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Bei dem Gedanken, dass sie in die Gasse zurückkehren, hatte sie sich auf etwas schwerwiegenderes vorbereitet.

Doch die erdrückende Stimmung scheint wie weggeblasen zu sein.

Erst als sie weiter in die Gasse hineingehen, scheinen sich schon die ersten Augenpaare auf sie zu legen, die sie mit teils geöffneten Mündern und ihren stechenden Blicken verfolgen.

Am selben Fass, wo Edward ihnen die Information gegeben hatte, sehen sie ihn lachend mit einem anderen Freund, als wäre alles in bester Ordnung.

Erst als er die Sechs erblickt, fällt seine Mine und er reibt seine Augen, als ob er nicht richtig sehen könne.

Ellen sieht vernichtend drein und möchte gerade so viel zu ihren aufkommenden Gedanken sagen, als Sam dies schon für sie übernimmt: »Scheint ja wohl eine Überraschend gute Stimmung zu sein, was?«

»Was soll der Scheiß, Eddie?«, fragt Bradley, der sich bemüht das seine Stimme fest bleibt und nicht zittert.

»Ich hab's gleich gewusst«, kommt es von Eugene.

Wie Edward dort steht, mit einem Bierglas in der Hand und er mit seinem Kumpel auf irgendetwas angestoßen hatte, dreht sich ihr Magen um. Wie kann der Typ in guter Stimmung sein?

Er hatte nicht nur Sandy mitgeschickt, die unter anderem darunter leiden musste, sondern auch sie - mehr oder Weniger. Er hat eine Szene veranstalten von wegen keiner hätte was an Nahrung oder Getränken ...

Es ist zwar ihre Entscheidung gewesen dorthin zu gehen und sie wurden auch teilweise von ihm dazu getrieben - doch wie kann es sein, dass sich hier gar niemand darüber Gedanken zu machen scheint, was überhaupt mit Sandy ist? Noch nicht einmal um sie hatten sie sich gesorgt ...

Ellen hatte sogar mit dem Gedanken gespielt, auf dem Weg dorthin, trotz seiner komischen Show die er abgelegt hatte, den Leuten in der Gasse etwas mitzubringen.

»Was ist überhaupt der Anlass, dass ihr so gut drauf seid?«, fragt Ellen, als Edward immer noch nicht zu einer Antwort jeglicher vorherigen Fragen beantworten wollte.

»Habt ihr euch überhaupt Gedanken gemacht was mit Sandy passieren könnte?«

Er sieht zu ihr hinauf. Sein Gesicht ist ausdruckslos.

»Habt ihr überhaupt bemerkt, dass sie nicht da ist!«, wird Ellen etwas lauter und sieht ihn scharf an.

»Ihr habt davon gewusst ... oder?«, stellt sie per eigener herausgefundenen Fakten fest. Denn das jeder hier Schweigt lässt sie tausend Bände sprechen.

Selbst die Frau, mit dem Baby im Arm, die Ellen so blöd angemacht hatte, sieht geknickt zu Boden.

»Du kleiner Huren-«, will Bradley auf ihn losgehen, doch wird von Sam zurückgehalten, der vor ihm steht.

»Wie kann man nur so falsch sein?«, murmelt Lorena.

Rhonda schüttelt nur wie eine enttäuschte Mutte mit dem Kopf. »Wie kann man nur so tief sinken«, teilt sie ihren Gedanken mit und wenden zum Gehen an, als ein Schwarm von Raben über die Dächer hinweg fliegen.

Fünf stürzen ab und einer landet ein paar Meter vor Ellens Füßen. Sie hört ein knusperndes Geräusch und das Gurgeln, des Vogels.

Langsam treten Sam und sie näher, der links neben ihr Steht und sehen, wie der Brustkorb des Rabens wegätzt und seine Rippen zum Vorschein kommen.

»Was zum?«, murmelt sie und betrachtet weiterhin den Raben, der mit den Flügeln schlägt, sich umher wälzt und schließlich mit einem offenen Schnabel sich dem Tod übergibt.

Sie hätte ihm gern helfen wollen - doch wie? Ellen hat komischer Weise noch nie erlebt, wie ein Vogel, der seinen Körper selbst wegätzt, vor sich hin Stirbt.

Sie hat nur einmal mit Bradley und seinem Vater einen Spatz gerettet, der gegen Bradleys Tennisschläger flog, als sie Tennis im Garten gespielt haben. Doch dieser Vogel hier ist irgendwie ... anders.

Auf einmal schießt ihr etwas durch den Kopf, als Edward alle Leute weg scheucht, sie ihre Sachen abbauen und schnellstmöglich abhauen wollen und Ellen daraufhin mehrmals angerempelt wird.

»Sam? Kann es sein, dass bestimmte Leute nicht mehr ihre Arbeitsplätze belegen können, nach der Kacke hier?«, fragt Ellen.

Er zuckt mit den Schultern und tut auf völlig ahnungslos. »Keine Ahnung, aber die Möglichkeit kommt wohl in Frage.«

Sie sieht ihn an und bemerkt, wie sich seine Augen weiten. Selber Gedanke?

»Nein, dass glaub ich nicht, Ellen. Nein.«

»Aber es wäre doch möglich, oder? Schau dir doch einmal den Vogel an! Gebissen kann er ja kaum werden, da man erstens keinen Biss Abdruck sieht und es auch unmöglich für einen Infizierten wäre einen Raben zu beißen. Wobei man noch nicht einmal weiß, warum ein Infizierter Interesse daran hätte ... Aber verknüpft mit den Vorfällen von Tschernobyl zum Beispiel, würde das mehr Sinn ergeben«, erklärt sie.

»Wie kommst du denn jetzt auf Tschernobyl?«, fragt Eugene mit einem gewissen Spott in seiner Stimme.

Klar, er weiß es natürlich nicht, jedoch findet Ellen Physik und Naturwissenschaften im allgemeinen ziemlich interessant ... vor allem was Naturkatastrophen und die von den Menschen erzeugten Katastrophen betrifft.

Doch einmal, da hatte sie sich mal eine sehr verrückte Frage gestellt, als sie mal ein Video über Atombomben angesehen hat, was denn eigentlich passiert, wenn alle Atomkraftwerke explodieren würden und ob das überhaupt möglich wäre.

Ellen hat sich zahlreiche Artikel zu Atomkatastrophen und Atomkraftwerken durchgelesen und erfahren, dass diese Atomkraftwerke einen Schutzmechanismus haben, der Circa sieben Tage anhält, ohne jeglicher Führung. Was danach passiert ist ... nicht so vorteilhaft.

Dass sie schon seit sechs Tagen so leben müssen scheint erst einmal nicht sonderlich auffällig zu sein.

Klar könnte man auch meinen, dass einige Arbeiter sich auch in diese Atomkraftwerke verschanzt haben, damit dieser nicht explodiert, wenn man es mal so ausdrücken möchte. Aber bei den meisten wird dies wohl nicht der Fall sein ...

Ellen hatte sich ebenfalls mit ihrem Physiklehrer über Radioaktivität und co. Unterhalten und er meinte ebenfalls, dass es sehr unwahrscheinlich sein würde, dass so etwas passiert, aber die Möglichkeit durchaus besteht. Und wenn man all diese Dinge zusammenknüpft, dann kann schon ein gewisses Bildnis kommen und dieser verätzte Vogel und sein Schwarm macht es nicht besser. Vor allem in solch einer Geschwindigkeit, indem sie unterwegs gewesen waren, müsste sie irgendetwas verschreckt haben. Ellen kann sich auch täuschen - doch einen Zusammenhang bildet es schon ... irgendwie.

»Das ist verrückt, Ellen«, meint Rhonda, als Ellen es ihnen erklärt hat, warum sie das denkt.

Sam steht etwas abseits von ihnen und murmelt etwas wie: »Sie haben davon gesprochen, doch das das wirklich ... passiert ...«

Er sieht zu ihnen auf und steigt auf sein Pferd und nimmt eine festere Position ein. »Okay, wir sollten los, es kann nämlich auch sein, dass Ellen Recht hat!«

»Das glaubst du doch jetzt nicht im Ernst, Sam?«, fragt Eugene ihn missbilligend und verschränkt seine Arme, während schon alle auf ihre Pferde steigen.

»Doch, und jetzt steig auf, verdammt!«

They Lost The ControlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt