Hey kleiner Vogel

63 3 0
                                    

Langsam öffnete Flora die Augen, nahm nun das erste Mal das Leuchten, diese Art von Magie bewusst wahr, welche sich vor ihr ausbreitete, sogar die Bäume um sie herum anstrahlte. Sie fühlte sich so anders an, erzwungen und doch so frei zur gleichen Zeit. Fasziniert von dem Schein, welcher trotz gemischter Gefühle so vertraut und gleichzeitig fremd war, vergaß sie für einen kurzen Moment die Anstrengungen, das Ziehen in ihren Muskeln, die Enge im Brustkorb, ehe sie ein leichtes Pulsieren in ihren Händen bemerkte. Sofort ließ sie von dieser Energie los, löste die Anspannung in ihrem Körper, ließ die Magie weichen. Zu ihrer Erleichterung ließ das Kribbeln an den Narben schnell nach, alles sah so aus wie zuvor, es ist also nichts passiert.
„Ich schätze, das ist der Grund, warum Flora nichts davon wusste."
Irritiert drehte Flora sich zu Dahlia um, realisierte nun erst, dass auch die anderen sich hinter ihren Rücken gestellt hatten, doch verstand nicht, was Dahlia mit den Worten meinte. Flora beobachtete die verschiedenen Reaktionen kurz. Während Dahlia fast schon mit einer stolz geschwellten Brust und einem Lächeln im Gesicht weiterhin zu Floras schaute, waren Bloom und Stella etwas blass um die Nase, Helia hatte die Augenbrauen zusammengezogen, blinzelte öfters, als müsste er sich das Bild immer und immer wieder einprägen, ehe er es verstehen könnte.
„Sie meint deine Schulter, Flora." Sagte er schließlich mit seiner ruhigen Stimme, welche dieses Mal das genaue Gegenteil an Gefühlen bei ihr bewirkte. Zögernd blickte sie hinunter auf ihr Schulterblatt. In einem zarten Leuchten erkannte sie noch leicht eine Form, doch schwand diese langsam, ehe die Quelle erlosch und schließlich alles wirkte, wie zuvor. Ihr Blick wanderte sofort wieder hoch zu ihren Freunden. Helia hielt ihr eine Hand hin, half ihr langsam zurück auf die Beine, ihr Blick auf den Boden gerichtet. Sie versuchte es irgendwie zu verstehen, doch erschien kein logisches Bild zu entstehen.
„War das-." Sie stockte.
„Die Rune.", ergänzte Bloom nun, welche besorgt zu ihr sah.
„Die aus dem Labyrinth. Wobei ich glaube, du weißt, welche wir meinen.", ergänzte Stella rasch, gefolgt von einem leichten Lacher, fast schon hysterisch, selbst nicht sicher, was das alles zu bedeuten hatte und sich selbst nicht im Klaren, ob sie nun fasziniert, panisch oder irgendwie anders reagieren sollte.
„Ich denke, ich kenne sie Antwort. Ich werde es euch erklären.", fing nun Dahlia an, doch wurde von Flora unterbrochen, welche nur den Kopf schüttelte.
„Erst einmal, müssen wir zurück." Sie versuchte ruhig zu bleiben, sah ihre Freunde an. „Ich muss erst einmal zurück."
Die Freunde nickten, Helia legte seinen Arm um sie, führte sie durch das kleine Stück Wald, zurück durch den Garten, in dem die Schwerter der vorherigen Übungen noch unachtsam auf dem Boden lagen, zurück in das Haus, ins Wohnzimmer, in dem Flora sich direkt auf die Couch fallen ließ.
„Ich setze einen Tee auf.", schlug Bloom vor und ging in die Küche. Kurz darauf kam sie mit einem duftendem Kamille Tee zurück und stellte Flora eine Tasse vor die Nase. Sanft lächelte sie dankend. Dahlia setzte sich nicht, stand nur weiterhin im Zimmer und musterte die junge Fee vor ihr. Stellas Blick landete auf ihr, sah zu, wie sie mit ihren Fingerspitzen nervös auf ihrem Unterarm tippte, die Lippen zusammengepresst hatte und Flora besorgt musterte. Sie ging einen Schritt auf sie zu, ehe sie wieder zurückwich, unsicher, was sie tun sollte. Sie schien es zu bedrücken, Flora so zu sehen. Schließlich schloss sie ihre Augen, seufzte ein Mal und nickte, so als würde sie sich selber Mut zusprechen, dabei war nicht sie diejenige, welche diesen nun brauchte, wie Stella fand.
„Ich nehme an, du brauchst etwas Zeit?"
„Etwas ist gut." leicht verlegen lachte sie, wodurch jedoch nur noch deutlicher wurde, wie überfordert sie mit der Situation war. Sie nahm die Tasse in die Hand, nur um sie direkt wieder abzustellen. Wäre es nicht in der jetzigen Situation, wäre es wohl amüsant gewesen sie zu beobachten, wie sie die Tasse neben dem Unterteller stellte und nicht darauf. Flora bemerkte es nicht einmal, griff nur wieder in den schmalen Henkel, hob die Tasse erneut an, stellte sie erneut ab. Obwohl sie nun endlich eine Erklärung hatte, warum sie die Stimme oder besser die Erinnerung gehört hatte, warum ihr Körper mit dieser Kraft nicht zurechtkam, wodurch diese Narben entstanden, so kamen ihr nur noch mehr Fragen, welche sich alle zur selben Zeit in ihrem Kopf ausbreiteten. Doch das schlimmste Gefühl war wohl jenes, welches dafür sorgte, dass sie weitere Antworten zunächst nicht hören wollte. Sie hatte Angst. Angst vor weiteren Antworten und dessen Folgen. Sie sah auf ihre Hände, auf die zierlichen Narben in der Handfläche.
„Ich glaube, ich sollte mal die Pflanzen gießen.", sprach Flora und stand auf. Die anderen blickten ihr hinterher, wussten selbst nicht, ob sie ihr nachgehen sollten oder sie einfach Zeit alleine brauchte. Bloom kniff verwundert die Augen zusammen. Sie erinnerte sich an die Zeit, als die beiden sich noch in Alfea ein Zimmer teilten. Damals stand Flora an besonders warmen Tagen sogar besonders früh auf, nur um die Blumen zu gießen. Es würde besser für die Wurzeln sein, man solle möglichst nie mittags gießen, hatte sie Bloom erzählt, doch im Moment stand die Sonne schon fast im Zenit.
„Sag mal Helia, hat Flora nicht heute Morgen die Pflanzen gegossen?"
„Ja hat sie." Mit ernster Mimik sah Helia seiner Freundin hinterher, welche zu den Fensterbänken lief, direkt an der Gießkanne vorbeilaufend. Kurz sah sie verwirrt auf die weißen Mamorbänke mit den Orchideen darauf. Ihr Blick schweifte zurück zur Gießkanne, wie sie unberührt in ihrer Ecke stand, da, wo sie diese immer hin zurückstellte. Der Blick wanderte weiter zu ihren Freunden, welche sie alle still beobachteten.
„Ich denke, ich lege mich doch etwas hin. Ist das in Ordnung?"
Alle nickten sofort und sahen ihr hinterher, wie sie zurück durchs Wohnzimmer schlich, den Flur entlang, die Treppen hoch und nur noch das Zufallen der Tür wahrzunehmen war. Doch an Schlaf oder Ruhe war nicht zu denken, auch keine Stunde später, in der Flora immer noch in ihrem Zimmer verschwunden war. Den Kopf auf ihre Hände gestützt saß sie auf ihrem Bett, versuchte ihre Gedanken, ihre Emotionen, all das Chaos in ihr zu ordnen, etwas zu begreifen, was sie noch nicht verstand. Weitere Minuten ging es so, auch wenn es ihr nur wie ein kurzer Moment vorkam. Ein Zwitschern riss sie aus ihren Gedanken, ehe sie aufsah und den Vogel erkannte, welchen sie zurückgeholt hatte. Sie stand auf, trat vorsichtig auf den Balkon heraus.
„Hey kleiner Vogel." Sie betrachtete den kleinen Kerl, wie er vor ihr auf dem Blumenkasten saß und fragend den Schnabel von rechts nach links oben bewegte. Floras Lippen zierte ein leichtes Lächeln. Er war sicherlich genauso verwirrt wie sie selbst. Wenn sie bei sich schon keine Ordnung in den Kopf bringen konnte, dann wollte sie wenigstens dem kleinen Vogel helfen. „Du möchtest sicher wieder zu deiner Familie, hab' ich recht?"
Ein Zwitschern, woraufhin Flora mit einem Lächeln ihm ihren Zeigefinger hinhielt. Ohne zu zögern hüpfte das Tier auf diesen und sah sie mit seinen schwarzen Augen an, ehe er kurz seine Federn aufplusterte.
„Ich bin leider keine Tierfee, da müsstest du zu Roxy, doch ich deute das Mal als ein Ja." Behutsam ging sie durch den Raum, stets einen achtsamen Blick auf den Vogel gerichtet, besonders als die die Treppe herabstieg. Im Erdgeschoss angekommen saßen die anderen weiterhin unten. Sie wusste zu schätzen, dass jeder ihr Zeit geben wollte, dass jeder behutsam mit ihr umgehen wollte. Das Bild vor ihr allerdings brachte sie nur noch mehr zum Schmunzeln. Jeden schien es zu beschäftigen. Sky schaltetet jeden Sender weiter, wohl automatisch und in seinen Gedanken versunken, während die anderen ebenfalls schweigend irgendwie die Zeit totschlugen und doch nicht wussten, wofür. Brandon war in der Küche verschwunden, in der man nur ab und an etwas Klirren und ständige Entschuldigungen wahrnahm. Stella flocht eine Haarsträhne vor ihrem Gesicht, Bloom beobachtete die Collage, schien jedoch ebenfalls in ihrer Gedankenwelt versunken zu sein und bemerkte es nicht, dass Stella irgendwann mit ihren Haaren anfing. Auch wenn sie nun mehr wussten, so kamen dennoch nur weitere Fragen hinzu. Doch sie kamen weiter und das war mehr, als sie in den letzten Tagen erreicht haben, selbst wenn sie nicht wussten, ob ihnen die Richtung, in welche sie gingen, gefiel. Dahlia hingegen saß allein auf der Terrasse, hatte sich ihre Tasse mit dem nicht mehr dampfenden Kamillentee genommen und sah in die Richtung, aus der sie vor einer Stunde gekommen waren.
„Flora..." sprach Helia vorsichtig, als er seine Freundin bemerkte. Diese ging jedoch direkt weiter zur Tür, den Vogel auf ihrem Zeigefinger, welcher sich nur neugierig umsah.„Ich komme gleich zu euch."
Wenig später trat sie aus der Tür, ging den Weg entlang, welchen sie vorhin noch Dahlia gefolgt war bis sie zur Barriere kam.
„Ab hier, musst du alleine zurückfinden.", sprach sie, ehe sie einen schmalen Spalt in der Barriere öffnete. In dem Moment, als der Wind von der Umgebung hindurchzog flog der Vogel durch den Spalt, welcher gerade groß genug war, dass er hindurch passte. Nur kurz konnte Flora ihm hinterhersehen, ehe er zwischen den Blättern verschwand. Flora nutze die Zeit, genoss ebenfalls kurz den aufkommenden Wind und atmete tief durch, im Wissen, dass sie nicht noch länger warten sollte. Jeder wollte die Antworten hören, jeder hatte sie verdient und Flora war nun bereit, sie zu bekommen. Entschlossen drehte sie sich mit dem Rücken zur Barriere. Sie war bereit für Antworten, bereit für die Wahrheit. Und sie war bereit diese zu akzeptieren.

————-

Es ist vollbracht! Die lange Wartezeit tut uns sehr leid, die nächsten Kapitel verlangen etwas mehr Aufmerksamkeit, als wir zunächst dachten.
Wie gefällt euch die Geschichte bis jetzt? :)

Das Vermächtnis der Vergangenheit; WINX ff.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt