KAPITEL 16

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Peter

Kopfüber hing ich an einem der Äste des Dorfbaums und beobachtete, völlig in Gedanken versunken wie die Verlorenen sich gegenseitig lachend über die Lichtung jagten. Nur halb bekam ich mit, dass sich Christopher nach nur wenigen Tag, schon prima an die neuen Lebensumstände gewöhnt und einen Platz in der Gruppe gefunden hatte. Sollte er sich weiterhin so gut machen, würde der blonde Junge eine lange Zeit auf Nimmerland genießen dürfen.

Bei dieser Auffassung merkte ich, wie sich mein Inneres Wesen unruhig in mir regte. Seid meinem letzten, unzufriedenen Mahl war nun schon wieder eine ganze Zeit ins Land verstrichen und so langsam bekam ich den Drang, mich wieder zu stärken. Das sich mein wahres Ich dabei nach etwas, oder besser gesagt nach jemand ganz Bestimmten verzehrte, machte mir die Zeit des Fastens nicht gerade einfacher.

Gequält schloss ich meine Augen, als sich der Rotschopf in meinen Blickwinkel schob. "Warum verdammt nochmal, fällt es mir so schwer mich zurückzuhalten?", stellte ich mir selbst die Frage, die mich schon seit langer Zeit aufzufressen zu schien. Seid dem ersten Tag an wollte ich ihn haben und zwar alles von ihm. Jeden noch so kleinsten Millimeter wollte ich unter meinen Fingern spüren und erkunden. Ich wollte ihn kosten und herausfinden, ob er wirklich so gut schmeckte wie er roch.

Unruhig fuhr ich mir mit den Händen übers Gesicht. Es wahr einfach nur pure Folter und egal wie oft ich es versuchen würde, meinen Hunger mit anderen Jungen zu bändigen, so würde dieser dennoch nie gestillt werden, solange ich ihn nicht vollständig hatte.

Einen Kompromiss mit meiner dunklen Seite geschlossen, ließ ich mich blind in die Tiefe fallen und fing mich schließlich kurz vor dem Waldboden ab. Natürlich zog ich somit die Aufmerksamkeit aller Verlorenen auf mich. Während ich also leichtfüßig auf dem frischen Gras landete, setzte ich ein verschmitztes Grinsen auf und ging, mein Kinn arrogant in die Höhe geregt, auf die Gruppe aus Jungen zu. "Also, ich habe überlegt und wie währe es, wenn ihr Christopher mal ein bisschen die Insel und deren wunderschönen Orte zeigt?", warf ich den Vorschlag in die Runde und sah insbesondere in die Richtung des Neulings, "Dann könntet ihr auch gleich unsere Vorräte auffüllen." Ein begeisterter Ausdruck legte sich auf die Gesichter der Jungs, die wild nickten.
"Glaub mir Chris, Nimmerland wird dir gefallen.", legte Farin dem blondem einen Arm um die Schultern, "Es ist wie ein riesengroßer Spielplatz, hinter dessen jeder Ecke ein neues Erlebnis lauert!"
"Dann ist es abgemachte Sache.", beschloss ich, "Na worauf wartet ihr denn noch? Hopp hopp! Das Abenteuer wartet auf euch." Scheuchend wedelte ich mit meinen Händen Richtung Freiheit. Jubelnd griffen die Verlorenen nach ihren Waffen und nahmen Chris in ihre Mitte, bevor sie sich auf den Weg machten.

"Du bleibst bei mir.", bestimmt hielt ich Teddy davon ab, den anderen zu folgen, die ich damit abspeiste, dass der Rotschopf sich noch etwas ausruhen musste, um wieder zu seinen vollen Kräften zu gelangen.

Mit vor der Brust verschränkten Armen drehte sich mein kleines Bärchen in meine Richtung und musterte mich mit hochgezogenen Augenbrauen.
"Was willst du wirklich?", fragend sah er mich aus seinen braunen Knopfaugen aus an.
"Kämpfen.", gab ich die simple Antwort, da ich wusste, dass ich bei ihm nicht um den heißen Brei herumreden musste.
"Wie bitte?", konsterniert blinzelte der rothaarige mich an.
"Du hast mich schon richtig verstanden.", leicht beugte ich mich über ihn, "Ich will, dass du gegen mich Kämpfst. Nur du und ich. Niemand sonst. Das haben wir schon lange nicht mehr gemacht."
"Und deswegen schickst du die Jungs alleine los?"
"Die werden schon ohne dich klar kommen, Teddybär.~ Oder hast du einfach nur Schiss zu verlieren?", herausfordernd lächelte ich den Rotschopf an, "Ich würde es dir nichtmal verübeln einen Rückzieher zu machen, schließlich bin ich ja der Peter Pan." Verächtlich schnaubte Teddy auf: "Auf einem höheren Ross kannst du wohl nicht sitzen, was? Aber gut, dann muss ich wohl dem großem Peter Pan zeigen wer wirklich die Überhand hat. Und als kurze Vorwarnung: Du bist es nicht."

~•~

Mit einem Sprung nach hinten erhob ich mich in die Luft und wich somit dem Angriff von Teddy aus. Grinsend sah ich auf den Rotschopf hinunter. "Ich dachte, das du mir zeigen wolltest wer hier die Führung hat und nicht nur ein bisschen rum hopsen.", stichelte ich. Wir kämpften nun schon eine ganz Weile gegeneinander, ohne das sich ein Sieger herausfiltern lassen konnte. In dem einem Moment besaß Teddy die Führung und in einem anderem ich. Mir war dies jedoch nur recht, da ich so seine Nähe genießen konnte, ohne dabei gestört zu werden.
"Dann solltest du wohl was an deiner Technik verbessern. Meine ist im Gegensatz dazu perfektionistisch perfekt.", konterte der rothaarige und setzte zum nächsten Move an.

Gekonnt fischte ich den Dolch, der direkt auf mich zugeflogen kam aus der Luft. "Ist das etwa schon alles was du kannst?", überheblich sah ich von der schwarzen Klinge, zu dem Platz an dem Teddy noch vor einigen Sekunden gestanden hatte. Nun war dieser aber verschwunden. Suchend wand ich mich um meine eigene Achse und suchte mit meinen Augen die Umgebung ab, doch von dem Rotschopf fehlte jede Spur. "Na, hat da etwa jemand eingesehen, das gewinnen gegen mich unmöglich ist?", rief ich laut aus. Auf der Hut nährte ich mich dem Dorfbaum, konnte aber auch hier nichts von dem Kleinem wahrnehmen - beinahe so, als würde er nicht existieren. "Komm raus, komm raus, wo immer du auch bist, Teddybärchen.~", säuselte ich. Mittlerweile war ich ganz oben, in der Baumkrone angelangt und konnte von hier aus, über halb Nimmerland blicken.

Ein kaum hörbares Geräusch riss mich im nächsten Augenblick aus meiner Unaufmerksamkeit und bevor ich realisieren konnte wie mir geschah, wurde ich auch schon von einem scharfen Windzug umhüllt. Schneller als das Licht spürte ich, wie sich etwas helles um mich schlang und mich unvorbereitet schlussendlich zu Boden riss. Keuchend schlug ich hart auf dem Holz auf und starte überwältigt in zwei komplett weiße Augen. Wie zwei leere Seelentore schienen sie mich zu
hypnotisieren und in ihren Bann ziehen zu wollen. Sie verzauberten mich und drangen Stück für Stück bis in mein Innerstes vor und hinterließen ein erzitterndes Gefühl, was einfach nur märchenhaft grausam war.

"Ich würde sagen, hiermit habe ich das Unmögliche möglich gemacht.", Teddy's siegessichere Stimme holte mich aus meiner Trance, "Jetzt bist du mir was schuldig, Pan." Der Rotschopf saß auf meinem Bauch und blickte auf mich herunter. Trocken musste ich bei diesem Anblick schlucken.

Den Überraschungseffekt nun auf meiner Seite, packte ich Teddy an der Hüfte und drehte uns mit Schwung um. Jetzt wahr ich derjenige der die obere Position hatte und mich über den Rotschopf beugte. Mit einer Hand pinnte ich seine Handgelenke oberhalb seines Kopfes fest und legte die andere an seine Wange. Vorsichtig strich mein Daumen über seine unzähligen Sommersprossen, die sich von seiner Nase aus, über die ganze Wange, sowohl links, als auch rechts verteilten. "Sie sind wie die Sterne.", flüsterte ich, "So wunderschön golden." Flatternd hob und senkte sich die Brust des jüngeren, während ich ihn intensiv musterte. Grinsend nährte ich mich seinem Gesicht weiter an, strich mit meiner Nasenspitze durch seine feurigen Locken und atmete tief seinen süßlichen Geruch ein. "Mach ich dich etwa nervös?", fragte ich dicht an seinem Ohr. Eine Gänsehaut bildete sich als Reaktion auf seiner weichen Haut und ließ mich auf lächeln. "Das nehme ich dann mal, als ein Ja.", wanderte ich weiter hinunter zu seinem Hals. Hauchzart platzierte ich meine Lippen direkt an der Stelle, wo die bläuliche Ader durchschimmerte und entlockte Teddy damit einen melodischen Laut.

Genießerisch schloss ich meine Augen und ließ den wunderbaren Moment auf mich wirken. Es kitzelte mein wahres Ich hervor und rang mir eine Menge ab, dieses Wesen nicht aus mir heraus platzen zu lassen.

"Verdammt!"

Schwer atmend zog ich mich einige Zentimeter zurück und sah in die wieder braunen Knopfaugen von Teddy.

"I-Ich kann...mich nicht mehr...zurückhalten.", presste ich hervor und wollte mich komplett entfernen, doch der Rotschopf machte mir einen Strich durch die Rechnung. Seine Arme schlangen sich um meinen Hals und hielten mich fest.
"Das musst du nicht.", meinte er und blickte mich einfühlsam an. Verbissen schüttelte ich meinen Kopf: "Ich könnte dich verletzten!"
"Davor habe ich keine Angst." Sachte umschloss ich mit meinen Fingern sein Kinn und hauchte dann: "Aber ich...", bevor ich meine zurückhaltenden Barrikaden sinken ließ und mich meinem Engel voll und ganz hingab.
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I hope to be stronger tomorrow.~Mellarie-Bellancia

Nimmerland - Forever deathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt