Kapitel 7

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"Ruby, stopp! Das ist viel zu viel!", rief Allison. "Ach wirklich? Ist das auch zu viel?", fragte ich zurück und warf ihr eine Hand voll Mehl ins Gesicht. Sie sah mich erschüttert an, griff in die Tüte und pfefferte auch mir eine Ladung ins Gesicht. Jedenfalls versuchte sie es. Mit dem Mehl im Auge sah sie überhaupt nichts und traf gnadenlos daneben. Mein ganzer Pullover war weiß und von dem ursprünglichen Aufdruck war nichts mehr zu erkennen. Wir lachten beide und ich half ihr, das Schlimmste aus ihren Augen zu entfernen und überlegte, wie ich möglichst schonend beibringen konnte, dass ich das mal besser alleine machte. "Überlass das Backen mal besser den Experten, du kümmerst dich ja schon um den Rest", sagte ich schließlich. Das stimmte. Sie hatte innerhalb von drei Tagen die komplette Geburtstagsparty auf die Beine gestellt. Sie hatte meine Eltern überredet, die sich für den Abend ausquartiert hatten, natürlich mit der ausdrücklichen Anweisung am nächsten Morgen das Haus tip top aufgeräumt aufzufinden. Das war eigentlich auch der einzige Haken. Ich sah mich schon eingeschlafen auf der Couch, während es um mich herum aussah, als wäre eine Bombe explodiert. Außerdem hatte sie die Leute eingeladen, und - zu meiner Überraschung - keine einzige Absage bekommen. nicht einmal von Jake, was mich am meisten wunderte. Aber er und Allison schienen irgendwie befreundet zu sein, jedenfalls waren sie sich nicht fremd. Wie auch, wenn beide die gleiche Person zur besten, beziehungsweise zur festen Freundin gehabt hatten. Über Elody hatten wir kaum gesprochen. Uns beiden war klar, dass wir auf jeden Fall nicht darum herum kamen, irgendwann auch Jake zu fragen. Aber das wollten wir, wenn möglich, so weit wie es ging aufschieben. Denn das würde ohne Zweifel kein angenehmes Gespräch werden. In meinem Kopf lief das Gespräch ungefähr so ab: "Hey, ich bin die Neue und du kennst mich nicht, aber ich wollte dir sagen, dass ich Erinnerungen von deiner toten Freundin habe, weißt du, was das bedeutet? Nein? Okay wollte ja nur mal fragen!". Das war selbst für meine Verhältnisse unangenehm. Aber darüber würde ich mir nach der Party Gedanken machen. Jetzt musste ich mich erstmal um diesen Kuchen kümmern, der, trotz Allisons Einwand, definitiv nicht zu viel Mehl enthielt. Jedenfalls hoffte ich das. Eigentlich war ich von der Idee einer Party nicht begeistert gewesen, aber irgendwie freute ich mich jetzt doch darauf. Vielleicht hatte das auch etwas damit zu tun, dass Jake da sein würde. Aber diesen Gedanken würde ich natürlich niemals laut aussprechen. Nicht einmal vor Allison. Die war natürlich wegen jemand anderem total aus dem Häuschen, der auf der Party erscheinen würde. Sie sagte es zwar nicht, aber man konnte in ihren Augen sehen, dass sie sich deswegen so sehr auf die Feier freute. Wenn ich sie danach fragte, antwortete sie selbstverständlich ganz brav, sie freue sich so, mir eine Freude machen zu können. Und diesen vorgeschobenen Grund akzeptierte ich nur zu gern. "Ja, ich lass dich ja schon machen! Aber wehe der wird nicht Lecker!", riss Allison mich aus meinen Gedanken und hüpfte auf den Küchentresen, wo sie die Beine baumeln ließ. "Wir brauchen noch Musik. Ich mache eine Playlist und dann will ich deine Vorschläge hören", sagte sie. Ich selbst fand meinen Musikgeschmack echt okay, also wenn man auf Musik stand, die einem den Wunsch entlockte, von einer Brücke zu springen. Oder zu heulen. Oder beides. Krampfhaft versuchte ich, ein Lied zu finden, dass vielleicht ein bisschen fröhlicher klang, wurde aber kaum fündig. Also nannte ich einfach das Erste, was mir einfiel. "Happier than ever von Billie Eilish?". Ich wusste selbst nicht, warum ich das wie eine Frage formulierte. "Ja, wieso nicht? Aber nur den coolen Part davon", erwiderte Allison, zückte ihr Handy und tippte schnell darauf herum. Ich nannte noch ein paar Songs, meistens wurden sie aber von Allison abgelehnt, mit der Begründung: "Wir sind nicht hier um zu heulen, sondern um zu feiern". Und jedes mal fügte sie danach einen schrecklichen Song zu der Playlist hinzu und freute sich wie ein kleines Kind. Dass die Playlist nicht von mir war, würde ich direkt klarstellen müssen.

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Ich hatte mir gerade meinen Mehlverschmierten Pullover über den Kopf gezogen, als ich aus den Tiefen meines Kleiderschranks ein genervtes Aufstöhnen hörte. Zuerst sah man ein paar blonde Haarspitzen herüberragen, dann kam Allisons ganzer Kopf dazu. "Hast du kein einziges cooles Kleidungstück im Schrank? Ziehst du dich jeden Tag wie meine Oma an?", fragte sie und machte dabei ein beleidigtes Gesicht. Dabei war eigentlich ich die, die das recht hatte, beleidigt zu sein. Sie hatte meinen Style gerade aufs tiefste beleidigt. Aber ich zuckte nur mit den Schulten und versuchte, meine Klamotten zu verteidigen. "Also wenn deine Oma sich so anzieht hat sie einen sehr guten Geschmack, finde ich". Und das fand ich wirklich. ich mochte meine Klamotten, einfach weil sie außergewöhnlich waren. Ich mochte die Strickpullover und weiten Jeans, lieber auf jeden Fall als enge Tops oder Shorts. Das schien Allison jedoch anders zu sehen. Stirnrunzelnd sah sie mich an. "Komm schon, Ruby, es ist dein Geburtstag! Trau dich mal was!", sagte sie. Wenn sie mich noch weiter so bearbeitete, würde das wahrscheinlich funktionieren, also versuchte ich schnell, sie davon abzubringen. "Aber wie du gerade schon fachmännisch festgestellt hast, besitze ich so etwas nicht, also..." "Ich hab mir schon fast gedacht, dass der Inhalt deines Kleiderschranks so aussehen würde. Also nicht so schlimm, aber so ähnlich. Zu deinem Glück hab ich dir was mitgebracht!", trällerte Allison und zog etwas aus ihrem Beutel. Ein schwarzes Kleid. Es war schlicht, aber kurz mit Spagettiträgern und einem kleinen Schlitz an der Seite. So etwas hatte ich noch nie angehabt und auch nicht gedacht, dass ich es jemals tragen würde. Aber es gefiel mir. Langsam ging ich auf Allison zu und nahm es ihr aus der Hand. "Und du meinst, das passt mir? Ich weiß ja nicht". "Natürlich passt dir das, na los, zieh es an!", antwortete Allison ohne zu zögern. Mit neuem Selbstbewusstsein durch ihre Worte zog ich mir das Kleid an, und tatsächlich. Es passte wie angegossen und ich gefiel mir darin. Meine Mutter hätte mich umgebracht, aber ich mochte es wirklich. Glücklich sah ich Allison an, die zurückstrahlte. "Du siehst super aus, Süße!", sagte sie und ich umarmte meine Freundin. Nach ein paar Sekunden löste sie sich von mir und klatschte voller Enthusiasmus in die Hände "Jetzt aber schnell, wir müssen uns noch Spiele ausdenken! Und, hasse es oder nicht, ich denke da an Alkohol und Küssen!". Das konnte ja lustig werden.

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