann herabsinkt.

"So ist gut Zuki. Noch einmal tief einatmen und dann ist für dich schon alles vorbei. Glaub mir, das wird es uns allen erleichtern!"
diese Worte bekomme ich gerade noch so mit, bevor ich bewusstlos werde.

"Aaaaah!" meine höllische Kopfschmerzen sind das Erste, das ich bemerke, als ich meine Augen öffne.

Wo bin ich denn?

Um mich herum ist alles dunkel und ich habe keinerlei Orientierung.
Meinem Gefühl nach muss ich in einem Bett liegen.
Als meine Hände meinen Körper abtasten, bemerke ich das noch alles dran ist und mir zusätzlich ein Tshirt angezogen wurde.
Um mich herum ist alles still.

Wo bin ich?

Ich drehe mich ein Stück zur Seite, da ich nicht weiß, wie weit das Bett reicht und lande im nächste Moment auch schon mit einem lauten Knall, unsanft auf dem Boden.
Kurz darauf sind schwere Schritte zu hören.
Eine Tür wird geöffnet, durch die viel zu helles Licht hereinscheint und mich fast erblinden lässt:
"Aaaah. Mach das aus... !"
"Zucki, was machst du denn?" ein Mann kommt zur Türe hereingelaufen, sammelt mich vom Boden auf und legt mich zurück ins Bett.
"Was... Ist....passiert?" das Reden verstärkt meine Kopfschmerzen und lässt mich abermals aufstöhnen.
"Schlaf noch ein bisschen, dann werden deine Kopfschmerzen wie von selbst verschwinden!" ich schätze das es Nikolaj ist, aber ich bin mir nicht zu hundert Prozent sicher.
Zu meiner Verwunderung  setzt sich die Person auf die Matratze meines Bett und streicht mir grob durch die Haare:
"Du darfst dich nicht immer so gegen alles sträuben. Das handelt dir nur unnötigen Ärger ein. Hast du verstanden?"
Mehr als ein gequältes "Ja" bringe ich nicht über die Lippen, denn die Müdigkeit reißt mich wieder in eine alles auslöschende Schwärze.

Zuki - Das ZUhälter-KIndWo Geschichten leben. Entdecke jetzt