Kapitel 13

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"Ruby?", murmelte Jake direkt neben meinem Ohr. "Mhh", antwortete ich verschlafen. Wir hatten uns auf seinem Bett zusammengerollt und ich war bei seinen ruhigen und gleichmäßigen Atemzügen mehrmals fast eingeschlafen. "Wie viel Uhr ist es?", fragte Jake. Stöhnend rollte ich mich zur Seite und angelte mein Handy vom Boden. Der Akku war leer. Na toll. "Akku leer", erwiderte ich, "du musst gucken". "Okay", flüsterte Jake und gab mir einen Kuss auf die Schläfe, bevor er aufstand und begann, nach seinem Handy zu kramen. "Scheiße, schon so spät. Meine Eltern kommen gleich nach Hause. Es tut mir Leid, aber du musst gehen. Ich hoffe, das verstehst du", sagte er verlegen. "Klar verstehe ich das", antwortete ich sofort. "Meine Eltern wären gelinde gesagt auch nicht begeistert". Ich stand auch auf und suchte meine Sachen zusammen. Langsam kam Jake auf mich zu und zog mich an sich. "Lad dein Handy auf und ich ruf dich an, ja?" "Zu Befehl, Sir!", sagte ich lachend. Jake zog mich noch etwas näher und küsste mich, bevor er sich von mir löste und mich zur Haustür begleitete. "Wir sehen uns morgen, Hale. Bitte nicht sterben, ich will dich nicht auf der ganzen Welt suchen müssen. Aber ich würde es tun. Ich würde jede einzelne Person auf dieser Welt fragen, um dich wiederzufinden". "Ich werde mir Mühe geben", presste ich hervor, weil ich auf einmal verlernt hatte, zu sprechen. Er würde mich auf der ganzen Welt suchen? Wenn das kein Liebesbeweis war... . Ich umarmte ihn kurz, dann machte ich mich auf den Weg nach Hause. Zum ersten mal in meinem leben fühlte ich mich, als sei fast alles perfekt. Naja, abgesehen von dieser drei Leben Sache. Es war im Prinzip wie in einem Computerspiel, nur irgendwie komplizierter. Keine Regeln, kein Entkommen, nicht einmal Erinnerungen. Ich hatte schon oft darüber nachgedacht, wie es wäre, eine Superkraft zu haben. Aber das hier war meiner Meinung nach eher ein Fluch. Was wenn mir dieses Leben hier gefiel und ich dieses Leben gerne beenden würde, wie ein normaler Mensch? Aber nein, ich muss ja halb tot und verwirrt irgendwo aufwachen und die ganze Scheiße nochmal durchmachen.  Und dann würde ich nicht so viel Glück haben. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich beinahe unser Haus verfehlt hätte. Ich kramte meinen Schlüssel heraus und hüpfte die kleinen Stufen zu dem Eingang hoch.

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"Und er hat sich wirklich nicht gemeldet?", fragte ich zum ungefähr zehnten Mal. Offenbar hatte sich bei Allison seit sie gestern gegangen war, einiges an Gesprächsbedarf angehäuft. Jedenfalls wenn man 'einiges' auf den Fakt zurückstufte, dass Noah gestern nicht angerufen hatte. Was Allison offenbar tat. Seit einer Viertelstunde machte sie sich laut darüber Gedanken, warum Noah sich nicht gemeldet hatte. Dabei sagte ich ihr natürlich nicht, dass Jake mich gestern Abend wie versprochen angerufen hatte, und wir uns noch lange unterhalten hatten. "Nein, hat er nicht", antwortete Allison fast weinerlich und ich konnte nicht abstreiten, dass ich es süß fand, wie viele Gedanken sie sich machte. "Hast du ihn denn heute schon gesehen?" "Nein. Vielleicht ist er auch krank. Aber wir sind heute im gleichen Block beim Mittagessen. Dann weiß ich es, aber bis dahin werde ich mich wohl gedulden müssen", sagte sie und ich hoffte, dass sie diesen Plan auch in die Tat umsetzten würde. ich verabschiedete mich von ihr und während ich zum Mittagessen ging, hatte sie noch Matheunterricht. In dem großen Speisesaal erwischte ich mich, wie meine Augen automatisch nach Jake suchten. Leider wurden sie nicht fündig, weswegen ich mich ein wenig enttäuscht bei der Essensausgabe anstellte. Die Schlange war ewig lang und ich war sehr froh, als ich endlich mein Tablett mit den Nudeln in meinen Händen hielt. Nudeln waren das einzig Essbare in diesem Raum, alles andere war entweder vertrocknet oder enthielt undefinierbare Stückchen, die sich wahrscheinlich bewegten, wenn man sie zu lange anschaute. Aber ich hatte Hunger und keine Zeit, mich zu beschweren. Also steuerte ich einen leeren Tisch an und hoffte, dass sich bald jemand zu mir setzen würde. Und wenn dieser Jemand Jake war, hätte ich nichts dagegen. Im Gegenteil, als er sich zu mir setzte, spürte ich ein riesiges Glücksgefühl in mir aufsteigen und ich konnte nicht anders, als zu lächeln. Er lächelte zurück und ließ sich auf den Stuhl gegenüber von mir fallen.  "Hey", sagte er. "Hey", gab ich dümmlich grinsend zurück. Gott, das wurde langsam echt auffällig. Schnell versuchte ich, meine Gesichtszüge unter Kontrolle zu bringen, schnitt dabei aber nur noch mehr Grimassen. schnell wendete ich mich wieder meinem Tablett zu und stocherte in meinen so gut wie kalten Nudeln herum. Auf einmal stellte Jake mir eine Frage, mit der ich absolut nicht gerechnet hatte. "Was glaubst du, kommt nach dem Tod? Oder, für dich, nach deinem Dritten?". Ich brauchte einen Moment, um die gestellte Frage zu verstehen, dann begann ich, zu überlegen. "Ich glaube nicht, dass es dann vorbei ist. Irgendwie kann ich mir das nicht vorstellen. Aber ich glaube auch nicht an den Himmel, weil wieso sollte es eine Dimension geben, die von jemandem geschaffen wurde, den sich vor zweitausend Jahren jemand ausgedacht hat, um alles zu erklären, worauf er keine Antwort hatte?". "Ich sehe, du hast dir Gedanken gemacht", lachte Jake. "Ich glaube, das werden wir erst herausfinden, wenn wir sterben. Aber ich mag die Vorstellung, dass es noch etwas danach gibt. Meinst du, dort gibt es dich dann drei mal? Oder nur Elody?", fragte er. "Ich glaube, es würde mich dann drei mal geben. Weil eigentlich sind wir ja unterschiedliche Personen, nur verbindet uns ein Teil einer Seele. Aber, um ehrlich zu sein, mir macht die Vorstellung Angst, dass die Person, dessen Körper ich einnehmen werde schon irgendwo existiert", gab ich zu. "Weißt du, was mir Angst macht? Dass ich weiß, dass du nach deinem Tod alles vergessen wirst. Auch mich". Jakes Worte weckten einen Gedanken in mir, der vorher noch nicht in meinem Kopf gewesen war. Wenn ich starb, würde nicht nur ich alles verlieren, was von meinem alten Leben noch übrig war. Auch Jake müsste mit der Gewissheit leben, dass ich noch irgendwo da draußen war, er mich aber nie finden würde, weil ich mich an nichts erinnerte. Drei Leben zu haben hatte eben mehr Nachteile als Vorteile. Und diese würde ich lernen, zu akzeptieren.

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