25| Silvester

948 121 33
                                    

❄️

нαяяу

„Harry, komm mit uns raus! Einen Schneemann bauen, ja?" Juliet springt neben mir auf der Couch auf und ab, weshalb ich sie sofort auf die Sitzfläche drücke und den Kopf schüttle. „Nicht, wenn du so hier rumspringst. Du könntest auf den Boden fallen und die den Kopf stoßen. Dann musst du ins Krankenhaus und verpasst Silvester. Dann kannst du das Glas Cola nicht trinken und musst wieder ein Jahr warten, das ist doch doof.", erkläre ich und merke wie ihr Vater mich grinsend anschaut. Den ganzen Abend spricht Juliet von nichts anderem und fiebert schon darauf hin, endlich anzustoßen. Darauf muss sie jedoch noch dreieinhalb Stunden warten. Sie darf seit letztem Silvester immer ein Shotglas Cola zum Anstoßen trinken, was für eine sechsjährige wahrscheinlich der Burner ist.

„Was hältst du davon, wenn wir nicht hier drinnen etwas machen? Wir könnten ein Spiel spielen oder uns noch etwas hinlegen. Bist du nicht müde?" Sofort schüttelt sie den Kopf und läuft zu ihrem Vater, der sie direkt auf seinen Schoß setzt. „Kommst du mit uns raus? Théo will einen Schneemann bauen." Ja, er hat seinen Sohn tatsächlich nach sich selbst benannt. Auch wenn er seinen Sohn meistens „Junior" nennt. Das ist heute schon genügend passiert.

Währenddessen lehne ich mich gegen die gemütliche Couch und fahre mir durch die Haare. Ich bin tatsächlich zu Donald und Miranda gegangen, um mit ihnen Silvester zu feiern. Jedoch bin ich seit meiner Ankunft davon überzeugt, dass es ein Fehler war. Nach Louis' und meinem Gespräch vorhin auf dem Eis konnte ich mich kaum noch konzentrieren. Natürlich wollte ich nicht, dass er es so erfährt, aber schlimmer fand ich seine Reaktion darauf. Er dachte einfach, dass ich wieder bei ihm ankommen würde, nachdem er sich entschuldigt hat. Jetzt weiß er, dass ich nicht nur der Barkeeper bin, der fast jeden Abend bis nachts um drei in diesem Pub stehe. Danach muss ich noch sauber machen und bin froh, wenn ich um halb fünf im Bett liege und endlich schlafen kann.

Er kam bei mir an, weil er jetzt weiß, dass ich wirklich nichts von seinem Geld will, was ich ihm zwar schon seit Ewigkeiten sage, mir jedoch nie geglaubt wurde.

Kopfschüttelnd über diesen Gedanken stehe ich auf und gehe zu Miranda, die neben Don am Esstisch sitzt und ihrer Schwiegertochter zuhört und sich Bilder zeigen lässt. Gegenüber von ihnen sitzen andere Familienmitglieder, von denen ich schon wieder vergessen habe, wer sie überhaupt sind. Dass das hier eine Großfamilie ist, wusste ich nicht. Und laut Eloise sind nichtmal alle heute hier.

„Ich will nicht stören, aber ich verabschiede mich. Heute war viel los und um ehrlich zu sein, möchte ich einfach nur ins Bett. Trotzdem danke für die Einladung, ich habe mich wirklich gefreut.", erkläre ich, als die drei mich anschauen. Miranda nickt verständnisvoll und will aufstehen, jedoch halte ich sie schnell davon ab. „Ich finde allein raus. Montag bin ich wieder abends bei euch, tut mir leid." Jetzt schüttelt Donald den Kopf und legt eine Hand auf meinen Unterarm. „Erhol dich ein wenig, Harry. Die letzten Tage sahst du nicht wirklich gut aus. Ende des Monats kannst du nochmal im Pub vorbeikommen, dann besprechen wir, wann du wieder helfen kannst."

Dankend nicke ich und verabschiede mich bei allen mit ein paar Worten, bevor ich in den Flur gehe und mir dort meine Schuhe anziehe. Ich hätte definitiv andere Schuhe anziehen sollen. Welche, in die ich schnell schlüpfen kann, diese hier haben mehr Schnürsenkel an sich, als Schuh. Trotzdem sind diese Boots gemütlich und definitiv wärmend, was bei diesem Wetter definitiv Pflicht ist. Auf den Wiesen und Dächern der Wohnhäuser liegt überall Schnee, der wahrscheinlich auch erstmal nicht schmelzen wird. Zu kalt ist es hier in Montréal.

Nachdem endlich beide Schuhe zugeschnürt sind, schnappe ich mir meine Jacke und setze mir meine Mütze auf, ehe ich zur Tür gehe und mir gähnend übers Gesicht fahre. In zwanzig Minuten bin ich zu Hause, dort werde ich einmal heiß duschen, bevor ich ins Bett gehe. Nächstes Jahr kann ich auch noch Silvester feiern, das läuft nicht weg.

Als ich mir die Jacke zuziehe, gehe ich schon zur Haustür, die ich in dem Moment öffne, als jemand von außen die Klingel betätigen will. Einen Moment brauche ich, bis ich erkenne, wer da vor mir steht. Louis. Louis, der seinen Arm um die Taille einer Frau geschlungen hat.

Ich beiße mir auf die Lippe, um nichts falsches zu sagen und merke, wie sich mein Hals zusammenzieht. Heute Vormittag hat er mir noch vorgegaukelt, mich zurück haben zu wollen, jetzt grinst er mich an, während er seinen Arm um die Hüfte einer bildhübschen Frau geschlungen hat. Und ich stehe hier und breche beinahe in Tränen aus. Er redet mit mir, das sehe ich an den Bewegungen seiner Lippen, jedoch ist das Rauschen in meinen Ohren viel zu laut.

„Entschuldigung." Ich gehe schnell aus dem Haus und ramme dabei aus Versehen die junge Frau, bevor ich schnell zu meinem Auto gehe und Probleme damit habe, den Schlüssel aus meiner Jackentasche zu holen. Louis ist bei Donald und Miranda? Das hätte ich doch wissen müssen. Einer hätte es mir erzählen können.

Kopfschüttelnd schließe ich für einen Moment  die Augen und atme tief durch. Ich werde mit Louis abschließen. Ich werde dieses Kapitel abschließen und ein neues beginnen. Ohne Louis und ohne die ständigen Körbe, die er mir gibt. Er will doch sowieso nichts von mir. Also wieso länger warten? Irgendwo da draußen findet sich schon noch ein Mann, der mich so nimmt, wie ich bin. Als Eiskunstläufer und Barkeeper. Vielleicht kommt er mich abends in der Bar besuchen und wir könnten Louis zeigen, was er verpasst.

Ein wenig beruhigter schaffe ich es, meinen Wagen zu öffnen und setze mich schließlich in diesen. Das ist mein Vorsatz fürs nächste Jahr. Louis links liegen lassen und einen Mann finden, der kein Problem mit meinen Jobs hat. Jemanden finden, der mich liebt, wie ich bin.

Das ist der perfekte Start fürs nächste Jahr. Aber ein paar Stunden habe ich noch, um Louis hinterherzutrauern und böse auf ihn sein, dass er mich so schnell austauschen kann. Gegen eine Frau, die so hübsch ist, dass man anscheinend auch mal in der Sexualität wechselt.

❄️

Huch... was ist denn da los?

he takes me as I amWo Geschichten leben. Entdecke jetzt