s i e b e n

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ALS Anouk aus dem Flur in den Wohn- und Essbereich gestapft kommt, hält Tristan am Kopfende inne. Meine Hündin verlangsamt ihre Schritte und wirft mir einen Blick zu, dann sieht sie unserem Gast in die Augen, bis dieser beginnt, von einem Fuß auf den anderen zu treten.

Die Situation ist so absurd für mich und sie, dass ein Lachen in meiner Kehle emporklettert. Gehört werden kann es allerdings nicht. Der Kloß in meinem Hals ist so groß, dass ich selbst Mühe damit habe, Luft zu bekommen.

»Anouk ist Fremden gegenüber skeptisch und braucht eine Weile, bis sie auftaut. Du steigerst deine Chancen allerdings, wenn du dich nicht ruckartig bewegst, laute Geräusche von dir gibst und einfach abwartest.« Ich beschäftigte meine Hände an einem Kochlöffel und fahre mit den Fingerspitzen über das unebene Muster.

»Ich glaube, das kann ich.« Tristan zieht langsam den Stuhl nach hinten, hebt ihn sogar ein bisschen an, und lässt sich dann vorsichtig darauf nieder. Anouk beobachtet ihn, bis er stillsitzt und lässt sich dann unter meinem Stuhl mit leisem Brummen nieder.

»Das lief ganz gut, würde ich behaupten.« Meine Zuversicht, sei sie auch noch so leise, scheint ihn anzustecken. Ich räuspere ich leise, als ich merke, wie fahl meine Worte schmecken und wende mich wieder dem Essen zu.

Meine Hände zittern, als ich nach dem Kochtopf greife und die Nudeln in ein Sieb schütte, das ich zuvor in die Spüle gestellt habe. Mein Blick huscht über meine Schulter zu ihm, während die Nudeln abtropfen und sich der klamme Wasserdampf meine Wangen benetzt.

Tristan sitzt wie angewurzelt am Tisch und lässt den Blick gleiten, während er die Hände einander umschlingend auf dem Tisch bettet.

Ich wende mich nach vorne, den Topf zwischen meinen Händen und den Blick auf ihn gerichtet. Mit zusammengekniffenen Augen versuche ich zu erkennen, welcher Gegenstand im Untergeschoss ihn am meisten fesselt.

Aufkeimende Panik, er könnte etwas finden, was nicht für seine Augen bestimmt ist und seine Meinung zu mir beeinflusst, keimt in meiner Brust auf.

Er hält die Hände beisammen, beschäftigt die Finger miteinander und hat den Kopf leicht eingezogen. Es beruhigt mich zu sehen, dass er ebenfalls nicht zu wissen scheint, was er sagen oder tun soll.

Die Situation ist für uns beide merkwürdig. Gestern Abend hat er an meiner Haustür geklingelt, die Nacht im Auto verbracht und heute mit mir gemeinsam die Schaukel abgehangen. Jetzt sitzt er an unserem Esszimmertisch und hat damit etwas geschafft, an dem viele vor ihm gescheitert sind. Ich sollte das als Fortschritt in meiner Entwicklung verzeichnen. Als positives Ereignis in einer so beschwerlichen Zeit. Aber ich kann nicht. Nicht mit dem rasenden Puls und meinen bebenden Gliedern, die mir versichern, dass nicht in Ordnung ist – auch wenn es das allmählich vielleicht sein sollte.

Ich trage den Topf zum Tisch, der mir augenblicklich von ihm abgenommen wird, sodass ich jenen mit der Soße holen kann. Dann lasse ich mich gegenüber von ihm nieder, schenke uns beiden Wasser ein und beschäftige die Finger an der weihnachtlichen Serviette.

»Ich möchte mich nochmal bei dir bedanken. Das Alles ist mehr als großzügig von dir und ich will, dass du weißt, dass ich mich dafür gerne revanchieren würde. Wenn du also irgendetwas hast, bei dem ich helfen kann, sag' bitte Bescheid.«

Sein Angebot weiß ich zu schätzen, bin mir allerdings nicht sicher, ob ich darauf zurückkommen werde. Das Aufräumen des Hauses und das Beheben der kleineren Schäden ist meine Aufgabe – meine Verpflichtung. Außerdem sind die letzten Tage für mich in diesem Haus angebrochen, was zur Folge hat, dass ich mich gleichzeitig verabschieden muss. Dabei lege ich eigentlich keinen Wert auf Gesellschaft und jemanden, der in unseren Familiensachen herumwühlt.

Vanilleherzen ₂₀₂₂ | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt