Maria und die Reitgerte - Teil 17

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Maria hatte an wirklich alles gedacht. Sie hatte ihm einen ordentlichen, aber nicht zu teuren Anzug gekauft, wie ihn ein Student tragen würde und ihn zum Barbier geschickt.

Herausgeputzt wie ein Pfingstochse kam er sich vor, als er mit den gefälschten Urkunden in seiner Brusttasche neben ihr in der Kutsche saß. Noch immer wusste er nicht, wie viel Geld er für seine Arbeit bekommen würde. Doch darüber sollte er mit ihrem Mann reden. Diese Frage konnte sie ihm nicht beantworten, doch ganz sicher würde es ein angemessenes Gehalt werden.

Als der Kutscher in ein parkähnliches, großes Grundstück, mit alten Bäumen einbog und auf ein wunderschönes Haus zusteuerte, wurde ihm ganz mulmig. 

Dieses Haus war eine riesige Villa, mit kleinen Türmchen und Erkern, ein Schmuckstück, selbst hier im teuren Charlottenburg. Das war geradezu ein Schloss! Allein schon die Fassade war eine Augenweide. Verspielt fügte sie sich in die ländliche Umgebung ein. Sie war geprägt von geschwungenen Linien, floralen Ornamenten und kunstvollen Schnörkeln. Die schöne Farbe verlieh dem Gebäude einen sehr einladenden Charakter.

Ein schmiedeeisernes Geländer, mit rankenden Weinreben und Blumenmotiven, erstreckte sich entlang der Treppe und umrundete das gesamte Gebäude. Über dem Eingang zur Villa schwebte ein geräumiger Balkon, der von kunstvollen Säulen gehalten wurde. An verschwenderischer Eleganz war dieser Prachtbau kaum zu überbieten. Hier lebte Maria mit ihrem Mann? Hier sollte er arbeiten?

Aber eigentlich war Charlottenburg doch perfekt! Es lag weit außerhalb der Hauptstadt. Hier draußen auf dem Land kannte ihn niemand. Hier konnte er den Assistenzarzt spielen und würde garantiert nicht auffliegen. Trotzdem war diese Idee doch der reine Wahnsinn! Worauf hatte er sich da nur eingelassen?

Direkt vor dem Eingang mit der Treppe hielt die Kutsche an. Karl stieg aus und reichte Maria die Hand, um ihr behilflich zu sein.

Mit einem komischen Gefühl im Bauch folgte er ihr durch die herrliche Tür. Noch gut erinnerte er sich an seinen ersten Tag in Berlin, im Haus von Frau Hartwig. Diese Villa war noch einmal eine ganz andere Kategorie. Sie übertraf das Haus von Frau Hartwig bei weitem an Eleganz, Schönheit und Pracht.

Diese Opulenz und der Luxus waren schon sehr beeindruckend. Polierte Marmorfliesen bedeckten den Boden und an den Wänden hingen ein paar kunstvolle Gemälde mit goldenen Rahmen. Der Duft frischer Blumen hing in der Luft. Eine geschwungene Treppe, mit einem kunstvoll geschmiedeten Geländer führte in die oberen Räume, doch Maria hielt sich rechts  und drückte die Klinke einer Tür herunter. Aber noch bevor sie die Tür öffnete, schaute sie Karl an.

„Verdirb es nicht! Lass ihn reden, halte dich zurück und sprich nur dann, wenn du etwas gefragt wirst. Du hast nur diese eine Chance", raunte sie ihm mit einem Lächeln zu und betrat den langen Flur. Karl folgte ihr mit vor Aufregung klopfendem Herzen.

Hinter einem schönen Tresen saß eine hübsche, aber gelangweilte Sprechstundenhilfe mit blonden Zöpfen, die sofort aufsprang, als sie Maria erblickte. Anscheinend war dies die Anmeldung der Praxis.

„Sitzen denn noch Patienten im Warteraum? Oder können wir zu ihm hinein?", fragte Maria.

Die Sprechstundenhilfe schüttelte bedauernd den Kopf. „Es war wieder einmal sehr ruhig heute. Nur ein paar Stammkundinnen waren hier. Sie können einfach zu ihm hineingehen, es ist niemand bei ihm."

Ohne anzuklopfen, öffnete Maria die Tür zum Behandlungsraum und trat gemeinsam mit Karl ein. Dem fiel fast die Kinnlade herunter, als er Marias greisen Ehemann sah. Er hatte einen gut aussehenden Mann in den Dreißigern oder in den Vierzigern erwartet. Aber doch keinen Großvater!

Mit seiner alten Militärmütze auf dem Kopf stand der alte Mann neben seinem Schreibtisch und versuchte im Licht des riesigen Fensters ein Schreiben zu entziffern. Seine Brille schien ihm dabei keine große Hilfe mehr zu sein. Ganz sicher brauchte dieser Mann eine neue Brille.

Das Geheimnis der weiblichen LustWo Geschichten leben. Entdecke jetzt