Es tut mir leid

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Der Regen kam plötzlich und unerwartet, genauso wie die vorherigen Ereignisse, welche sich nur so zu überschlagen schienen. Auch jetzt noch, zwei Tage nach dem Einsturz des Labyrinthes, konnten Bloom und Stella noch nicht ganz verstehen oder verarbeiten, was in den alten Ruinen unter der Erde geschehen war. Die Erinnerungen saßen fest und ließen beide nur schwer einschlafen, geschweige denn gut durchschlafen. Brandon hatte diese Nacht Stella nicht verlassen und auch Sky war in der Nacht, als Bloom schon geschlafen hatte, zurückgekehrt und hatte sich zu seiner Freundin gesellt. Tecna, Musa und Layla hatten nach viel Überredungskunst Faragonda und Saladin davon überzeugt, dass auch sie an der roten Fontäne bei ihren Freunden bleiben mussten. Und glücklicherweise gab es trotz der Vorfälle gestern noch eine gute Nachricht. Flora war am Abend aufgewacht. Nach einer schier endlosen Zeit hatte sie endlich die Augen geöffnet, hatte direkt in Helias besorgte Augen gesehen. Ein Anblick, den sie gerne verhindert hätte, auch wenn er nur kurz war und schnell in eine zaghafte Umarmung von ihm überging. Ihr ging es gut, nur war sie immer noch sehr schwach und musste sich von dem großen Magieverlust erholen. Helia hatte direkt ihre Verbände gewechselt, welcher Erleichterung und gleichzeitig immer noch pure Sorge spürte. Die Magie hatte gestoppt aus ihrer Hand zu schwinden, genauso wie die Blutung. Glücklicherweise, denn selbst Faragonda hatte nach ihrer Recherche nicht mal ansatzweise etwas gefunden, wie Magie auf diese Art den Körper verlässt, so wie es bei Flora der Fall war. Anschließend hatte Helia den Wundschorf begutachtet, welcher sich langsam auf den Rissen gebildet hatte. Sicher würden Narben entstehen, welche für immer an den Tag im Labyrinth erinnern würden. Behutsam legte er ihr einen neuen Verband an, verdeckte zwar die Verletzung, doch konnte das Geschehene nicht verstecken. Danach war Flora gegen späten Abend noch in das Krankenzimmer von Bloom und Stella gekommen, hatte den protestierenden Helia versucht zu ignorieren. Ihre Freunde würden sich Sorgen machen, diese wollte sie ihnen nehmen, doch in erster Linie wollte auch Flora sehen, wie es Stella und Bloom ergangen war. Als sie mit schwerem Herzen die Tür öffnete, war ihr Stella direkt um den Hals gefallen. Sie hatte angefangen zu weinen, die Freude und Überwältigung war zu groß. Nur kurz hatten sie geredet, ehe es Flora wieder etwas schlechter ging. Ihre Wunden angefangen hatten zu pochen, sie wurde müder und hatte sich dazu entschieden, schlussendlich doch auf Helias Rat zu hören und wieder zu Bett zu gehen. Schnell hatte sie ihren Freundinnen noch versprochen, direkt morgen zum Frühstück wieder zu ihnen zu stoßen, auch in der Hoffnung, dass die Fremde bis dahin wieder aufgewacht war. Sie hatten geplant, danach einen Spaziergang zu machen, um langsam wieder zu Kräften zu kommen.Doch der Regen vereitelte diese Pläne. Nun stand Bloom am Fenster der Cafeteria, ihre Strickjacke fest um sich gezogen und sah den einzelnen Tropfen dabei zu, wie sie ein Wettrennen zum Fenstersims starteten. Stella hingegen saß aufrecht an den zusammen gestellten Tisch, in der einen Hand ein belegtes Brot, in der anderen eine Tasse Kaffee, als sie wild gestikulierend die genauen Geschehnisse des Kampfes beschrieb. „Er hat mich fast mit seinen Flammen getroffen. Meine Haare sind durch die plötzliche Hitze komplett kaputt an den Spitzen. Das wird ewig dauern, bis das wieder verwachsen ist."Musa musste leicht lachen, als sie zuhöre, selbst an ihrem Kaffee nippend. „Ach Stella. Ich denke, deine Haare werden das schon überleben."„Ja. Mit teuren Pflegeprodukten vielleicht." Ein leichtes Schnauben. Nun musste auch Bloom etwas lachen und sah zurück zu ihren Freundinnen, welche sich alle zusammen gesetzt hatten. Nur Flora fehlte. Sie war wohl noch nicht fertig, also hatten sich die Freunde dazu entschieden, schon einmal vorzugehen und einen Tisch zu finden. Zum Glück. Die Cafeteria war voll mit Schülern der roten Fontäne, vereinzelte sahen überrascht zu den Feen. Die meisten schienen jedoch auf die Essensausgabe fokussiert zu sein und darauf noch eines der letzten Schokoladenbrötchen zu bekommen.Bloom drehte sich um, lehnte sich an die Wand. Ihr Tisch stand direkt am Eingang an der großen Fensterfront. So hatten sie einen guten Überblick, sowohl auf die Tür, in der ein paar schläfrige Schüler durchtraten, und auf den anliegenden Hof. Wenigstens ein kleines kontrollierendes Gefühl, welches Bloom wenigstens etwas beruhigen zu schien.Die Tür wurde erneut langsam geöffnet, im Türrahmen trat Flora hindurch, ein leichtes Lächeln auf den Lippen. Sofort sah sie ihre Freunde und trat mit lediglich drei Schritten an den Tisch heran.„Stella, man hört dich bis zu den Wohnräumen." Ein Schmunzeln von Flora. „Es geht hier um ernsthafte Probleme. Meine Haare."„Ich weiß. Habe ich gehört."Layla fing an zu lachen, Stella sah böse zu ihr. „Ihr nehmt mich nicht Ernst."
„Wie kommst du nur darauf?" Wieder ein Lachen von Layla.Tecna seufzte, sah zu ihren Freundinnen, welche sich gegenübersaßen und böse Blicke austauschten. „Jetzt, wo wir alle zusammen sind, sollten wir über unsere Probleme reden, meint ihr nicht auch?"Die Blicke hörten auf, Layla nickte leicht, sah runter auf ihren leeren Teller. Bloom begab sich zurück zu ihnen und setzte sich auf den Stuhl neben ihr.„Sollten wir nicht auf die Spezialisten warten?"Tecna schüttelte den Kopf. „Mit meinem neuen Protokoll können sie unsere Gespräche nachher ganz einfach nachvollziehen. Außerdem sind die Spezialisten schon lange am Suchen einer Lösung, was man von uns leider nicht behaupten kann." Ihr Blick fiel auf Stella. „Timmy ist an einem neuen System dran, der sowohl den Wolkenturm, die Rote Fontäne und Alfea schützt, jedoch ein internes Reisen ermöglichen soll. Brandon, Sky und Riven sind auf der Suche nach den geeigneten Waffen und Ausrüstungen für uns."„Helia spricht im Moment mit Saladin und erstellt mit ihm die Erlaubnis, dass er uns durch eine Ausnahme unterrichten darf", fügte Flora hinzu und setzte sich ebenfalls an den Tisch. Musa schob ihr einen Teller mit Früchten und einem Brötchen hin, welchen Flora mit einem kurzen dankendem Nicken annahm. Bloom nickt erneut, den Blick überlegend durch den Raum wandernd. „Wo fangen wir an?"„Ich schätze im Labyrinth kommen wir nicht weiter, da es, wie ihr sagt, eingestürzt ist", meinte Musa und sah zu Stella, ihre Arme verschränkt.Stella sah empört zu ihr. „Ich sagte bereits, dass es nicht meine Schuld war."Bloom sprach schneller, bevor Musa etwas sagen konnte. Würden diese beiden anfangen zu diskutieren, würden sie niemals über ihren Plan reden können. „Wir können mit den Brüdern anfangen. Ihre Art zu töten-.", ihre Stimme wurde etwas leiser. „Erinnern mich an Vampire."Stella schien kurz zu überlegen und schüttelte dann ihren Kopf. „Ihre Augen waren nicht gelb und ihre Pupillen nicht rot. Das waren keine Vampire."„Wenn es keine Vampire waren-", fing Musa an, doch Bloom unterbrach sie. „Wir sollten das Gespräch wo anders fortführen. Die Feen sahen sich um. Die Spezialisten an den anliegenden Tischen waren leise geworden, versuchten unauffällig das Gespräch zu hören. Stella nickte leicht. Das Thema sollte noch nicht die Runde machen. Besonders wenn sie dabei waren, über die Brüder zu reden, über die sie selber nicht viel wussten, würden nur Gerüchte aufkommen. Zusammen standen sie auf, Flora griff sich einen Apfel und nahm ihn mit, während sie die Cafeteria verließen und zurück zum Krankenflügel liefen. Die Feen gingen zum Fahrstuhl, wechselten das Stockwerk und liefen den Gang lang, doch blieben stehen, als sie zur Tür ihres Zimmers sahen. Sie war offen. Sperrangelweit war die Tür offen und zeigte den Raum. „Was zum-", fing Bloom an und trat in den Raum. Ihr Blick fiel auf das Bett, in welchem die Fremde gelegen hatte. Es war leer. Der Vorhang davor war abgerissen, lag auf dem Boden. Die Monitore, welche ihre Gesundheit überwachen sollten, waren umgeschmissen, Risse zogen sich durch das schwarze Display. Umgeblättert lag der Kalender, welcher eigentlich auf den Nachtschrank aufgestellt sein sollte, vor den Bett. Die Decke und das Kissen waren ebenfalls auf dem Boden gelandet, wobei die Decke sich noch bis zur Tür zog, als hätte jemand diese mitgeschleppt. Stella sah zu ihren Freundinnen. „Das ist nicht gut."Flora schüttelte den Kopf, besorgt, fast schon panisch. „Wo kann sie nur sein? Sie kennt sich hier nicht aus und zusätzlich regnet es in Strömen."„Wir teilen uns auf und suchen sie", schlug Musa vor. Die Anderen stimmten zu und kurz darauf gingen sie in unterschiedliche Richtungen. Flora lief zurück zum Fahrstuhl, drückte hastig auf den Knopf für das Erdgeschoss und lief anschließend direkt auf den Schulhof. Sofort durchnässte der Regen sie, doch das hinderte sie nicht daran loszurennen und den offenen Hof abzusuchen. Der Regen prallte in ihr Gesicht, während ihre Haare, ihre Kleidung und auch ihre Schuhe immer weiter durchnässt wurden, als sie durch die Schlammpfützen lief.Bloom würde mit Stella die Schulräume und den Innenhof absuchen, Musa den Trainingsplatz und Tecna weiter den Krankenflügel. Floras Ziel war der Außenhof. Es dauerte nicht lange, ehe sie schnellatmend langsamer werden musste. Ihr Körper war immer noch kraftlos und erschöpft. Sie stützte ihre Hände auf ihre Knie, schloss die Augen und versuchte ihre Atmung zu beruhigen. Die Kälte, die sie durch die Nässe verspürte half nicht bei ihrem gesundheitlichen Zustand, stattdessen zitterte sie zusätzlich. Merkte, wie ihre Handflächen wieder leicht anfingen zu brennen und ihre Wunden höchstwahrscheinlich durch die Anstrengung und dem Abstützen auf diesen wieder aufgegangen ist. Für den Moment war ihr dies jedoch nicht wichtig, sie hoffte nur, dass nichts Schlimmes passiert war. Sie richtete sich auf, lief wieder los, dieses Mal etwas langsamer. Schließlich fand sie sie. Alleine, gelehnt an einem Felsen, nah an dem östlichen Wasserfall. Ihre Knie angezogen, ihren Kopf darauf gelehnt. Zitternd, schluchzend saß sie da, ignorierte den Regen und den Wind. Flora atmete erleichtert aus, dass sie alleine war, dass ihr niemand etwas getan hatte. Atmete erschöpft weiter, beruhigte sich etwas. Sie trat langsam näher, vorsichtig sah sie zu ihr runter. Still setzte sie sich vor sie, erblickte, wie ihr weißer und durchnässter Verband leicht rot durchschimmerte, sodass sie mit dem Handrücken über ihren Arm streichelte. Dieser war ganz kalt. Ihr Körper bedeckte nur der eigentlich weiße Krankenkittel, den sie nach der Untersuchung bekommen hatte. Dieser hatte sich dunkel verfärbt, hatte Risse. Anscheinend war sie gerannt und der Stoff hatte sich irgendwo festgehakt. Sie hatte keine Schuhe an, vergrub ihre Zehen in die dunkle Erde. Immer und immer wieder vergrub sie diese, ehe sie sie wieder locker ließ, nur um den Prozess zu wiederholen.Die rostroten Haare lagen vor ihrem Gesicht, fast schon wie ein Schleier, der sie von der Außenwelt trennen wollte, hangen die einzelnen Strähnen schwer und glatt herunter, lockten sich nur zum Ende hin leicht. „Sie sind alle tot.", hauchte die Fremde, so leise, dass es kaum zu verstehen war. Der Regen schien fast geräuschvoller zu sein als ihre Stimme. Es dauerte einen Moment, bis Flora verstanden hatte, realisiert hatte, was sie sagte, was sie meinte. Mitleidend sah sie sie an. Zunächst schwieg die Fremde, entspannte ihre Schultern, ehe sie sie wieder hochzog. Ihre Arme um ihre Beine geschlungen, ihre Hände auf die Waden gelegt, krallte sie sich fest, kratzte sich selber ihre Haut. Zuerst weiße, dann rote längliche Striemen entstanden auf der bräunlichen Fläche. Ihre Finger waren hingegen blass von der Kälte, nicht mal mehr richtig beugen konnte sie sie. „Sie sind alle gestorben, während ich-.", sie zögerte, kratzte weiter. „Während ich jahrelang nicht entkommen konnte. Dabei sollte es doch nur ein kurzer Moment der Mediation gewesen sein. Nur ein, zwei Wochen. Nicht mehr. Nicht so lange. Nicht so." Ein kurzes, fast schon hysterisches Lachen entkam ihr. „Mehrere hundert Jahre war ich gefangen, ohne etwas tun zu können!" Ihr Kopf schreckte hoch, mit weit aufgerissenen Augen sah sie zu Flora, doch sah ihr Blick nicht Flora an. Mehr schien sie durch sie durch zu sehen. Die Strähnen blieben durch die Nässe am Gesicht kleben, während ihr stumm Tränen über die Wangen liefen. Pure Verzweiflung drückten ihre Augen aus, ließen ihre Lippen nicht nur durch die Kälte zittern.„Wie konnte das geschehen?!", ihre Stimme wurde lauter, kraftvoller. „Wie konnte ich das alles zulassen?", nun wieder leiser. Ihr Kopf sank zurück auf die Knie. Sie regte sich nicht, als hätte sie Flora vor sich überhaupt nicht wahrgenommen. Ihre Hände hoben sich, krallten sich in ihre Haare, zogen langsam immer wieder daran. „Es tut mir leid, es tut mir leid, es tut mir leid." Ihre Stimme wurde jedes Mal leiser, jedes Mal verzweifelter, jedes mal kraftloser.Flora schwieg weiter, strich langsam ihren Arm lang. „Es tut mir leid", nun wieder kaum zu verstehen. „Es tut mir alles so leid. Wieso konnte ich nichts tun?" Ihre Bewegungen hörten auf. Ihre Füße waren still, ihre Arme ließ sie kraftlos an ihre Seiten fallen.Vorsichtig, in ihren gewöhnlich zarten Klang sprach Flora zu der Fremden.„Ich bin mir sicher, dass es nicht deine Schuld war." Die Fremde sah auf, ihre roten, verquollenen Augen sahen zu der jungen Fee, welche sanft lächelte. Ihre Augen waren glasig, voller Tränen und doch wirkten sie leer, einsam, hoffnungslos.Flora sah besorgt zu ihr, sah zu, wie sich weitere Tränen mit dem Regen mischten. „Du solltest hier nicht alleine draußen sitzen. Lass uns zurückgehen, dich aufwärmen. Lass uns dir helfen."„Helfen?" Sie krächzte, mehr gab ihre Stimme nicht her, blinzelte ein Mal, merkte nun wohl erst wirklich, dass sie nicht mehr alleine war, dass sie gefunden wurde. Flora nickte leicht. „Ja. Aber dafür sollten wir zurück zu den anderen. Zurück ins Warme. Erzähl uns dann in aller Ruhe, was geschehen ist."Die Fremde sah hoch in den Himmel, die Tropfen trafen nun direkt ihr Gesicht. Sie schloss die Augen, versuchte tief durchzuatmen, ehe ihr Kopf sich leicht nach links und rechts bewegte. „Mir könnt ihr nicht helfen."„Das werden wir erst wissen, wenn wir es versucht haben. Wir konnten dich befreien, dann können wir sicher noch mehr tun." Sie sah zurück zu Flora, sah in die grünen Augen, welche sie mit Zuversicht musterten, ihr einen Funken von Hoffnung vermittelten. Die Frau schien kurz zu überlegen, ehe sie nickte und versuchte mit zittrigen Beinen aufzustehen. Flora half ihr, stützte sie.Mit einem kurzen Tippen auf ihrer Uhr gab sie ihren Freunden das Signal, dass sie sie gefunden hatte. „Ich bin Flora. Kannst du mir sagen, wie du heißt?"Die Fremde sah auf den Boden, auf ihre nackten Füße.„Dahlia."Sie blickte wieder zu Flora. „Mein Name ist Dahlia."

Das Vermächtnis der Vergangenheit; WINX ff.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt