Glück?

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Ein leises Klopfen ertönte an Stellas Tür. 

Es war sicherlich das sechste oder siebte Mal in der letzten Stunde, dass eine der Winx versucht hatten, mit Stella zu reden, doch genauso wie die ersten Male, ignorierte Stella den Versuch, zog sich stattdessen ihre schwere Decke weiter über ihren Kopf, versuchte alle Geräusche auszublenden. Doch egal was sie tat, egal wie sehr sie ihre Augen zukniff, konnte sie den Gedanken und Erinnerungen nicht entfliehen. So sah sie immer wieder vor ihren Augen den schwarzen Staub, wie er langsam zu Boden rieselte, hörte Ashers Lachen und roch den versenkten Geruch ihrer Flügel. Drei Tage war es nun her, in denen sie und das Schloss gedrungen war, auf der Suche nach Antworten. Zwei Tage war es her, seitdem sie ihre Flügel für immer verloren hatte. Zwei Tage voller Schmerzen, voller Trauer und voller Angst. Hatte sie kein Auge schließen können während der Zeit. Sie würde gerne weinen, würde gerne wütend auf sich und auf die Welt sein, Sachen wild durch die Gegend werfen, ihren Frust auslassen, doch spürte sie nichts dergleichen, war sie einfach nur leer, eine Hülle, ein Schatten, ihrer selbst. Ein einziges Gefühl bahnte sich an die Oberfläche. Hass. Hass auf sich und Hass auf Asher. Doch war der Selbsthass größer, ein stärkerer Teil, den sie verspürte. Wäre sie nicht so arrogant gewesen, wäre sie nicht so dumm gewesen, hätte sie nicht wieder eine ihrer Stella Ideen gehabt.

Hätte sie einfach das getan, was andere von ihr gesagt, von ihr verlangt hätten. Würde sie einfach das sein, was andere von ihr verlangten. Vielleicht hatten ihre Eltern und Brandon recht, vielleicht war sie keine Schutzfee, war sie anscheinend unfähig, sich selbst zu beschützen, wie sollte sie dann einen ganzen Planeten vor fünf dieser Bruder schützen. Der Scham in ihr wuchs und wuchs, legte sich wie eine Fessel um ihr Herz und vergriff sich in ihren Gedanken. Scham und Selbsthass, eine Mischung aus Gefühlen, die Stella am liebsten zusammen mit den Erinnerungen an ihre Flügel verbrennen wollte. Zu gerne würde sie behaupten, dass es alles ein blöder Zufall gewesen ist, doch war es ihre eigene Schuld, ihr Fehler. Ein Preis, den nur sie zu bezahlen hatte. Dabei hatte sie nach dem Angriff auf Domino Stärke und eine Art von Selbstbewusstsein empfunden, die sie nun nur noch als Utopie bezeichnen konnte. Hatte sie da wirklich gedacht, sie hätten eine Chance gegen Asher und seine Brüder.

Das leise Klicken eines Schlüssels im Schloss ließ Stella aus ihrer Decke hervorschauen. Mit leerem Blick sah sie zu Flora, welche eine dampfende Tasse Tee auf ihren Nachttisch stellte, ehe sie sich auf das Bett neben sie setzte. Besorgt sah sie auf den unangetasteten Streifen der Schmerztabletten, verweigerte Stella schließlich dessen Einnahme. Sie verdiente diesen Schmerz, hatte sie zu Beginn gesagt, kurz bevor sie die Tür versperrt und sich somit selbst vor den anderen vermissen hatte. 
„Es ist nicht deine Schuld."
Da war es. Das, was Stella am wenigsten wollte, am meisten verabscheute. Das Mitleid ihrer Freundinnen. Sie wollte es nicht, war es nur ein weiterer Aspekt, welcher ihren Selbsthass fütterte und wachsen ließ. Ihretwegen sorgten sich die anderen. Ihretwegen blieben alle Pläne stehen, ihretwegen würden sie verlieren, ihretwegen wurde die Hoffnung auf einen Sieg weniger. Sie hatte ihren Freundinnen aufgezeigt, für was für Taten die Brüder in der Lage waren, dass die Feen keine Chance hatten, keine Möglichkeit, gegen fünf von ihnen standzuhalten. Ihretwegen würde Dahlia wissen, ihre Hoffnungen in die Falschen gesetzt zu haben, würden stattdessen sehen, wie sie alle der gleichen Dunkelheit verfallen. Stella senkte ihren Blick, sah die ganze Zeit nicht zu Flora auf, bis sie eine Hand auf ihrem Schoß spürte und wie die Finger langsam und beruhigend über den Stoff der Decke strichen.

„Stella. Bitte schließ uns nicht aus, lass uns dir helfen."

Stellas Blick fixierte Floras Hand. Es war die Hand mit den tiefen Narben auf der olivfarbenen Haut. Sie erinnerte sich an Floras schmerzverzogenen Gesichtsausdruck, an das Blut und die pure Magie, die aus der Wunde strömte. Sie erinnerte sich an die Sorgen, die sie sich alle um sie machten. Nur war Floras Handlung nicht vergeblich, nicht ohne Erfolg im Gegensatz zu ihrer.

Das Vermächtnis der Vergangenheit; WINX ff.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt