~~ Nico ~~

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Liebes Tagebuch,

hier bin ich wieder. Das letzte Mal ist nun schon eine Woche her. Sorry dafür, aber ich hab nicht viel Zeit und der große Schreiber bin ich auch nicht. Wie ich das letzte Mal geschrieben habe, geht es heute wohl um meinen Job. Was jetzt folgt, ist allerdings sehr vertraulich, also wehe du kommst ganz Harry-Potter-Style-mäßig aus dem Buch und verletzt deine Pflichten als Therapeut!
Nun, mein kleiner Bruder denkt, ich bin ein Agent, weil ich oft spät abends arbeite. Meine Mutter glaubt, ich arbeite in einer Spielhalle. Meine Kollegen wissen, dass ich Tänzer in einer Schwulenbar bin. Und nur mein Chef und meine speziellen Kunden wissen, dass ich auch als Callboy mein Geld verdiene. Mein Bruder ist vier, meine Mutter lüge ich an, damit sie sich keine Sorgen macht, meine Kollegen finden, dass ich zu jung aussehe für den Job und mein Chef weiß, dass ich es tatsächlich bin, doch ignoriert die Tatsache gekonnt.
Liebe ich meinen Job? Absolut nicht! Ist er ertragbar? Genauso wenig. Muss ich die Zähne zusammenbeißen und trotzdem weitermachen? Leider ja. Ich brauche das Geld. Meine Mutter und mein Bruder brauchen das Geld. Wenn ich mit meinem jetzigen Wissensstand zurückschaue, hätte ich das mehr als verwerfliche und illegale Angebot meines Chefs nie angenommen und wäre einfach Tänzer geblieben oder hätte doch weiter nach einem anderen Job gesucht, doch jetzt ... jetzt ist es zu spät. Ich kann es mir nicht leisten, meinen Job zu verlieren. Und auch wenn ich den geheimen Teil meines Jobs hasse, er bringt mir doch eine gute Summe ein, um sowohl meine Familie zu unterstützen, als auch um mein Erspartes fürs College aufzustocken. So viel, wie ich dort verdiente, würde ich nirgendwo sonst verdienen.

Die Türglocke klingelte. Ich steckte mir das Ende des Kulis zwischen die Zähne und überlegte, was ich noch schreiben konnte, als mich eine mittlerweile bekannte Stimme aufschauen ließ.
»Guten Morgen, Kathy!«, schallte seine Stimme durch das kleine gemütliche Café. Abgesehen von mir, saß nur ein weiterer Kunde, ein Mann, am anderen Ende des Raumes.
»Morgen, Süßer«, grüßte Kathy mit einem breiten Lächeln zurück.
Dylan war sein Name. Das hatte mir Kathy bei meinem letzten Besuch verraten. Nicht, dass ich gefragt hatte. Es war ... einfach irgendwie dazu gekommen.
Aus dem Augenwinkel beobachtete ich, wie Dylan Kathy einen Kuss auf die Wange gab, bevor er seinen Blick hob, um sich umzuschauen. Schnell senkte ich die Augen auf mein Buch hinab, bevor er mich noch beim Spannen erwischte.
Ich zählte von zehn runter, bevor ich wieder aufsah. Doch Kathy war allein. Vermutlich war Dylan im Hinterraum verschwunden, um seine Sachen wegzupacken.
Ich ließ ein paarmal das Klicken meines Kulis hören, bevor ich ihn wieder auf die Seite setzte.

Was ich mit "Callboy" meine, ist dir sicher klar. Würde ich meinem früheren Ich erzählen, was ich jetzt mache, wäre er mit Sicherheit geschockt. Noch vor einigen Monaten hätte ich nie auch nur einen Gedanken daran verschwendet, Geld mit meinem Körper zu verdienen. Selbst das Tanzen war absolut nicht geplant gewesen und hatte sich durch einen Zufall und große Verzweiflung meinerseits ergeben. Kurz: Ich wurde mal wieder abgelehnt, ich war in einem Club, ich trank etwas zu viel, ich tanzte mir die Verzweiflung aus dem Leib und wurde dabei von meinem jetzigen Kollegen Ricky beobachtet. Den Rest kannst du dir sicher denken. Es hat aber noch etwas gedauert, bevor ich mich tatsächlich auf die Bühne gewagt hatte.

»Nun geh endlich, sonst kommst du noch zu spät zu eurem Ausflug!«, ertönte erneut Dylans alles andere als leise Stimme und natürlich schaute ich sofort hinüber.
»Ja, ja, schon gut. Denk einfach an die Bestellung!«, erwiderte Kathy, bereits mit ihrer Tasche bewaffnet, bevor sie sich verabschiedete. Auch mir schenkte sie noch ein Lächeln und ein Nicken, bevor sie das Café verließ.
Mein Blick ging zurück zu Dylan, der ihm selben Moment zu mir hinübersah. Ein Schmunzeln legte sich in seinen Mundwinkel, bevor er sich abwandte, um dem anderen Mann Kaffee nachzugießen.

Vielleicht sollten wir das Thema wechseln.

Erneut schaute ich auf, da mir kein Thema einfiel, nur um abermals Dylans Blick zu begegnen.

Liebes Tagebuch ... (bxb)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt