f ü n f z e h n

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»UND dein Lieblingsessen?«, frage ich nun. Das Wasser in dem kleinen Topf beginnt allmählich zu brodeln, sodass ich Salz hinzugebe und den Reis abwiege.

»Alles aus der italienischen Küche. Bis zum Ende meines Lebens könnte ich mich von Nudeln ernähren.« Er mischt weitere Zutaten unter die Masse in der Schüssel, sodass ich den Überblick verliere. Stattdessen konzentriere ich mich darauf, das Wasser nicht überkochen zu lassen und langsam die Pfanne für den Lachs zu erhitzen.

»Das trifft sich gut. Nudeln gehen mir in diesem Haushalt niemals aus«, pflichte ich ihm bei. Meine Eltern haben früher zwei wochenlang jeden Mittag ein Gericht mit Nudeln auf den Tisch gesetzt, weil sie mich dadurch dazu bringen wollten, sie mir nicht mehr zu wünschen und sie mit dem ständigen Betteln in Ruhe zu lassen. Das Fazit der beiden Wochen war, dass ich noch mehrere Monate hätte so weiterleben können, sie aber am liebsten nie wieder ein Gericht mit Nudeln zubereitet hätten.

»Bist du eine Langschläferin?«

»Nein. Ich stehe lieber früher auf und gehe auch früher ins Bett. Morgens, wenn noch alles ruhig ist, bin ich produktiver. Je weiter der Tag voranschreitet, desto eher lasse ich mich ablenken.«

»Dann würden wir beide es in einem Haushalt ziemlich schwer haben. Ich bin eine absolute Nachteule. Lieber erledige ich eine Aufgabe spät abends und schlafe dafür am Morgen eine Stunde länger.« Ich grinse bei seiner Antwort und gebe Butter in die Pfanne. Die beiden Stücke Lachs folgen, nachdem ich sie meliert habe.

»Ich glaube, wir würden trotzdem zurechtkommen. Ich für meinen Teil wäre bereit, Kompromisse zu schließen.« Kaum kommen mir die Worte über die Lippen, breitet sich eine Röte auf meinen Wangen aus. Ich habe aufgehört zu zählen, wie oft es in den letzten Tagen vorgekommen ist, dass ich etwas gesagt, und es gleich darauf bereut habe. Nicht, weil ich glaube, es würde ihn verletzen oder die Stimmung trüben. Sondern, weil es nach Versprechen klingt. Nach einer Freundschaft, oder mehr.

»Weißwein oder Rotwein?«, schiebe ich deswegen schnell hinterher.

Tristan lacht leise über meinen Versuch der Ablenkung und steckt das Kabel des Rührgeräts in die Steckdose.

»Zum Fisch Weißwein.«

Meine Augen wandern zu ihm und ich stemme die Hände in die Hüfte.

»Das war eine generelle Frage.«

»Also bekomme ich keinen?« Er schiebt die Unterlippe nach vorne und sieht mich an, als würde er meine Worte bedauern.

Ich schüttele lächelnd den Kopf. »Du hast Glück, dass ich gerne Weißwein trinke.«

Eine Viertelstunde später sitzen wir zwischen Couch und Wohnzimmertisch auf dem rötlichen Teppich.

Den Glastisch habe ich freigeräumt, unsere dampfenden Teller auf ihm platziert sowie die vollen Weingläser, die das Licht angenehm reflektieren. Zugegeben wäre es angenehmer gewesen, am Esstisch das Essen zu genießen und nicht wie Fünfjährige auf dem Boden zu kauern und sich umständlich über das Essen zu beugen. Aber die Tatsache, dass ich nun als Erwachsene darf, was man mir als Kind verboten hat, macht die unbequeme Haltung wieder wett.

Gerade erwacht der Fernseher zum Leben und spielt die ersten Sequenzen von Aschenbrödel ab, die mir sofort das Herz erwärmen. Es bedankt sich bei mir, den Termin eingehalten und dieser Tradition nachgekommen zu sein.

»Ich habe den Film noch nie gesehen«, platzt es während des Einspielers aus Tristan heraus. Die Gabeln, die ich zwischen den Fingern halte, kann ich nur im letzten Moment davon abhalten, lautstark auf dem Teller aufzukommen.

Vanilleherzen ₂₀₂₂ | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt