KAPITEL 15

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Teddy

"Weißt du, das habe ich lange nicht mehr gemacht - das letzte Mal in England.", ein trauriges Lächeln stahl sich auf meine Lippen, "Jedes Mal, wenn ich einen meiner Aufträge ausgefüllt hatte, habe ich mich meistens Nachts auf den Friedhof geschlichen. Ich bin immer über den Zaun geklettert und dann bis ins hinterste Eck vorgedrungen, dorthin wo...wo sie...die Menschen begruben, die große Schandtaten begannen haben; dorthin wo sie...Meinesgleichen hin abgeschafft haben, nach dem sie starben, oder getötet wurden. Ich habe mich dann immer vor die Gräber gesetzt und dann einfach bei ihnen...gebeichtet. Gott!", frustriert vergrub ich meine Finger in den roten Locken auf meinem Kopf, "Ich weiß ja nicht mal, warum ausgerechnet ich dir das erzähle?!" Mein Blick lag auf dem hölzernen Kreuz, in das ich noch nicht einmal vor all zu langer Zeit seinen Namen eingeritzt hatte.

"Felix, sie hatten sogar schon einen Grabstein für mich parat! Einen schwarzen, kalten Stein in dessen Oberfläche mein Name eingeritzt wahr und der nur darauf gewartet hat, meinen Haufen Erde zu zieren, unter dem ich irgendwann liegen würde. Als ich ihn an dem einen Abend entdeckt habe, da...da ist mir erst so wirklich klar geworden, was für ein Monster ich eigentlich bin."

Ich sah hinab auf meine zitternden Hände. Ein Paradox, wenn ich bedachte dass diese sonst so ruhig meine Klingen führten, mit denen ich schon so vielen das Leben genommen hatte.

"Bekannt wahr ich unter dem 'Künstlernamen' der Racheengel. Man sagte mir nach, dass ich wie eines dieser geflügelten Wesen wahr, dessen Federn man beraubt hatte. Tod und noch Tod bringender. Ein strahlender Geist, mit scharfer Sense. Es gab so einige Gerüchte über mich, obwohl mich keiner kannte. Jeder hatte Angst vor mir und wollte dennoch meine Dienste in Kauf nehmen. Wer will sich schließlich schon die Finger dreckig machen, wenn man eine junge Seele dafür ausnutzen konnte? Ganz einfach: Niemand."

Schwer atmete ich aus. Es wahr schwierig, all dies laut auszusprechen, vor dem ich mich so sehr fürchtete. Aber ich musste es, da ich sonst das Gefühl hatte jeden Augenblick zu platzen. Mein Körper, der lediglich nur als Hülle diente, hatte keine Kraft mehr, jedes schmutzige Detail und was darüber hinaus ging zurückzuhalten. Die Mauer, die ich mühsam aufgebaut hatte, fing gegen meinen Willen an zu bröckeln und Risse zubekommen.

"Ich bin müde.", gestand ich mir schließlich ein, "So unendlich müde und kein Schlaf dieser und anderer Welten könnte dieses Gefühl je ändern, außer...", hadernd malträtierte ich meine Unterlippe, "Peter hat sich gestern zu mir gelegt, einfach so und ohne Kommentar und das wahr eine der entspanntesten Nächte, die ich seid langem wieder hatte. Sein ruhiger Atem hat mich beruhigt, sein Geruch hat mich eingehüllt, wie ich meine Opfer damals mit Worten und irgendwie habe ich mich auch so gefühlt. Wie eine Maus in der Falle, aber dennoch wahr da dieses Gefühl trotzdem beschützt zu werden und zwar nicht vor äußerlichem Einfluss, sondern vor mir selbst. Ich kann nicht sagen, was das zwischen mir und Peter ist und ich weiß auch, dass du das wahrscheinlich im lebendigen Zustand nicht hören willst, aber du hast damals gesagt, dass egal was passieren würde und was auch immer zwischen uns steht, du dennoch immer mir helfen wirst und wie es mir scheint, könnte ich diese gerade jetzt gebrauchen - sehr sogar. Aber du bist nicht mehr da. Du hast im Kampf, uns verlorene Jungs zu beschützen, dein Leben gegeben. Ich wünschte es währe anders gelaufen. Ich wünschte du hättest ein Mal auf mich gehört.", nach einer Antwort suchend begutachtete ich die kleinen Blümchen, die sich auf dem Grab ausgebreitet hatten.

"Es ist höchstwahrscheinlich undankbar von mir gegenüber Peter, mir zu wünschen, nicht mehr zu leben. Aber ich hatte schon erwähnt, dass meine Kraft zu Kämpfen immer mehr schwindet. Natürlich hat diese Insel einige der oberflächlichen Wunden geheilt, aber nicht die die tief im Inneren sitzen. Diese bluten noch immer weiter und ertränken mich langsam, aber sicher und ich kann nichts dagegen machen."

Still stahl sich eine Träne aus meinem Augenwinkel und bahnte sich ihren Weg, über meine sommersprossige Wange, hinab zu meinem Kinn. Je mehr Zeit verging, desto mehr gesellten sich dazu, bis ich schlussendlich aufschluchzte. Ich wusste nicht, wie mir geschah, da überrannten mich meine Gefühle wie eine Armee aus lauter Soldaten. Sie marschierten aus meinem Herzen heraus und nahmen meinen sonst so rationalen Verstand als Gefangenen, dass dieser nicht übernehmen konnte. Ich ließ alles unfreiwillig aus mir heraussprudeln und über mich hereinbrechen.

"W-W-Warum...t-tut das so...weh?!", überfordert krallte sich meine Hand in mein Oberteil. Ich fühlte mich, als würde ich in Flammen stehen.

Dann schlug ich mit meinen Fäusten zu.

Immer und immer wieder schlug ich auf den harten Boden unter mir ein. Schrie mir alles vom Leib und ließ den Schmerz und all das Leid, das sich über Jahre in mir angesammelt hatte raus, bis ich zitternd zusammenbrach.

~•~

Ich wusste nicht, wie lange ich einfach nur regungslos auf dem teils rot verfärbten Gras lag, bis sich zwei Arme um meine Taille schlangen und mich an einen warmen Körper zogen. Ohne Gegenwehr ließ ich die stützende Umarmung über mich ergehen und mich schließlich von den Beinen ziehen.

"Nicht...", schwach kippte mein Kopf an die Brust desjenigen, der mich nun noch enger an sich drückte.

"Sch.", seine leise Stimme drang zu mir durch und lullte mich nur noch mehr ein, "Ich bin hier, Teddybär und ich verspreche dir, alles dafür zu tun, dass es dir schnell wieder besser gehen wird, hörst du? Ich werde dafür sorgen, dass dir nie wieder Elend zugefügt wird und sollte es jemals erneut jemand wagen dich zu verletzten, wird dieser erleben was es heißt sich mit Peter Pan anzulegen!"
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Einen Schatz zu haben, bedeutet nicht nur ihn zu genießen, sondern auch mit allem was man hat, zu beschützen.~Mellarie-Bellancia

Nimmerland - Forever deathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt