1 - Neuanfang

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"Mist, Mist, MIST!" Ich renne den Fußgängerweg runter, während ich auf mein Handy sehe. Ich bin schon viel zu spät dran.
Ein Stoß gegen meine Schulter lässt mich aufblicken. Ein älterer Herr schaut mich böse an und schüttelt den Kopf.
"Tut mir leid!", rufe ich ihm noch hinterher, während ich weiterlaufe. Anscheinend habe ich ihn angerempelt.
Mein erster Tag wird damit beginnen, dass ich zu spät komme. Super Voraussetzung, dabei ist es einer meiner wichtigsten Jobs überhaupt.

Komplett zerzaust komme ich bei der Hintertür der Konzerthalle an. 10 Minuten zu spät. Ob das noch als halbwegs pünktlich durchgeht? Warum ist diese Stadt auch so unübersichtlich!
"Moment. Sie sind?" Ein breiter Mann, anscheinend die Security, hält mich auf.
"Sarah Hayes. Ich bin die neue Stylistin."
Die Security schaut mich argwöhnisch an. Hat das vielleicht schon mal jemand als Ausrede genutzt, um an die Band zu kommen?
"Ich habe hier auch irgendwo einen Brief, der das beweisen kann."
Meine Tasche ist das reinste Chaos. Ich krame eine ganze Weile, weil ich den Brief einfach nicht finden kann.
"Schon gut," er hebt beschwichtigend die Hand. "Ich glaube Ihnen. Aber wehe Sie machen Ärger." Seinem immer noch argwöhnischem Blick nach zu urteilen, rechnet er definitiv damit.

Vielleicht hätte ich ihn gleich nach dem Weg fragen sollen. Die Location ist viel zu groß. Wo zum Teufel ist der Backstage-Bereich?
"Kann ich dir helfen?"
Erschrocken drehe ich mich um. Hinter mir steht ein junger, gutaussehender Mann.
"Ich...ehm...suche eigentlich den Backstage-Bereich."
"Ah cool. Da muss ich tatsächlich auch hin. Komm einfach mit."
Wir laufen eine Weile durch das riesige Gebäude, bis ich endlich eine Tür mit der Aufschrift "Backstage" erkenne. Ohne zu klopfen, öffnet der junge Mann die Tür. Er sieht nicht aus, als würde er zum Personal gehören. Dafür sticht er viel zu sehr heraus.
Er verschwindet durch die Tür und kurz darauf traue auch ich mich hindurchzugehen.

Dahinter erwartet mich eine komplett andere Welt. Eine Haufen Menschen läuft von links nach rechts mit Kleidungsstücken, Make-Up Koffern oder Essenstüten in den Händen. So turbulent war es noch nie bei einem meiner Jobs. Normalerweise bin ich es gewohnt allein für einen Klienten zu arbeiten. Das hier ist komplettes Neuland für mich.
"Entschuldigung?", ich spreche eine Frau an, die gerade mit einer Starbucks-Tüte an mir vorbeiläuft. Und mich ignoriert.
"Hallo. Ich bin die neue Stylistin. Könnten Sie mir...", auch der Mann mit den Mikrophonen scheint mich nicht zu hören. Oder auch er ignoriert mich absichtlich.

Auf der Suche nach dem jungen Mann von vorhin schaue ich mich in dem großen Raum um. Viel zu viele Menschen. Mein Herz fängt an schneller zu schlagen und ich merke, dass mich der Mut verlässt. Vielleicht sollte ich einfach wieder gehen. Wahrscheinlich ist diese Welt doch nichts für mich und ich habe mir zu viel zugemutet.
In dem Moment, in dem ich beschließe, wieder durch die Tür nach Hause zu gehen, spricht mich eine Frau mit Headset an.
"Sie müssen die Neue sein. Sarah, nicht wahr?"
Erleichtert atme ich aus.
"Woher kommen Sie, wenn ich fragen darf?" Ihr Blick fällt auf meine leicht gebräunte Haut.
"Miami. Ich bin gerade erst hierhergezogen."
"Sie können sehr gut koreanisch, dafür das sie aus Amerika stammen."
"Ich hatte als Jugendliche Interesse an Sprachen und Koreanisch schien eine gute Herausforderung zu sein. Perfekt ist es allerdings nicht."
"Es wird ausreichen. Kommen Sie bitte mit. Ich zeige Ihnen wo und mit wem Sie zukünftig arbeiten werden."
Kurz sagt sie etwas in ihr Headset, dass ich nicht verstehe, bevor sie sich auf den Weg durch das Gewusel an Menschen macht. Aufgeregt folge ich ihr.

Während wir an beschäftigten Mitarbeitern vorbeilaufen, zaubert die Frau mit dem Headset, ich gehe davon aus, dass sie die Koordinatorin ist, ein Klemmbrett hervor und drückt es mir in die Hand.
"Alles, was Sie wissen müssen, steht hier drauf. Allgemeine Infos, Lageplan der Garderobe und Make-Up-Stationen, Daten, usw.", sie schaut über ihre Schulter. "Das Konzert findet in einer Woche statt. Machen Sie sich also mit allem hier vertraut."
"Das Konzert ist erst in einer Woche?", ich schaue mich um und bin verwundert über den Aufwand, der bereits betrieben wird.
Mit skeptischem Blick bleibt sie vor mir stehen.
"Sie sind hier nicht mehr in Amerika, Miss Hayes. Das hier ist Korea und hier haben Konzerte ein anderes Ausmaß. Das braucht Vorbereitung und ausreichend Zeit für Proben", sie deutet noch einmal auf das Klemmbrett in meiner Hand und geht ohne ein weiteres Wort weiter.

Wir nähern uns einer Sofaecke, in der einige junge Männer sitzen, sich laut unterhalten und lachen. Und da ist auch wieder die Frau mit der Starbucks-Tüte.
"Ahhh, Felix!" Der Angesprochene schaut kurz auf, als er an uns vorbei will, um sich einen der Kaffeebecher zu schnappen. Die Koordinatorin hält ihn auf und zeigt auf mich.
"Das ist Sarah Hayes, die neue Stylistin. Könntest du ihr bitte die anderen vorstellen?" Ohne auf eine Antwort von ihm zu warten richtet sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf mich.
"Sie werden für das Styling von Felix und Bang Chan zuständig sein. Bitte keine Fehler." Und damit lässt sie mich stehen.
"Hi. Ich bin Felix. Wollen wir?" Was zum...diese Stimme! Wie kann er so eine tiefe Stimme haben und gleichzeitig so unschuldig aussehen?!
Ohne auf meinen erstaunten Gesichtsausdruck zu achten geht er mit mir zur Sofaecke und den augenscheinlich anderen Bandmitgliedern.

Red Lights | Bang Chan | SKZWo Geschichten leben. Entdecke jetzt