Wie könnte ich das vergessen

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Die Bibliothek im Schloss der Prinzen war groß, überseht von alten Lexika, lange vergessenen Geschichten in allen möglichen Sprachen und Ausgaben. Beim Betreten des Raumes fiel der Blick direkt auf den riesigen Kronleuchter, welcher von einer mit Engeln bemalten Kuppel herabhing. Er schwebte direkt über einem Globus mit undefinierten Zeichen und Bemalungen, welcher durch das Einhüllen in ein dunkles Holzgestell auf Brusthöhe der Brüder enden müsste. Es war ein langer, rechteckiger Raum, durch welchen links das Licht durch mehrere riesige bodentiefe Bogenfenster perfekt zwischen die Regalreihen fiel. Sie waren hoch, oben abgerundet und erstreckten sich über die zwei hochgelegte Stockwerke, hüllten zur Abenddämmerung den Raum in eine warme Atmosphäre. Die Galerie, auf der Alaric stand, legte die Aussicht auf die untere Etage frei. Von oben war der durch die Lichtspiegelungen auf dem hellen Marmorboden einen Kontrast zu dem dunklen Mahagoni der Bücherregale gut zu erkennen. Das Licht betonte den zarten Rotton des Holzes, ließ den mächtigen Raum noch eleganter wirken und lenkte den Blick zur anderen Seite des Raumes, wo eine weiße Wendeltreppe auf die Galerie führte. Unter der Galerie wurde drei rote Sofas drapiert, jeweils mit dem gleichen Abstand zueinander.

Langsam schritt Alaric an den Reihen entlang, blieb ab und zu stehen, nahm sich ein Buch heraus oder rückte andere etwas tiefer hinein. Andere hingegen zog er ein Stück hervor, hatte wohl seine ganz eigene Ordnung und Vorstellung von der Anordnung der Bücher.

„Vielleicht gibt sie uns ja dieses Mal ihre Kraft, wenn wir sie nochmal ganz lieb fragen?"

Asher nahm eines der Sofas komplett ein, hatte seine Beine lässig überschlagen auf der einen Lehne und seine Arme verschränkt unter seinem Kopf auf der anderen abgelegt. Seine Augen geschlossen, würde er beim Öffnen sowieso nicht seinen Bruder sehen, sondern nur die dunklen Holzdielen, auf denen die Galerie erbaut worden war.

Alaric blieb stehen, verzog keine Miene beim Kommentar seines Bruders.

„Noch so ein grandios durchdachtes Konzept von dir."

„Dankeschön. Ich dachte, ich versuche es mal auf deine Art."

„Dir ist offenbar nicht die wunderbare Akustik von Sarkasmus in diesen Räumlichkeiten aufgefallen."

Asher grinste „Muss ich wohl überhört haben", sprach er, beugte sich über die Lehne und zog im Liegen ein Buch mit blauem Einband hervor, nur um es anschließend an einer anderen Stelle wieder einzuordnen. Alaric ignorierte die Anmerkung und ging ein paar Schritte weiter, musterte die Buchrücken, kniete sich hin und griff zu einem braunen Einband, zog es einige Zentimeter nach vorne.

„Eine Bibliothek neu zu strukturieren ist meiner Ansicht nach jedoch auch nicht das beste Konzept. Wollte es nur gesagt haben", erklang es von unten.

„Vorbildliche Ansicht, muss ich dir zugestehen. Vielleicht solltest du dir in Zukunft Gedanken über weitere Vorgehensweisen machen."

„Ahh, die Akustik. Dennoch, ich verzichte."

Nun auch ein Schmunzeln von Alaric.

„Dachte ich's mir doch."

Er stand auf, bewegte sich ein Stück weiter und griff entschlossen nach einem schwarzen Buchrücken, recht schlicht, ohne Verzierungen oder einem Titel, und rückte es wenige Millimeter näher zur Wand. Ein Klicken kam von unten, Alaric zog seinen Mundwinkel nach oben, während Asher nur überrascht von seiner Sitzgelegenheit in Richtung des Globus blickte. Genauer auf den schmalen Spalt, welcher in der Kugel entstanden war. Er richtete sich auf, schritt neugierig in die Richtung und blieb davor stehen, blickte über seine Schulter zu Alaric hoch, welcher sich nur lässig auf dem Geländer ablehnte und offenbar nur darauf wartete, dass Asher den Globus öffnete. Asher klappte die obere Hälfte auf, verzog erst unwissend das Gesicht, doch änderte diesen schnell. Er verstand, griff in die untere Kugel und hielt den Gegenstand in der Hand, welcher zuvor noch vor den Augen beider versteckt war.

„Das ist also dein Plan?"

„Eher eine Richtung."

„Das olle Ding ist kaputt, falls es dir entgangen ist", äußerte Asher, ließ den Gegenstand spielerisch hin und her pendeln, sah ihn sich nochmal genauer an, ehe er ihn mit einer Leichtigkeit seinem Bruder entgegenwarf. Mit einer gezielten Handbewegung griff er danach, fing es in der Luft. Er öffnete seine Handfläche, sah auf das schwarze Amulett, auf die goldenen Ornamente, erkannte den dunkelroten Stein, welcher trotz der tiefen Risse noch in der Fassung gehalten wurde.

„Wie könnte ich das vergessen."

„Ich denke kaum, dass sie so blöd sein wird und darauf reinfällt. Sie weiß genug, um diesem Ding nicht zu trauen."

„Dafür hast du ja gesorgt."

Asher kniff seine Augen wütend zu schmalen Schlitzen, doch Alaric wusste genau, dass es nicht gegen ihn gerichtet war. So schnell seine Reaktion kam, genauso schnell wurde sie von Gleichgültigkeit abgelöst.

„Du wirst es eh nicht reparieren können."

„Ich nicht, nein. Da hast du wohl recht."

Es dauerte nicht lange, es war nur eine kurze Zeitspanne gewesen, in der Asher sich verdrückt hatte. Er hatte keine Geduld mehr darauf zu warten, dass sich Alaric erklären würde. Denn Asher kannte seinen Bruder nur zu gut, um zu wissen, das hätte er auch in den nächsten Stunden nicht getan. So war er immer, hatte einen Plan, eine Idee, doch integrierte nur die nötigsten Personen in diese.

So wie auch bei diesem Vorhaben. Alaric schritt mit schnellen, aber ruhigen Schritten die Gänge des Schlosses entlang, das Amulett noch fest in seiner Hand haltend, ehe er vor seinem Ziel, oder eher seinen Zielen zum Stehen kam.

„Cole, kann ich mir deinen Schatten einmal ausborgen?"

Etwas verdutzt blickte dieser das erste Mal seit einer Stunde vom Thron auf, sah leicht verwirrt zu Alaric, falls seine Mimik überhaupt eine Reaktion abbildete. Entschlossen stand er mitten im Thronsaal, nicht bemerkt von Cole, ehe er angefangen hatte zu sprechen.

„Nur zu gerne." Gleichgültig wie man ihn kannte, sprach er zu ihm, ehe die Schattierung, welche soeben noch eine sitzende Person auf einem Thron abbildete, sich erhob und sich über den Boden an den Schatten von Alaric haftete. Zwei Silhouetten, eine recht lebhafte und eine, welche still seine Körperform abbildete, waren auf dem Fußboden zu erkennen. Ein dankbares Nicken von Alaric, ehe er sich umdrehe und hinaustreten wollte, als eine Stimme ihn verweilen ließ.

„Was hast du vor?"

Bewusst blieb er stehen, wartete jedoch noch etwas ab, ehe es erneut im Raum ertönte.

„Nun sag schon."

„Ich wusste nicht, dass du Interesse hast. Wenn du magst, kannst du gerne mitkommen. Etwas frische Luft würde dir guttun."

„Hätte ich doch bloß nicht gefragt."

„Also bleibst du hier?"

„Wonach sieht es denn aus?"

„Nun gut. Falls du dich um entscheiden solltest, musst du dich jedoch beeilen."

Er schritt aus der Tür, hoffe inständig, dass sein Bruder folgen würde, doch war sich sicher, dass dieser seinen Verstand lieber mit schlechten Gedanken vergiften würde.

Das Vermächtnis der Vergangenheit; WINX ff.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt