~~ Dylan ~~

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Unruhig ging ich auf und ab, bevor ich erneut einen Blick auf die Uhr warf. So lange war es noch nicht her seit einer von Dads Kollegen Nico mit sich genommen hatte, aber es kam mir wie eine halbe Ewigkeit vor.
Nervös biss ich auf meiner Unterlippe herum. Mit Nico hatte ich mich zusammengerissen, um ihn mit meiner Nervosität nicht noch aufgeregter zu machen oder ihn gar dazu zu bringen, das Ganze abzublasen,aber jetzt ...
»Dylan, es ist alles gut, mach dir keine Sorgen«, versuchte mein Vater, mich zu beruhigen, während er selbst seelenruhig an irgendwelchen Dokumenten arbeitete.
Laut ausatmend ließ ich mich auf dem leeren Stuhl ihm gegenüber nieder.
»Einfacher gesagt als getan.«
Mein Handy piepste und froh über die Ablenkung zog ich es aus der Tasche. Eine Nachricht von Nico. Verwirrt zog ich die Augenbrauen zusammen, bevor ich sie öffnete.
Es war nur ein Wort. Hilfe!
Ich sprang wieder auf und erregte dadurch natürlich sofort die Aufmerksamkeit meines Vaters.
»Was ist ...?«, begann er und ich zeigte ihm einfach die Nachricht. Auch er zog verwirrt die Augenbrauen zusammen, als er das Wort sah.
»Wo ist er?«, fragte ich und die Sorge war nun deutlich herauszuhören. Ohne ein weiteres Wort erhob sich mein Vater, um zu dem Kollegen zu gehen, der Nico weggebracht hatte. Dieser schickte uns zum Büro des Captains und schnellen Schrittes machten wir uns auf den Weg.
Mein Vater klopfte noch höflich an die Tür, während ich sie schon längst eintreten wollte. Als er keine Antwort erhielt, versuchte er, die Tür zu öffnen, doch sie war verschlossen. Und das schien nicht normal zu sein.
»Das ist sehr komisch«, murmelte mein Vater leise, bevor er mit dem Ohr nah an die Tür kam und lauschte.
Ich wollte gerade fragen, ob er etwas hörte, als er plötzlich zwei Schritte zurücktrat und mit zwei kräftigen Tritten die Tür eintrat. Mit einem lauten Knall traf die Tür die Wand.
Was wir erblickten, ließ mich erstarren. Mein Vater jedoch zögerte keinen weiteren Moment, rannte hinüber zum Schreibtisch und zog seinen Chef gwaltsam von dem sich verzweifelt wehrenden Nico fort. Mit solch einem Schwung, dass die beiden sogar zu Boden gingen.
Kaum, dass Nico nicht mehr auf den Schreibtisch gepresst wurde, erhob er sich und zog sich eilig die Hose wieder über den Hintern. Ich sah Tränen in seinen Augen glitzern, als er seine Arme um den Oberkörper schlang und von den zwei Männern am Boden zurückwich. Sein Rücken traf die gegenüberliegende Wand und schon rutschte er daran herab.
Während mein Vater die Oberhand in dem kleinen Handgemenge bekam und seinen Captain erfolgreich auf dem Boden festhielt, überwand ich endlich meinen Schock und stürzte zu Nico hinüber, der wie fixiert den Captain anstarrte.
Er zuckte zusammen, als ich ihn berührte, doch ich zog ihn trotzdem fest an mich und nach einem Moment verließ ihn die Anspannung wieder und er sackte gegen mich. Beinahe grob vergrub er sein Gesicht an meiner Schulter und ich spürte seinen Körper heftig zittern in meinen Armen, weshalb ich ihn noch enger an mich zog.
Was zum Teufel war hier gerade passiert? Hatte der Captain, der Chef der Polizeiwache, wirklich gerade vorgehabt, Nico zu ... vergewaltigen?!
»Nico?«, ertönte die ruhige Stimme meines Vaters und ich schaute zu ihm hinüber. Er hatte ein Knie auf dem Rücken seines Captains, dessen Hände er bereits mit Handschellen gesichert hatte.
Nico schaute nicht auf, sondern drückte sein Gesicht noch mehr gegen mich.
Ich tauschte einen Blick mit meinem Vater, der nickte, bevor er aufstand, seinen schimpfenden Chef mit hochzog und den Raum verließ.
»Hey, ist gut, alles gut, ich bin hier«, murmelte ich beruhigend, während ich dem noch immer bebenden Nico über den Rücken strich. Ich hätte ihn nie allein gehen lassen. Ich hatte zwar keine Ahnung, was hier gerade geschehen war, aber das, was ich gesehen hatte, als mein Vater die Tür aufgetreten hatte ... nur ein paar Sekunden später und er hätte ...
Ich spürte Wur in mir aufkommen. Eine Wut, die ich so gar nicht kannte.
»Er ist ... er ist einer meiner ehemaligen Kunden«, murmelte Nico so leise in meine Schulter, dass ich die Worte nur mit Mühe verstand. Aber ich verstand. Und die Wut kochte gleich noch weiter hoch. Das konnte doch nicht wahr sein! Der Polizeichef der Stadt, ein Mann, der eigentlich gegen solche Ausbeutung vorgehen sollte, besucht einen solchen Club und vergreift sich an ... an Nico!?
»Deshalb hattest du solche Angst zur Polizei zu gehen«, erkannte ich. »Warum hast du mir das nicht gesagt?«
»Ich ... ich weiß es nicht. Ich wollte nicht mehr als nötig über das Ganze reden, damit du dich nicht doch noch umentscheidest. Und ich wollte nicht, dass dein Vater mich als Lügner abstempelt. Und ... und ich wusste nicht, dass er der Polizeichef ist. Ich dachte, er sei nur irgendein Polizist.«
Ich schloss die Augen und atmete tief durch, doch ließ Nico kein Stück los.
»Danke«, kam es dann mit dünner Stimme.
»Du musst dich nicht bedanken. Ich bin der Grund, warum du überhaupt hier bist.«
»Es ist nicht deine Schuld!«, protestierte Nico sofort und wollte sich schon von mir lösen, doch ich ließ ihn nicht.
»Nein, es ist ganz allein die Schuld dieses Arschlochs.«
Bevor Nico etwas erwidern konnte, betrat mein Vater wieder das Zimmer und kam auf uns zu.
»Geht es ihm gut?«, fragte er mich.
»Den Umständen entsprechend«, gab ich nur zurück.
Mein Vater nickte, bevor sein Blick zu Nico wanderte, der das Gesicht allerdings noch immer an meiner Schulter vergraben hat.
»Nico, kannst du mir sagen, was passiert ist?«
Als Nico nicht antwortete, sprang ich ein.
»Der Captain ist ein Clubbesucher. Einer von der schlimmsten Sorte.«
Mein Vater verstand sofort, was ich damit sagen wollte. Erneut wanderte sein Blick zu Nico, bevor er mit fester Stimme sagte: »Er wird dir nie wieder zu nah kommen, Nico, das versprech ich dir.«

Liebes Tagebuch ... (bxb)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt