Das Klingeln meines Weckers riss mich unsanft aus dem wundervollen Traum, den ich hatte, nur damit ich mitbekam, dass ein anderer in der Realität auf mich wartete.
Mein Kopf lag auf Dylans Brust und ich klammerte mich sowohl mit einem Arm wie auch mit einem Bein an ihn. Ich spürte seinen gleichmäßigen Atem auf meinem Kopf, während mein Herz begann, schneller zu schlagen. Meine Hand auf seiner Brust spürte die Muskeln unter dem T-Shirt und ich kam nicht umhin, mir zu wünschen, das kein Stoff dazwischen wäre.
Ich schluckte, als ich die Hand hob und zu seinem T-Shirtsaum wanderte. Hin und her gerissen zögerte ich, doch schlüpfte dann doch unter sein T-Shirt, um seine nackte Haut zu spüren. Gesehen hatte ich seinen nackten Oberkörper im Bad schon, doch gespürt hatte ich ihn noch nicht. Sanft fuhr ich mit meinen Fingern über seinen Bauch wieder hoch zu seiner Brust, wo sie vorher gelegen hatte, nur über dem Shirt.
»Mhh, du kannst ruhig weiter machen«, ließ mich Dylans verschlafene tiefe Stimme leicht zusammenzucken. Reflexartig wollte ich meine Hand zurückziehen, doch Dylan legte seine über meine, um sie zu stoppen.
Ich hob den Kopf, um ihn anzuschauen, und er lächelte mir entgegen.
»Morgen, Hübscher. Tut mir leid, ich hatte nicht geplant, einzuschlafen.«
»Schon okay«, erwiderte ich, bevor ich meinen Kopf wieder auf seine Schulter legte, denn das fühlte sich toll an. So toll, dass ich absolut keine Lust verspürte, aufzustehen, um zur Schule zu gehen.
»Nini, aufstehen!«, rief Finns Stimme durch die Wohnung, bevor er auch schon durch die Tür stürzte. »Guten Morgen, Dylan!«
»Morgen, Kleiner.«
»Es gibt Frühstück!«
»Wir kommen gleich«, sagte ich nur und Finn verschwand wieder. Ich schloss die Augen und spürte erneut seine warme Haut unter meinen Fingern, während mir sein ganz persönlicher Geruch in die Nase stieg. Und ich fühlte mich wohl. Sehr sogar. Und das sogar noch mehr, als Dylan seine beiden Arme um mich schlang und ich seine Lippen auf meinem Scheitel spürte.
»So schön bin ich noch nie aufgewacht«, flüsterte mir Dylan zu.
»Ich auch nicht«, gab ich genauso leise zu.
»Das ist glatt etwas, woran man sich gewöhnen könnte.«
Das war wahr. Ich hatte mich selten so geborgen gefühlt. Auch in Justins Armen nicht. Gut, bei ihm war es auch nur Sex gewesen. Bei Dylan ... war das anders.
Erst der Trampolinpark und das Freibad, dann das Tierheim und ... und die Küsse. Dann war er gestern einfach vorbeigekommen. Er hatte zwar nicht verraten, warum er wirklich gekommen war, doch ich vermutete, dass Kathy mit ihm geredet hatte. Und er war gekommen, um zu schauen, ob es mir gut ging.
Durch den Abend zuvor hatte ich mich am Vortag wirklich scheiße gefühlt. Und so verdammt schuldig Dylan gegenüber. Deshalb hatte ich auch erst geschaut, ob Dylan im Café war. Den gesamten Tag über hatte ich versucht, mir einzureden, dass es besser wäre, wenn ich Dylan mied und vergaß. Doch nun hier in seinen Armen – ich will nicht. Ganz einfach: Ich will nicht.
Wir kannten uns noch nicht einmal ganze drei Wochen, aber die Zeit, die wir bereits miteinander verbracht hatten, reichte, um zu wissen, dass ich ihn mochte. Wirklich mochte.
Erneut hob ich den Kopf, um Dylan anzuschauen. Doch da ich nicht wusste, was ich sagen sollte, streckte ich mich und drückte stattdessen meinen Mund auf seinen. Sofort verloren wir uns in minutenlangem Geknutsche. Trotz Morgenatem.
Plötzlich öffnete sich erneut die Tür und eilig lösten wir uns voneinander. Finn stand in der Tür und kicherte.
»Nini und Dylan haben sich geküsst. Mommy! Nini und Dylan haben sich geküsst«, rief er laut und verschwand wieder.
Ich stöhnte. »Das nächste Mal schließe ich die Tür ab.«
Dylan lachte nur. »Lass uns aufstehen, bevor er wiederkommt und vielleicht noch Schlimmeres sieht.«
Sofort flog mein Blick zu ihm, doch er grinste nur frech.
»Besser wäre es«, gab ich also nur zurück, bevor ich ihm noch einen Kuss auf die Lippen drückte. »Jetzt sind wir übrigens wieder quitt.«
Bevor er dies wieder ändern konnte, setzte ich mich auf und schlüpfte aus dem Bett. Eilig schnappte ich mir ein paar frische Sachen, bevor ich ins Bad verschwand und mich für die Schule fertig machte.
Als ich das Bad wieder verließ, fand ich Dylan zusammen mit meiner Familie am Frühstückstisch. Und wie es schien, hatte meine Mutter ihr Verhör vom Abend wieder aufgenommen.
»Und dein Bruder? Wie alt ist er?«
Dylan warf mir einen kurzen Blick zu, als ich mich neben ihn setzte, bevor er meiner Mutter antwortete.
»Er ist sechszehn.«
Meine Mutter stellte noch ein paar weitere Fragen, die Dylan alle freundlich beantwortete, bevor ich verkündete, dass ich los zur Schule muss und Dylan fragte, ob er mich begleiten würde. Er stimmte ohne Zögern zu, also machten wir uns gemeinsam auf den Weg.
»Wie siehts eigentlich mit der Planung für unser nächstes Date aus?«
»Unser nächstes Date?«, fragte ich sofort nach, doch lächelte dabei. Das Wort gefiel mir.
»Ja, schon vergessen? Du bist wieder dran.«
»Ich wusste gar nicht, dass das Dates sind«, gab ich frech zurück, woraufhin er mich plötzlich am Handgelenk ergriff und zu sich herumwirbelte. Schon lagen seine Lippen auf meinen. Nur kurz, viel zu kurz, doch andererseits befanden wir uns hier auf offener Straße.
»Das erste Treffen war vielleicht noch keins, aber als du dem Zweiten zugestimmt hast, ab da an waren es Dates.«
»Gut zu wissen.«
»Also? Schon irgendwelche Ideen?«
»Nun, was würdest du sagen, wenn ich einfach nur weiter Jurassic Park mit dir schauen möchte.«
Er zuckte mit den Schultern. »Dann wäre das eben das nächste Date. Solange ich Zeit mit dir verbringen kann.«
»Schleimer«, flüsterte ich laut, doch konnte nicht verneinen, dass mein Herz schlug bei seinen Worten.
Statt einer Antwort bekam ich noch einen weiteren kurzen Kuss, bevor er mich angrinste. »Nun bin ich schon wieder zwei voraus.«
Mit diesen Worten ließ er mich einfach stehen und ging weiter. Ich schüttelte den Kopf, bevor ich ihm folgte.
Zehn Minuten später erreichten wir meine Schule, wo bereits eine gute Menge Schüler unterwegs waren.
»Hast du heute Nachmittag Zeit?«, fragte ich Dylan, als wir vor dem Eingangstor zum Stehen kamen.
Er nickte. »Ich habe Vorlesungen heute nur bis um zwei, also ja.«
»Lust, die anderen Filme noch zu schauen?«
»Sehr gern. Wann?«
»Ich hab fünfzehn Uhr Schulschluss.«
»Super, ich hol dich ab.«
Er kam näher, um mir einen Kuss zu geben, doch ich hielt ihn mit einer Hand an seiner Brust zurück, bevor ich sie wieder zurückzog.
»Nicht ... nicht hier, bitte.«
»Wieso?«, fragte er verwirrt, während ich mich kurz umsah. Niemand schien uns Aufmerksamkeit zu schenken. Trotzdem wollte ich es nicht riskieren.
»Ich ... ich bin nicht ...«
»Nicht geoutet?«, erriet Dylan ganz richtig, doch er klang nicht genervt oder wütend.
Ich nickte nur.
»Okay, dann nicht hier. Aber sei dir versichert, dass das heute Nachmittag nachhole.«
Ich erwiderte sein Lächeln. »Ich freu mich drauf.«
»Dann viel Spaß und bis später.«
»Bis später«, erwiderte ich und freute mich ehrlich auf später. Tatsächlich konnte ich es kaum erwarten, sobald ich die Schule betrat und hoffte, dass der Schultag möglichst schnell vorüberging.
»Hey, Nico, hast du schon das Neuste gehört?«, begrüßte mich Peter, als ich mich auf die Tischbank neben ihn setzte.
»Was?«, fragte ich, war jedoch nicht sonderlich interessiert an dem neusten Schul-Klatsch und Tratsch.
»Es geht das Gerücht herum, dass Justin schwul ist.«
Okay, ich korrigiere mich. Das interessierte mich jetzt doch brennend.
»Was? Woher kommt das Gerücht?«, fragte ich sofort nach, als sich ein mulmiges Gefühl in meinem Magen ausbreitete.
»Keine Ahnung. Ich hab auch nichts Genaueres darüber gehört, zumindest nichts, was glaubwürdig klingt. Vielleicht ist es auch nur ein Prank und nichts Wahres dran. Aber jeder redet davon.«
Scheiße. Das war absolut keine gute Nachricht und ich konnte nur hoffen, dass Justin nicht dachte, dass ich der Ursprung dieses Gerüchts war.
Als der Unterricht begann, zog ich mein Tagebuch aus dem Rucksack. Es war schon wieder ein paar Tage her, seit ich das letzte Mal etwas hineingeschrieben hatte, und es gab einiges zu erzählen.
DU LIEST GERADE
Liebes Tagebuch ... (bxb)
RomanceLiebes Tagebuch. Mein Name ist Nico, ich bin 17 Jahre alt und hasse mein Leben. --- Nico hat es gewiss nicht leicht. Sein Vater ist nach Asien abgehauen und hat ihn, seine Mutter und seinen kleinen Bruder zurückgelassen. Seine Mutter hat kaum Zeit f...