Bereits in Genf hatten Liesel und Karl sich zwei dicke Wörterbücher gekauft – richtige Wälzer, jeweils über tausend Seiten stark. Das eine war Deutsch-Englisch, das andere Englisch-Deutsch. Sie hatten sie überallhin mitgeschleppt.
Schon im Hotel hatten sie ganz viele neue Wörter gelernt und auch im Zug immer wieder in diese Bücher geschaut. Doch als das Schiff abfuhr und das Land zu ihrer Linken zu einem kleinen, immer dünner werdenden Streifen am Horizont wurde, musste Liesel sich unbedingt ablenken, um aus dem tiefen Tal der Traurigkeit herauszukommen.
Sie hatten die Heimat endgültig verlassen und sie würde ihre Familie für Jahre nicht mehr sehen.
Wortlos legte Karl ihr eine Hand auf die Schulter. Er konnte sehen, wie es ihr ging und verstand. „Lass uns weiter lernen", schlug er vor. „Komm, sag mir, was »Hoffnung« auf Englisch heißt."
Liesel schniefte, blinzelte ihre Tränen weg und sah auf die Seite. „Hope", murmelte sie.
„Hope", wiederholte Karl, lächelte und freute sich. „Im Plattdeutschen klingt das ganz ähnlich."
Ihre Aussprache verbesserten Heather und Milton Miller aus Boston. Die beiden waren auf Hochzeitsreise in Europa gewesen und bereits im Zug, auf dem Weg von der Schweiz nach Bremen, hatten sie sich mit Karl und Liesel angefreundet.
Heather stammte aus einer wohlhabenden Familie in Boston. Seit ihrer Kindheit hatte sie eine Vorliebe für die Kultur anderer Länder. Sie sprach fließend Italienisch und Spanisch und auch ein paar Worte auf Deutsch waren ihr geläufig.
Milton hingegen wuchs in der Firma seines Vaters auf. Der belieferte nicht nur viele Buchläden in den USA, sondern auch in Kanada. Milton las alles, was er in die Finger bekam und es gab kaum ein Thema, bei dem er nicht mitreden konnte.
Auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung in Boston hatten sich Milton und Heather kennengelernt und sich ineinander verliebt. Weil beide ihre Interessen miteinander teilten, war es nur logisch, dass ihre Hochzeitsreise sie nach Europa führte.
Bei jeder Mahlzeit saßen Liesel und Karl mit den beiden Amerikanern zusammen in dem opulenten Speisesaal an einem Tisch. Auch zwischen den Mahlzeiten unterhielten sie sich sehr oft miteinander. Denn viele Möglichkeiten der Zerstreuung gab es an Bord des Schiffes nicht. So verbrachten sie viele Stunden am Tag zusammen.
Schon nach wenigen Tagen war die Verständigung auf Englisch gar kein Problem mehr für Karl und Liesel. Ihre Wörterbücher hatten sie immer dabei und wenn ihnen ein Wort fehlte, dann schlugen sie es nach. Der Sprachkurs mit den beiden Amerikanern war so intensiv, dass Karl häufig auf Englisch träumte.
Wieder einmal war Liesel früh wach. Faul blieb sie in ihrer engen Koje liegen, schaute an die Decke ihrer Kabine, spürte ein ganz leichtes Schwanken des Schiffes und das rhythmische Hämmern der Dampfmaschine. Mit ein wenig Wehmut dachte sie an ihre Hochzeit zurück.
Bereits als kleines Mädchen hatte sie von einer richtig großen Hochzeit, mit vielen Gästen geträumt. Am Ende wurde es nur eine ganz kleine Feier auf einer grünen Wiese, direkt am Ufer des Genfer Sees. Ihre Familie war da und Tante Wendelgard hatte ihr erzählt, dass auch sie wieder heiraten wollte. Ihr Mann war schon vor ein paar Jahren gestorben und nun hatte sie einen neuen Mann kennengelernt. Sie hatte ihren Verlobten auf die Hochzeit nach Genf mitgebracht und als Liesel an ihn dachte, huschte schon wieder ein Lächeln über ihr Gesicht.
Er hatte sich beim Essen genau in dem Moment zurückgelehnt, als Fridi zusammen mit den Neffen und Nichten von Karl hinter ihm vorbei rannte. Die Jungs hatten mit ihren Stöcken wohl gerade Fechten gespielt und irgendwie war sein Toupet an einem der Stöcke hängen geblieben. Natürlich war das ein Anlass zur Heiterkeit, als Tante Wendelgards Verlobter plötzlich oben ohne da saß.
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Das Geheimnis der weiblichen Lust
Historical FictionWer hat jemals ein Buch gelesen, in dem es die ganze Zeit um Sex geht, es aber nie zum "Äußersten" kommt? Dieses Buch ist nicht nur amüsant und witzig, sondern auch lehrreich und spannend. Am Ende bekommt der Held natürlich sein Mädchen, aber die Re...