Kapitel 18

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"Ruby! Ich dachte schon du gehst nicht dran!", drang Allisons Stimme brüchig und schwach zu mir durch. Siedend heiß fiel mir ein, dass ich Allison von unserem Plan gar nichts erzählt hatte. "Allie, hör mir zu - ". "Nein, du hörst jetzt mir zu. Ich habe gerade einen Anruf bekommen. Von meinem Bruder". "Jayden?". "Hab ich noch einen anderen?", fuhr sie mich gereizt an. Okay, schlechter Zeitpunkt. "Was ist los?", fragte ich deshalb so ruhig wie möglich. "Er- er möchte sterben, Ruby. Das war so gut wie das einzige, was er mir gesagt hat. Nur das, und dass er mich lieb hat. Du musst mir helfen, Ruby. Ich weiß nicht was ich tun soll". Ihre Stimme war kaum zu verstehen, weil sie immer wieder von schweren Schluchzern geschüttelt wurde. Das Adrenalin in meinem Körper baute sich noch einmal so richtig auf und zum zweiten mal an diesem Tag switchte ich in den Kampfmodus. "Wo bist du?", fragte ich und hoffte, dass meine Stimme so fest klang wie beabsichtigt. Ich konnte jetzt nicht auch noch den Kopf verlieren. Im wahrsten Sinne des Wortes, sagte die Stimme in meinem Kopf. Noch nie hatte ich ihr mit so einer Verhemenz zugestimmt. "Noah und ich sind bei der Schule. Irgendwo müssen wir ja anfangen", antwortete Allison brüchig und mit einigen Atempausen. "Wir sind gleich da. Wir haben nämlich auch ein nicht gerade kleines Problem". Mit diesen Worten legte ich auf. "Los, zur Schule! Wir haben nicht viel Zeit", wies ich Jake an und rannte los. "So kannst du doch nicht -", wollte er mich zurückhalten. "Du siehst doch, dass ich kann", rief ich ihm über die Schulter zu. Ich sah ja ein, dass es nicht unbedingt schlau war mit einer Kopfplatzwunde zu rennen, aber Allison allein zu lassen war keine Option. Ich hörte, wie Jake aufzuholen begann und fühlte mich direkt etwas leichter. Ich hätte es zwar ohne weiteres ohne ihn durchgezogen, fand es aber doch besser, wenn er dabei war. Im Laufschritt erklärte ich Jake kurz und knapp die Situation. Auch er schien fest entschlossen, Allisons Bruder zu finden. Wahrscheinlich war Elody nicht unschuldig an seiner Entscheidung. Der Weg zur Schule war nicht sehr weit, aber selbst im Stechschritt brauchten wir eine Viertelstunde. Als das Schulgebäude in Sicht kam, begann ich zu sprinten. Jake bedachte dies zwar mit einem Kopfschütteln, hielt jedoch weiter Schritt. Meine Augen scannten das Gelände und fanden schließlich Allisons beigen Pullover. Ich rief ihren und Noahs Namen, um auf mich aufmerksam zu machen. Ich rannte die letzten Meter auf die beiden zu und umarmte Allison kurz und heftig. "Wir finden ihn. Versprochen", sagte ich und legte so viel Überzeugung in meine Stimme wie möglich. Hoffentlich fiel Allison nicht auf, dass nur die Hälfte davon der Wahrheit entsprach. Denn eigentlich war ich mir da nicht so sicher, schließlich wussten wir nicht einmal, wo er war. Allison versuchte jetzt, sich selbst abzulenken. "Du hast von einem Problem gesprochen? Worum geht's?", fragte sie etwas gefasster. Das würde etwas komplexer werden. Schnell erklärte ich für Noah nochmal die ganze Geschichte und machte dann für beide weiter. "Also, ich hatte eine Erinnerung davon, wie Elody gestorben ist. das war kein Selbstmord. Das war Damian. Er hat es wie einen Selbstmord aussehen lassen". Allison schnappte überrascht nach Luft, ließ mich aber kommentarlos weiterreden. "Es gibt einen Teil der Legende, den Damian uns nicht erzählt hat. In der Kurzversion geht es darum, dass Damian so eine Art Auserwählter ist und unsterblich wird, wenn er alle Blacks getötet hat. Beziehungsweise dreimal getötet hat. Dafür kann er anscheinend die Seelen sehen und entscheiden, in welchen Körper er wechseln will. Das hat er auch schon einmal ausprobiert, als er seinen Bruder getötet hat. Er befindet sich also gerade in Ezras Körper. Um es sich selbst einfacher zu machen, hat er ein Serum entwickelt, um allen Blacks die restlichen Leben zu nehmen. Das hat er mir auch schon gegeben. Ich bin jetzt also genau so sterblich wie ihr", schloss ich meinen Bericht. Allison und Noah hatten mir die ganze Zeit über mit offenen Mündern zugehört. Es entstand eine lange Pause, bis Noahs Gesichtsausdruck von überrascht zu verwirrt wechselte. "Wenn er deine nicht-so-super-Superkräfte ausgeschaltet hat, warum bist du dann noch am Leben?". Gute Frage. Die Antwort würde etwas schwieriger werden. Noch bevor ich Luftholen konnte, um einen ausführlichen Bericht von mir zu geben, kam Jake mir zuvor. "Damian liegt bewusstlos in seiner Hütte". Es ging also doch einfach. "Bewusstlos? Dann bleibt uns ja nicht all zu viel Zeit, bis er unsere kleine Superheldin endgültig zur Strecke bringt", stellte Noah nüchtern fest. "Danke, das weiß ich selber. Aber im Moment ist Jayden wichtiger. Also, wo fangen wir an?". Erwartend sah ich Allison an, aber die schaute nur fragend zu Noah, als wüsste er es besser. "Was denn, Al? Ich weiß es doch auch nicht", wandte dieser sich an Allison, die daraufhin mit einem Handkantenschlag gegen seine Rippen konterte. Grummelnd gab Noah Jake ein Zeichen und gemeinsam fingen sie an, zu suchen. "Komm", sagte ich aufmunternd und nahm Allison an die Hand. Gemeinsam gingen wir in die entgegengesetzte Richtung um das Schulgebäude und hielten die Augen offen. Währenddessen versuchte ich, Allison ein wenig abzulenken. "Du und Noah also, was Al?", fragte ich und wackelte dabei mit den Augenbrauen. Ich wusste, dass ich eine grottige Schauspielerin abgab, aber Allison stieg aus Mitleid mit ein. "Ja, genau wie du und Jake, Hale", schoss sie zurück. "Nein, aber ehrlich, dafür das ihr euch echt reichlich geziert habt, hat das ja echt gut geklappt", sagte ich in einem ernsten Ton. "Ja, das hat es. Ich bin froh, dass Noah noch die Kurve gekriegt hat. Was ist denn bitte so schwer daran, mal anzurufen oder wenigstens zu schreiben? Ich kann ihm ja auch nicht ständig hinterherlaufen", entgegnete sie schnaubend. Die Tatsache, dass Jake mich echt öfter als nötig anrief, behielt ich lieber für mich. "Ich freue mich für euch, ihr passt so gut zusammen", sagte ich stattdessen. Obwohl wir langsam gegangen waren, hatten wir mittlerweile fast die schuleigene Sporthalle erreicht. Auch Noah und Jake hatten sie fast erreicht. Ich fragte mich, ob sie wohl ein ähnliches Gespräch geführt hatten. "Nichts?", fragte Jake, als wir in Hörweite und kurz vor dem Eingang der Halle standen. "Nein, bei euch?", erwiderte ich. "Nein". Noch während ich grübelte, öffnete sich die Hallentür von innen und wir fuhren alle zusammen. Aus der Halle trat niemand geringeres als Jayden. Nur war er quicklebendig und ein berechnendes Lächeln lag auf seinen Lippen, das jedoch schnell verrutschte, als er uns vier sah.

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