BEGINN

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Ungewollt begannen seine Augen zu leuchten, als er den kleinen Jungen das erste Mal entdeckte. Zitternd hatte sich der Rotschopf in eine der leeren Seitengassen geflüchtet und sich schutzsuchend hinter einen der Container gezwängt. Seine zierlichen Finger fuhren ihm fahrig durch die Haare, wischten über das bleiche Gesicht und hinterließen dunkle, schmierige Flecken. Neugierig hockte sich sein Beobachter an die Kannte des Daches, auf dem er bis vor wenigen Sekunden noch unbeschwert gelegen und seine geliebten Sterne gezählt hatte und lehnte sich nun über diese hinweg. Trotz des Lärmes, welcher von den großen Straßen kam, drangen die verzweifelt, verfluchten Schluchzer des Jungen zu ihm empor und berührten schon beinahe etwas in ihm. Überrascht über das plötzlich neuartige Gefühl, welches versuchte sich unbemerkt in seine Brust zu schleichen, um ihn von dort aus langsam zu infizieren, ließen den in der Nacht getarnten Schatten verwundert die Stirn runzeln. Noch nie hatte ihn ein Anblick auf den ersten Augenblick so gefangen genommen. Noch nie hatte ihn ein anderes Wesen von einem auf den anderen Moment so interessiert.

Er spürte selbst wie sein Atem für eine Millisekunde stockte, als er durch einen der herabfallenden Mondstrahlen, das Blut an den Händen des Rotschopfes erkannte und das nun wie eine Kriegsbemalung auch an seinen gesprenkelten Wangen klebte. Sein totes Herz schien einen abrupten Hüpfer zu machen; versuchte sich durch das dicke, schwarze Eis zu kämpfen, von welches es umhüllte war, um wie einst wieder rhythmisch schlagen zu können. Als hätte ihm jemand ätzende Säure gespritzt, schoss etwas kribbelndes durch seine kalten Adern und hinterließ ein brennendes Gefühl.

Und dann sah er nach oben.

Er sah ihm direkt in seine Augen und dennoch sah er ihn nicht. Der Schatten wahr eins mit der Dunkelheit geworden und sah nun lediglich nur noch als nicht wahrnehmbarer Schemen zum Rotschopf hinab, dessen Seelentore ihn in den Bann zogen und versuchten ihn zu hypnotisieren.
Knopfaugen; dachte er beim genaueren hinsehen; aber auch irgendwie nicht. Sie sahen aus wie die eines plüschigen Teddybären, doch sah man ihnen an, das seine Seele nicht so unschuldig war wie die eines Kuscheltieres. Es versteckte sich etwas abgrundtiefes hinter der bunten Iris, was nur darauf wartete die Gitterstäbe zu zerbrechen, um an die Außenwelt zu gelangen; um sich an allem und jedem zu rechen, der diesen Dämon erschaffen und dann fallen lassen hat. Ein Lodern flammte auf und versteckte sich dann wieder hinter einer steifen Maske. Schloss jede Emotion aus und hinterließ lediglich eine regungslose Marionette, dessen Spieler langsam wieder die Überhand gewann und die führenden Fäden, mit seiner eigenen Magie wieder zum bewegen brachte. Der Schatten beobachtete den kleinen Jungen und wie aus seinem zerbrechlich wirkendem Körper das Leben heraus spazieren und ein neues hinein schlüpfen wollte. Wie ein Tausch zweier Seelen.

Inquisitiv legte er seinen Kopf schief; versuchte mehr von dem Rotschopf zu erhaschen. Auf einmal hatte er das Bedürfnis alles über diesen Jungen zu erfahren. Er wollte seine Stimme hören, wie sie ihm all seine Geheimnisse erzählte, bis auf das letzte, schmutzigste Detail. Er wollte seine weißliche Haut spüren, gucken ob sie wirklich so weich wahr wie sie aussah. Er wollte die Wärme des roten Lebensnektar auf seinen Fingerspitzen fühlen, wie sie aus dem kleinen Körper hinaus floss und er wollte sie schmecken und herausfinden ob sie wirklich so süß schmeckte wie der Rotschopf aussah. Es juckte ihm im gesamten Körper und nur schmerzhaft konnte er sich zurückhalten nicht über den kleinen Teddybären herzufallen.

Ein plötzliches Geräusch riss den Schatten aus seinen Gedanken. Sein Kopf schnellte nach links, zu der Stelle wo die abgelegene Gasse in die befahrene Straße verlief und wo nun mehrere Männer aufgetaucht wahren. Ihre Gesichter wahren wutverzogen und ihre Kleidung halbwegs beschmutzt, halbwegs noch sauber. Sie schienen etwas, oder besser gesagt jemanden zu suchen. Auch der Rotschopf schien die aufgewühlte Menge aus Muskelbergen nun gehört zu haben, denn panisch drückte er sich noch flacher an die Wand und ließ seinen Blick hin und her fliegen. Sein Herz jedoch schlug weiterhin ruhig, ohne es seinem ängstlichen Besitzer gleich zu tun. Als würde es nicht ihm gehören. Als wäre es ein separates Körperteil, was nur zufällig an seinen jetzigen Platz gekommen war. Dennoch schien es in diesem Moment keinen Einfluss auf den Kleinen zu nehmen.

Seine Augen wanderten wieder zu den Männern. Einer von ihnen hatte sich gebückt und etwas von dem regennassem Boden aufgehoben. Es sah aus wie eine Kette an der etwas zu baumeln schien und die der Finder nun wie eine Trophäe hoch hielt. Wie auf ein stummes Kommando drehte sich jeder der fünf in die Gasse und drangen schließlich Schritt für Schritt vor.

"Komm raus, komm raus du kleine Ratte!", rief einer der muskulösen und grinste dabei dreckig, "Wenn du dich mir schnell zeigst dann wird deine Folter auch nur sehr dolle wehtun und nur ich werde mich an dir vergehen und meine Männer dir vom süßen Hals halten, mh? Ist das nicht milde von mir?" Immer weiter schritten die Herren voran, nährten sich dem Jungem, ihr Anführer dabei ganz vorne.

Nun nicht länger mehr panisch, sondern in eine Art Schockstarre verfallen hockte der Rotschopf hinter dem Container, hatte seine Augen geschlossen und die zierlichen Arme um die angewinkelten Knie geschlungen.

"Na sieh einer mal an, wen wir hier denn haben. Was ist denn mit dir los du kleine Ratte?", grob griff der Mann dem Jungen in seine Locken und riss ihn daran hoch, "Wo ist denn das Monster hin, was du noch vor einigen Stunden warst? Wo ist der Killer, der fast die Hälfte meiner Männer auf dem Gewissen hat, mh?!" Brüllend stieß er den Jungen gegen die kalte Steinmauer in seinem Rücken und knurrte bedrohlich. Während die eine der zwei wulstigen Hände sich um die Kehle des kleinen Teddybären schloss, fuhr die andere langsam und widerlich unter das Blut beschmierte Oberteil; zog Kreise über die unterkühlte Haut.

Und ab da an brannte irgendetwas in dem Gehirn des Schattens durch. Hatte eine Kurzschlussreaktion und ließ ihn schon im nächsten Augenblick unüberlegt handeln.

Grazil wie eine Katze ließ er sich von dem mehrstöckigem Hochhaus fallen und landete leichtfüßig, ohne einen Laut zu machen auf dem Asphalt, direkt hinter den Männern.

"Ich würde es bevorzugen, wenn sie ihre Griffel von dem kleinen Jungen nehmen würden und das sofort."

Erschrocken über das plötzliche Auftauchen wandte sich jeder einzelne um und auch die Knopfaugen des Rotschopfs landeten auf dem Neuankömmling.

"Und wer bist du jetzt?", verhöhnte ihn der Anführer.

Leise lachend sah er kurz auf den Boden, bevor er seine rot glühenden Augen wieder nach vorne aufschlug.

"Ich bin euer schlimmster Albtraum..."

Nimmerland - Forever deathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt