Befehlen

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Es war ein ungutes Gefühl, ein ungutes und mulmiges Gefühl, welches sich in den Körpern ausbreitete. Fast schon könnte man es als Angst bezeichnen, doch die Hexen hatten sich dazu entschieden, solch ein Gefühl nicht empfinden zu können, nicht empfinden zu wollen. Und trotzdem standen sie mitten in dem Thronsaal, eine leichte Gänsehaut auf der Haut, angespannt und auf die Throne herauf schauend. Sie mieden die Blicke von den dreien, die vor ihnen saßen. 

Asher, wie immer zurückgelehnt, den Kopf auf seine Hände gestützt, rechts neben Alaric. Dieser saß gerade, die Beine überschlagen und musterte die drei kritisch, missbilligend und doch ruhig, als hätte er ihr Ergebnis erwartet. Unangekündigt und für die Hexen überraschend saß Cole auf der linken Seiten von Alaric, die Augen geschlossen. Fast so wirkte es, als würde er schlafen, doch die leichten Bewegungen in seinem überschlagenden Bein, das kleine Wippen des Fußes, zeigte, dass er wach war.

„Zwei Wochen."

Die Hexen sahen zu Alaric, wessen Stimme kalt und schneidend war. Die Anspannung im Raum war fast schon zu spüren, wie ein Zurren breitete sie sich im Raum aus und erfüllte die Köpfe der Hexen. Ein leichtes Lächeln bildete sich auf Ashers Lippen, als er den Kopf leicht schief legte, kurz zu seinem Bruder zur Linken sah und dann wieder auf die Hexen herab. Icy ballte ihre Fäuste, trat einen Schritt vor. 

„Zwei Wochen sind nicht genug um die Feen zu finden!"

„Ihr solltet die Feen nicht finden, ihr solltet sie herauslocken. Das sind zwei verschiedene Aufgaben, doch scheint ihr den Unterschied nicht zu verstehen. Ihr solltet Chaos anrichten, sodass die Schutzfeen eingreifen würden. Alle. Sagtet ihr uns nicht, ihr seid die mächtigsten, skrupellosesten Hexen, welche es gibt? Man würde euch fürchten?" Obwohl Alarics Stimme dominanter wurde, war sie weiterhin ruhig. Lediglich seine Finger waren leicht angespannt, griffen in die Lehne des Thrones und zeigten seine Verärgerung. Nun war es Stormy, welche sich neben ihre Schwester stellte, die Hände in die Hüften gestützt. 

„Wir sind es auch! Wir haben Chaos verbreitet, so wie ihr gebeten habt, wir-." Das schallende Gelächter von Asher unterbrach sie. Belustigt lehnte er sich vor, musterte sie süffisant. 

„Gebeten? Oh Stormy, wir bitten nicht, wir befehlen."

Stormy wechselte ihre Pose, verschränkte nun ihre Arme und tippte mit ihren langen Fingernägeln auf ihre Haut. 

„Befehlen?"

Er hob sein Kinn etwas an, zog seine Augenbraue hoch, musterte sie, ehe er selbstgefällig grinste und nur ein leichtes Nicken andeutete. 

„Befehlen."

Der Raum wurde etwas wärmer, etwas enger als zuvor, verstärkte das Zurren und den Druck im Raum, welches sich in den Köpfen bemerkbar mache, sich in den Körpern ausbreitete. Stormy stellte sich zurück zu Darcy, welche nur zwischen den beiden hin und her sah. Zufrieden entspannte sich Asher, nahm die Hitze aus dem Raum und lehnte sich erneut zurück in seinen Thron. Er folgte Coles Beispiel und schloss kurz die Augen, entschied sich kurz darauf dagegen und öffnete sie erneut, sah wieder auf die Hexen herab. Icy schnalzte mit der Zunge, ahmte die Geste von Asher nach und rückte trotzig ihr Kinn in die Luft. 

„Wenn du dich für so viel besser hältst, wieso lockst du eure tote Freundin nicht aus dem Versteck?"

„Würde ich nur zu gerne. Doch sagt mir, wenn ich nun eure Aufgaben übernehmen soll, wieso sollten wir es dann weiterhin gestatten euch bei uns zu lassen? Ihr seid mir gefolgt, um stärker zu werden und eure Kräfte zu steigern. Bis jetzt habt ihr mir nichts gezeigt, nichts bewiesen. Ich gebe nicht jedem ein Teil meiner Energie."

Ein kurzer Seitenblick von Alaric. Er wusste genau, selbst wenn die Hexen sich in deren Sinne beweisen würden, würde Asher niemals ein Teil seiner Kraft aufwenden, um die Hexen für einen kurzen Moment zu stärken.


Icy zog ihre Augenbrauen hoch, zog ihren Kopf etwas nach hinten und sah wutschnaubend zur Seite. Ihr Blick traf ein altes Porträt, welches die Familie zeigte. Die Hexen hatten sich nicht viel im Schloss umgeschaut, erst Recht nicht im Thronsaal. Die Wahrscheinlichkeit, einen der Brüder zu treffen, war zu hoch und diese Begegnung wollten sie vermeiden. Demnach hatte Icy nun zum ersten Mal die Chance, das Bild etwas länger zu betrachten. Schnell erkannte sie Alaric und Asher, wie sie im Kindesalter abgebildet wurden. Asher, selbst auf einem Porträt mit einem selbstgefälligen Blick festgehalten, obwohl er währenddessen den Stoff des Rockes der Person neben ihm fest umklammerte. Eine junge Frau mit aschblonden Haaren und einem gütigen Lächeln. Daneben, hinter Alaric, ein groß gewachsener Mann mit strenger Miene, die seine Söhne wohl geerbt haben müssen. So gerne sie das Bild noch weiter betrachtet hätte, viel weiter kam sie nicht. 

„Während ihr erfolgreich unsere Zeit verschwendet habt, haben wir an einer Lösung gearbeitet, die euch in Zukunft ersetzen wird.", meinte Alaric, welcher den Blick von Icy gefolgt war. Den Blick auf das Porträt fokussiert, seufzte er leise, ehe er fortfuhr. „Ich muss gestehen, es hat länger als erwartet gedauert, die aktuellen Geschehnisse in Erfahrung zu bringen. Besonders die letzten 23 Jahre schien ziemlich viel geschehen zu sein."

Überrascht sah Icy zurück zu den Brüdern. Sie hatten mehrere Tausend Jahre geschlafen und brauchten lediglich zwei Wochen, um die gesamten vorherigen Weltgeschehnisse in Erfahrung zu bringen? Und dass nannte Alaric ‚länger als erwartet'?

„Aber zum Glück stießen wir sehr schnell auf einen alten Freund, welcher uns half uns hier zurechtzufinden." Nun traf sein Blick auch wieder den der Hexen, ein leichtes Lächeln auf den Lippen. Die Hexen kannten die Brüder noch nicht lange, doch wussten sie recht schnell, dass ein Lächeln auf Alarics Lippen nichts Gutes heißen konnte. Im Gegensatz zu Asher hatte er meistens eine zurückhaltende und kontrollierte Mimik, verzog nur ab und an seine Mundwinkel, meist, wenn Asher in Eigenregie handelte. Doch nun hatte er ein solch leichtes Lächeln, dass es schon fast unheimlich zärtlich wirkte, obwohl alles andere an ihm genau das Gegenteil zu sein schien. 

„Ein alter Freund?"

„Oh ja. Ihr kennt ihn sicherlich auch, schließlich hatte er sehr viele Dinge über euch zu erzählen. Genauso wie über die Feen. Informationen, die wir von euch nie bekommen haben."

Wenn möglich, wurde Icy noch blasser. 

„Wir hatten nicht vor, euch etwas zu verheimlichen."

„Natürlich nicht." Wieder dieses Lächeln. „Im Gegensatz zu euch, hat er sich schon bewiesen, lange vor eurer Zeit. Ich bin mir sicher, es macht euch nichts aus, ihm zu dienen anstatt uns zu belästigen?"

Die Tür machte erneut ein lautes Geräusch, als sie zurück in das Schloss fiel. Asher verdrehte die Augen, würdigte dem Gast keinen Blick. Die Hexen hörten Schritte, feste, schwere Schritte, die ihren Weg fortsetzen. Sie brauchten sich nicht umzudrehen. Alles, die Aura, die Ausstrahlung, die Veränderung im Raum, machte deutlich, dass er es war. Dass er zurück war. Mit seinem typischen charismatischen Lächeln ging er an den Hexen vorbei, sein Mantel leicht wehend hinter ihm. Seine Haare so lang, wie sie es in Erinnerung hatten. Alles an seiner Form war so, wie sie es in Erinnerung hatten. Er machte eine leichte Verbeugung vor den Thronen, sah zu Alaric auf, welcher den Kopf nun auf seine Hand stützte und lächelnd auf ihn herunter sah. 

„Ihr könnt euch auf mich verlassen."Seine Stimme war tief und doch melodisch. 

Alaric nickte leicht. „Das möchte ich meinen. Willkommen zurück, Valtor."

Das Vermächtnis der Vergangenheit; WINX ff.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt