Reise nach Berlin - Teil 11

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In den letzten Jahren war viel passiert. Kurt arbeitete wieder in der Apotheke und half Vater. Karl kümmerte sich wieder intensiver um seine Bildung und Otto war schon seit einiger Zeit Soldat. Noch lange vor dem Ende seiner Dienstzeit wurde er jedoch schwer verletzt.

Eigentlich war es ein Tag, wie jeder andere in der Kaserne. Zusammen mit seiner Kompanie war Otto auf dem Schießplatz gewesen und bereits auf dem Rückweg, als das Gewehr eines Neulings plötzlich losging. Noch bevor Otto den Knall hörte, fand er sich plötzlich am Boden liegend wieder. Erst jetzt spürte er den gewaltigen Schmerz.

Sofort begriff Otto, dass etwas Schreckliches passiert war. Er schrie und war nicht in der Lage, diesen unglaublichen Schmerz zu ertragen. Wie glühende Nadeln zog er durch sein Bein und als er an sich herunterblickte, wurde ihm klar, dass er sein Bein verlieren könnte. Vollkommen verdreht lag es neben ihm.

Tränen der Verzweiflung vermischten sich mit den Schweißtropfen auf Ottos Gesicht, während er sich am Gras festklammerte und die Hände zu Fäusten ballte. Schnell hoben seine Kameraden ihn auf und brachten ihn auf die Krankenstation.

Zum Glück war es ein glatter Durchschuss, aber die Kugel hatte den Knochen im Oberschenkel zertrümmert und ein Stück herausgesprengt. Nur wenige Jahre zuvor hätten die Ärzte Otto das Bein noch einfach abgeschnitten, doch dank der Weiterentwicklung, der Medizin, konnte es gerettet werden.

Nach seiner Genesung wurde er genau wie Karl als untauglich eingestuft und aus dem Dienst entlassen. Sein Bein war jetzt 5 Zentimeter kürzer, aber immerhin, es war noch immer dran und Otto konnte relativ normal gehen. Als Schuster war es natürlich kein Problem für ihn, den Unterschied in der Schrittlänge mit einer dickeren Sohle auszugleichen. Frederike störte sich nicht an seinem kürzeren Bein.

„Alles andere an ihm ist noch immer lang genug!", hatte sie gesagt und ihren Otto endlich geheiratet.

Karl war mit den beiden zum Bürgermeister gegangen und mit seiner Hilfe konnte das Paar ein sehr preiswertes Grundstück am Rand der Stadt erwerben. Die beiden billigsten Grundstücke kosteten jeweils 75 und 80 Mark. So viel Geld konnten die beiden natürlich nicht aufbringen und so hatte Karl ihnen das etwas größere Grundstück für 80 Mark geschenkt.

Otto wollte Karl dafür sein Leben lang mit Schuhen versorgen. Das hatte er ihm in die Hand versprochen. Mit Feuereifer hatten sie sich in den Hausbau gestürzt und Karl hatte ihnen geholfen. Auch Ottos Familie und ein paar Freunde aus der Schule hatten mit angepackt und so war das neue Haus nach nur 6 Wochen fertig. Die Wände bestanden aus solidem Fachwerk und die Zwischenräume waren mit einem starken Weidengeflecht gefüllt.

Dieses Weidengeflecht hatte Frederike mit feuchtem Lehm beworfen, den sie zuvor mit Gras vermischt und gut durchgeknetet hatte. Diese Mischung war besonders haltbar. Mit Schilf hatten sie das Dach gedeckt, ein paar Möbel waren auch schnell gebaut und so lebten die beiden von nun an in ihrem eigenen Haus. 

Es hatte ein Schlafzimmer, sogar zwei Kinderzimmer, eine gute Stube, einen großen Raum für die Werkstatt, eine Küche und sogar eine Waschküche. Der lange Ludwig hatte ihnen aus den Mauersteinen eines alten, verfallenen Hauses einen Herd mit einem kleinen Backofen gebaut. Im Hof hatte er einen Brunnen gegraben und jetzt hatten sie sogar frisches Wasser auf ihrem Grundstück.

Frederike kümmerte sich um den Garten. Mithilfe ihrer Freunde hatte sie einen Stall für ein paar Schweine und eine Kuh gebaut. Noch war Sommer und dieser Stall war leer. Doch im nächsten Frühling wollte sie auf dem Markt nicht nur mehrere Ferkel und ein Kälbchen erwerben, sondern auch ein paar frisch geschlüpfte Küken und ein paar neu geborene Kaninchen. Das würde sehr viel weniger kosten, als wenn sie ausgewachsene Tiere gekauft hätte.

Das Geheimnis der weiblichen LustWo Geschichten leben. Entdecke jetzt