Der See

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Chris war erleichtert, als er endlich Licht durch die Bäume vor ihm schimmern sah und er atmete tief ein, als er allmählich weiches Gras, Nadeln und Laub unter seinen Schuhen spürte. Warum war der Boden in diesem dämlichen Wald so trocken und steinhart gewesen? Da lief man sich doch sämtliche Gelenke kaputt.
Die Sonne stand bereits im Westen, als sie neben der Hütte des Wildhüters Hagrid auskamen. Chris lehnte sich an die aus bemoosten Steinen bestehende Hüttenwand und wartete auf Ally, deren Schwester und Keira, die hinter ihm gewesen waren. Ally und Kat folgten ihm auf den Fuß. Beide hatten zerkratzte und teils blutige Hände und Gesichter, einen erschöpfen und resignierten Ausdruck in den Augen. Allys Locken standen zu allen Seiten ab, Kats Zopf hatte sich halb gelöst. Chris fuhr sich mit der Hand durchs Haar und sah mehrere Blättchen und kleine Äste herausrieseln. Glücklicherweise besaß Hogwarts schöne Duschen.
"Lasst uns hochgehen", meinte er achselzuckend und ging los, doch irgendwas stimmte nicht. Als er begriff, was es war, verharrte er in der Bewegung. Dann wirbelte er herum und fragte scharf: "Wo ist Keira?"

*

Die Stimme. Sie war hier, irgendwo hier ... im Nachhinein war es beachtenswert dämlich von ihr gewesen, den dunklen Wald ihrer Träume nicht mit dem Verbotenen Wald in Verbindung gebracht zu haben. Dennoch erklärte die Tatsache, dass sie den Ort gefunden hatte, nicht, warum sie überhaupt von ihm träumte. Keira hoffte, endlich eine Antwort darauf zu finden, während sie sich durch dornige Brombeerranken schlängelte. Nachdem sie den Pfad verlassen hatte, hatte sie ein bedenkliches Wispern in ihrem Hinterkopf an alle Gefahren erinnert, die immer noch im Wald lauerten. Allerdings überwog der Wunsch - fast schon Zwang - den Eigentümer der Stimme zu finden. Selbst wenn ich versucht hätte, sie zu ignorieren, würde ich trotzdem von ihr angezogen werden, dachte Keira, und diese Erkenntnis wirkte seltsamerweise nicht erschreckend oder beunruhigend, sondern wie eine simple Tatsache. Wenn sie die Stelle erreicht hätte, würde alles gut werden. Was aus den anderen geworden war, interessierte sie nicht. Alles, was zählte, war, die Stimme zu finden.

*

Allison wusste nicht, was sie tun sollten. Seit gefühlten Stunden standen sie jetzt stumm neben Hagrids Hütte und taten nichts, um Keira zu finden, aber was sollten sie machen? Wie Chris klargestellt hatte, nachdem sie Keiras Abwesenheit bemerkt hatten, war der Wald viel zu groß, um jemanden zu finden, der warum auch immer wohin auch immer verschwunden war. Mal ganz abgesehen von den Geschöpfen, die darin hausten. Allison hatte es niemandem gesagt, aber sie war der festen Überzeugung, dass sie nur durch Glück oder Schicksal heil wieder herausgekommen waren. Die Eier waren schrecklich gewesen, ja ... ihr schauderte, als sie darüber nachdachte. Wenn die anderen nicht gewesen wären, hätten sie sie getötet, da gab es keinen Zweifel. Aber letztendlich hatten sie ihnen entkommen können. Bei einer ausgewachsenen Chimära oder einem Rudel Werwölfe wäre das eher unwahrscheinlich gewesen. Warum sollte jemand freiwillig länger als nötig darin bleiben? Was sie wieder zum Ausgangsproblem führte, wie sie Keira zurückbringen konnten.
"Sollen wir nicht einfach Dumbledore alles erzählen? Besser nachsitzen als Keira im Wald lassen", schlug sie mehr aus Verzweiflung als aus echtem Glauben an die Idee vor.
Kat und Chris nickten gleichzeitig, beide kraftlos und mit den Gedanken woanders.
"Na dann, lasst uns ..."
"Was macht'n ihr hier draußen?"
Erschrocken drehten die drei sich um und sahen Hagrid vor sich aufragen, einen fragend dreinblickenden Hund an seiner Seite und einen toten Vogel in einer Hand baumelnd. Das freundliche Gesicht des Wildhüters war zu einem vorwurfsvollen Stirnrunzeln verzogen.
"Wart ihr etwa im Wald? Was hat euch bitt'schön auf die Idee gebracht?"
Chris hob in einer hilflosen Geste die Arme und stotterte: "Nein, nicht drin ... wir waren nicht ... nur davor, bisschen reingucken ..." Er verstummte und sah zu Allison, deren Kopf so leer war wie vorhin bei den Eiern. Kat wirkte auch nicht, als würde sie in Kürze etwas Geistreiches von sich geben, um ihre Anwesenheit zu rechtfertigen. Wenn keiner von ihnen etwas sagte, war es nur noch verdächtiger.
"Wir waren ein paar Meter drin, um unseren Kater zu suchen. Er ist verschwunden. Aber wir waren wirklich nur am Rand, nicht da, wo es wirklich gefährlich wird", versuchte es Allison mit einem aufgesetzten Lächeln. Besser eine halbe, glaubwürdige Lüge als eine ganze, offensichtliche.
Hagrids Brauen zogen sich zusammen wie Gewitterwolken vor dem Sturm.
"Der ganze Wald is' gefährlich. Dachte, das wär' klar. Habt ihr die geringste Ahnung, was euch da alles gern auffressen würde? Un' die lassen sich so ein Festmahl doch nicht entgehen, weil ihre Beute 'nur am Rand' rumläuft!", donnerte Hagrid. Dann würde seine Stimme sanfter.
"Aber wisst ihr was: da ihr alle noch an einem Stück seid, würd' ich sagen, hab' ich nix gesehen. Aber ich schwöre bei Merlins neonpinker Unterhose, wenn ich euch noch mal hier erwisch', seid ihr dran", drohte er.
Allison und die anderen senkten betreten die Köpfe. Immerhin kommen wir ohne Schaden aus diesem Mist raus, dachte sie. Hagrid setzte erneut zum Sprechen an.
"Was euren Kater angeht, kann sein, dass ich euch helfen kann. Kommt mit."
Damit ging er in Richtung Hütteneingang. Allison, Chris und Kat wechselten einen Blick, dann zuckte Kat mit den Schultern und sie beeilten sich, Hagrids Riesenschritten zu folgen.

Secrets of Hogwarts: Gesang des WassersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt