~~ Dylan ~~

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Ich warf immer wieder einen ungeduldigen Blick auf die Uhr, darauf wartend, dass diese Vorlesung endlich ein Ende fand. Nicht, weil das Thema nicht interessant war, aber weil das gemeinsame Essen mit Nico und meinen Eltern bevorstand.
Obwohl ich durchaus etwas nervös war, war Nico noch viel nervöser als ich. Zumindest wenn ich mir seine Nachrichten so anschaute. Innerhalb der letzten Stunden hatte er mich gefragt, ob er etwas mitbringen sollte, was er mitbringen sollte, was er anziehen sollte, was er mit seinen Haaren machen sollte und so weiter und so fort.
Ich hatte ihm schon mehrfach geschrieben, dass er sich nicht so einen Kopf machen sollte, aber zu helfen schien es nicht.
Ein Leuchten an meinem Handy wies mich darauf hin, dass eine weitere Nachricht eingegangen war.
»Das ist mein erstes Mal!« Nico. Und nein, er sprach nicht über Sex, sondern darüber, dass er das erste Mal die Eltern kennenlernte. Nun, technisch gesehen, hatte er meine Eltern schon kennengelernt ...
»Und du wirst es super meistern!«, schrieb ich zurück, als der Dozent die Vorlesung endlich beendete.
Schnell packte ich meine Sachen zusammen, um mich eilig auf den Weg nach Hause zu machen, denn ich musste mich auch noch fertigmachen, bevor ich Nico abholen ging, damit wir gemeinsam zu meinen Eltern fahren konnten.
Gut eine Stunde später stand ich vor seiner Haustür und klingelte. Der Summer ertönte, ohne dass ich etwas sagen musste, und ich drückte die Tür auf.
»Hallo Paul!«, hörte ich Finn schon von oben rufen, als ich die Treppen hinauf zur Wohnung erklomm.
»Guten Abend, Spencer!«, grüßte ich zurück, als ich oben angekommen war und Finn lachte. Es war wirklich einfach, ihn glücklich zu machen.
»Nini versteckt sich im Bad und will nicht rauskommen«, verriet mir Finn leise und ich zog die Augenbrauen hoch.
»Wirklich?«, fragte ich genauso leise zurück, als ich die Wohnung betrat und die Tür hinter mir schloss. Finn nickte, während er sein Kichern hinter seinen Händen versteckte.
»Oh, Dylan, Gott sei Dank bist du hier. Vielleicht bekommst du ihn aus dem Bad.«
»Er hat sich wirklich im Bad eingeschlossen?«
»Schon eine Stunde«, flüsterte sie mir zu, bevor sie mit Finn in der Küche verschwand.
Ich ging zum Bad hinüber und klopfte. »Hey, du wirst ja wohl keine kalten Füße bekommen, oder?«, fragte ich durch die Tür.
Die Tür öffnete sich und mir stand ein verzweifelt dreinschauender Nico gegenüber. Mit verstrubbeltem Haar und nacktem Oberkörper.
»Du siehst aus, als wärst du gerade aufgestanden.«
Das war wohl das Falsche, was ich hätte sagen können, denn mit einem Seufzen schlug er die Hände vors Gesicht.
»Wir müssen das Essen verschieben!«, meinte er, als er sich umdrehte, zurück zum Waschbecken ging und sich kritisch im Spiegel betrachtete.
»Hey, so schlimm ist es auch nicht«, meinte ich, schloss die Tür hinter mir und stellte mich hinter ihn. »Ich meine, ich finde es unsagbar sexy.« Mit einem Grinsen schlang ich meine Arme um seine Hüfte und legte meinen Kopf auf seiner Schulter ab. Er erwiderte meinen Blick im Spiegel.
»Ich versuche, seit einer halben Stunde meine Haare ordentlich zu bekommen, aber sie wollen einfach nicht. Und ich hab keine guten Sachen. Mein einziges Hemd habe ich vor Jahren mal gekauft und das passt mir nicht mehr«, jammerte er verzweifelt.
»Hey, ganz ruhig. Du machst dir viel zu viele Sorgen und Gedanken.«
»Aber es sind deine Eltern! Ich will einen guten Eindruck machen. Vor allem nach unserem ersten Treffen.«
»Du hast am Sonntag keinen schlechten Eindruck gemacht, sonst wäre meine Mom nicht so aufgeregt, dich näher kennenzulernen.«
Das schien auch nicht wirklich zu helfen, denn er warf verzweifelt den Kopf in den Nacken.
Ich lachte leise. »Babe, schau in den Spiegel.«
Er folgte meiner Aufforderung und erwiderte meinen Blick.
»Schau dir diesen tollen Typen da im Spiegel an. Diese unglaublich niedlich verstrubbelten Haare. Diese tollen Augen. Aber vor allem dieser unglaublich sexy Oberkörper!«
Ein Grinsen breitete sich auf seinen Lippen aus. »Redest du von dir?«
»Natürlich, von wem sonst?«, gab ich frech zurück, doch drehte ihn dann zu mir herum, um ihm in die Augen zu schauen.»Du bist perfekt so, wie du bist.«
»Ich bin alles andere als perfekt«, widersprach er sofort.
»Niemand ist perfekt.«
Er schwieg kurz, schien zu überlegen, bevor er zu schmunzeln begann. »Heißt das, ich soll so zum Essen zu deinen Eltern gehen?«
»Ich hätte definitiv nichts dagegen«, murmelte ich gegen seine Lippen, bevor ich ihn küsste. Gott, wie ich es liebte, ihn zu küssen!
Der Kuss war länger als geplant, doch ich zog mich zurück, bevor es zu leidenschaftlich werden konnte. Wir mussten bald los, wenn wir nicht zu spät kommen wollten.
»Okay, bevor ich dir die Shorts von den Beinen reiße und dich unter die Dusche zerre, solltest du dich fertigmachen, damit wir loskönnen.
»Mhh, das andere klingt gar nicht so schlecht.«
»Schon klar, aber ich meine es ernst, wir müssen bald los.«
»Okay, aber vorher ...«, begann er.
»Ja?«
»Sag das nochmal«, sagte er leise und ich verstand sofort, was er meinte.
»Babe«, murmelte ich mit tiefer Stimme.
Er grinste und erneut trafen sich unsere Münder, doch ich beendete es schnell wieder.
»Hör auf, es herauszuzögern, und kümmere dich um dein Haar. Ich such dir was zum Anziehen raus, in Ordnung?«
»Danke.«
»Kein Problem. Nun, chop chop!«
Während Nico sich wieder zum Spiegel wandte, ging ich in sein Zimmer und suchte in seinem Kleiderschrank nach Sachen, die ich unbedingt an ihm sehen wollte. Ich fand eine schwarze Jeans, die ich wirklich gern an ihm sehen wollte und dazu ein dunkelblaues Shirt mit Henley Ausschnitt.
Als Nico daraufhin ins Zimmer kam, sah er nicht zufrieden aus, auch wenn seine Haare super aussahen.
»Sieht super aus!«
»Lügner.«
»Nein, ich meine es todernst und ich habe die perfekten Klamotten dazu gefunden.«
»Ich seh schon. Du hast die engste Hose herausgesucht, die ich besitze.«
»Ich freu mich schon darauf, deinen Arsch darin zu sehen.«
»Natürlich!«
Ich setzte mich aufs Bett und wartete darauf, ihn beim Umziehen zuzuschauen. Nico rollte nur mit den Augen, doch zögerte nicht, die Shorts auszuziehen und die Klamotten an, die ich ihm rausgesucht hatte.
»Wie erwartet – super Arsch!«
»Hast du nicht gesagt, dass wir losmüssen?«
»Bin gerade am Überlegen, ob ich nicht doch absage und dich ins Bett zerre«, gab ich ehrlich zu.
»Okay«, gab Nico nur zurück und hob sein Shirt.
»Nein, nein, nein, wir machen los. Das verschieben wir auf heute Abend!«
Ich sprang auf, nahm seine Hand und zog ihn aus seinem Zimmer, bevor ich dieser Sexidee tatsächlich nachgab.
Nachdem wir uns von seiner Mutter und Finn verabschiedet hatten, machten wir uns auf den Weg zur Bahn. Sobald wir saßen, fing sein Bein an, nervös auf und ab zu wippen. Ich legte meine Hand auf sein Knie, um es zu stoppen.
»Du brauchst wirklich nicht nervös sein.«
»Was wenn sie mich nicht mögen? Vor allem dein Vater. Was wenn er denkt, dass ich schuld bin, dass du ... na ja, dass du schwul bist.«
Ich starrte ihn einen Moment nur an, bevor ich das Lachen nicht mehr zurückhalten konnte.
»Das ...«, begann ich, doch wusste nicht wirklich, was ich überhaupt dazu sagen sollte. »Pass auf, hör ganz genau zu – sie werden dich nicht hassen, okay? Meine Mutter wird dich lieben und mein Vater ... na ja, mein Vater wird dich akzeptieren. Ich denke, Mom wird ihn schon den ganzen Tag immer wieder daran erinnert haben, sich zu benehmen.«
»Dein Vater macht mir Angst.«
»Nicht nur dir, aber du brauchst dir wirklich keine Sorgen machen. Und mach dir auch nicht zu viele Gedanken, wenn er nicht viel sagt, okay? Das ist einfach er.«
Nico atmete tief durch, bevor er nickte. »Okay.«
Als ich sah, wie er tief durchatmete, um zu versuchen, sich zu beruhigen, hätte ich ihn am liebsten in meine Arme gezogen und nie wieder losgelassen. Gott, ich liebte diesen Jungen! Und das würde ich ihm auch bald sagen. Sehr bald.

Liebes Tagebuch ... (bxb)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt