Häuser

23 3 3
                                    

Das mächtige Gebäude ragte immer weiter in die Höhe, je näher sie ihm kamen. Bald konnte Keira die zahllosen hell erleuchteten Fenster sehen, die die Boote und ihre Insassen wie Signalfeuer aufforderten, ihnen zu folgen. Die Zinnen, Erker und Türmchen hoben sich in bizarren Formen von den Mauern des Schlosses ab. Hogwarts bot in der klaren Nacht einen atemberaubenden Anblick. Irgendwann schwammen die Boote in eine zuvor von den Schatten versteckte Grotte direkt unter dem Schloss, sodass dieses nicht mehr zu sehen war. Im Dunkel der Höhle war nur das aufgeregte Atmen von Keiras Mitschülern und das leise Plätschern des Wassers zu hören, welches von Zeit zu Zeit von Fackeln in verschiedenste Rottöne getaucht wurde. Es roch modrig hier drin; Nach Fisch und Algen und dem Rauch der Fackeln, aber Keira gewöhnte sich schnell daran.
Neben sich hörte sie Chris undeutlich etwas murmeln. Sie neigte ihren Kopf.
"Hm? Was hast du gesagt?"
"Gleich kommen wir an einen unterirdischen Hafen. Von da aus führt ein ewig langer Tunnel zum Schloss und dann haben wir unsere Auswahl", flüsterte Chris zurück.
"Wo sind eigentlich die älteren Schüler?"
"Die kommen doch mit den Kutschen."
"Ich wusste gar nicht, dass wir anders als die anderen Jahrgänge zum Schloss kommmen!", wisperte Keira.
Soweit sie erkennen konnte - sie schauten beide noch geradeaus, gespannt, was hinter den nächsten Kurven liegen würde - runzelte Chris irritiert die Stirn.
"War aber immer schon so, glaube ich. Die Erstklässler werden mit den Booten gebracht und die anderen mit selbstfahrenden Kutschen. Haben deine Eltern dir das nicht erzählt? Oder sind sie Muggel?"
"Sie sind Zauberer, aber ... ich habe nicht allzu viel nach ihrer Schulzeit gefragt. Und sie haben von sich aus auch nichts erzählt. Nur ein bisschen vom Unterricht."
Pause.
"Na ja, ist eigentlich egal. Als Überraschung ist der erste Blick auf Hogwarts wahrscheinlich viel besser. Und es ist ja keine große Sache."
Keira war dankbar, dass er bei ihrer Familie nicht nachgehakt hatte. Sie wollte nicht mehr über sie erzählen als unbedingt nötig. Sie beschloss, Chris von diesem Thema abzulenken.

"Hast du eine Vermutung, in welches Haus du kommst?"
Glücklicherweise ging Chris sofort darauf ein.
"Meine Mutter war eine Gryffindor und mein Vater ein Hufflepuff. Ich dachte früher, das würde schon mal die Hälfte ausschließen, aber Lewis ist in Ravenclaw, also ist anscheinend alles möglich. Aber für die Gleichmäßigkeit des Ganzen habe ich die Vermutung aufgestellt, dass ich nach Slytherin komme. Und Estella - meine kleine Schwester - hat die Qual der Wahl, wenn sie dran ist."
"Ich habe auch keine Ahnung. Meine Eltern waren in verschiedenen Häusern, wie deine, aber das heißt ja offenbar nichts", antwortete Keira und sog, sich an etwas erinnernd, scharf die Luft ein.
"Im Zug habe ich diese Bonbons gekauft, die die Häuser symbolisieren. Aber ich konnte nur Gryffindor und Hufflepuff probieren. Dann ... bin ich eingeschlafen."
Keira erwähnte den Zwischenfall mit den beiden Dieben nicht. Es war besser, ihn einfach zu vergessen.
"Wow, du musst ja wirklich müde gewesen sein. Dass du eine solche Chance ungenutzt verstreichen lässt und mitten in der Untersuchung wegkippst", grinste Chris.
"Oh jaah ..."
"Schau!"
Chris deutete plötzlich begeistert nach vorn.
"Wir sind da!"

Die Boote legten an einer Art unterirdischem Kai an und die Insassen kletterten hinaus, manche freudig gespannt, andere waren nervös und stolperten hektisch über ihre eigenen Füße und es gab wiederum einige, die sich so entspannt und überheblich gaben, als würden sie diese Strecke jeden Tag zurücklegen. Keira und Chris gehörten zur ersten Gruppe, aber ausnahmslos alle wandten sich fragend an Hagrid, der sich jetzt aus seinem Boot hievte. Es hatte nur ihn getragen und sprang trotzdem wie ein Korken in die Höhe, nachdem er es verlassen hatte.
"So. Na, ihr habt wohl alle gemerkt, dass wir da sin'. Da vorn geht's hoch ins Schloss. Ich würde sagen, wenn alle einigermaß'n heil sin', können wir los."
Die Schar setzte sich in Bewegung, dem Riesen folgend, der einen Tunnel hinaufstieg, welcher ein flüsterndes Echo von den Schritten und dem Gewisper wiedergab, sodass es schien, als würden sich die früheren Schülergenerationen den Gesprächen der Anwesenden anschließen. Chris hatte Recht gehabt; Der Gang zog sich wirklich unendlich hin und Keira legte sich unter den tausenden Tonnen Gestein ein klaustrophobischer Druck auf die Brust. Bei Gringotts war das nicht so gewesen, in diesem riesigen Höhlenlabyrinth, wo sie eher das Gefühl gehabt hatte, unter der Erde zu schweben. In dieser engen Tunneltreppe, die Keira mit ihren Mitschülern allmählich erklomm, kam sie sich vor wie ein Maulwurf. Ohne Zweifel war der Weg aber sehr interessant. Keira fragte sich, wann der Tunnel gebaut worden war. Sicherlich war es auch für Zauberer eine Herausforderung gewesen, ihn in das Gestein zu schlagen?

Secrets of Hogwarts: Gesang des WassersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt