XIV | Roter Schnee

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Mit großen Augen starrte Seamus auf den Baum, in dessen Rinde immer noch die Krallen steckten. Mehr konnte er bislang nicht erkennen, da um den Baum herum viele Sträucher wuchsen, die nun völlig mit Schnee bedeckt waren, doch bei einer weiteren Bewegung konnte er zwischen dem ganzen Weiß auch etwas Dunkles erkennen - es bewegte sich und mittlerweile konnte er sich auch denken, um welche Kreatur es sich dabei handelte. 

Die Patrouille hatte ihre volle Aufmerksamkeit dem Wesen hinter den Sträuchern zugewandt, sodass sie zunächst nicht bemerkten, dass von der linken Seite nun die gleichen Geräusche kamen. Seamus trat mit erhobenem Zauberstab noch einen Schritt näher an Dean heran. Dessen Gesicht war auch unverkennbar anzusehen, dass er erschrocken war, doch sie blieben möglichst ruhig, wobei es nun schwierig einzuschätzen war, wie sie am besten vorgehen sollten. 

Die beiden Lehrer stellten sich vor die Jungen. Sie rechneten damit, dass der Werwolf nach seiner Ankündigung gleich aus seinem Versteck springen würde. Professor Slughorn wollte noch etwas sagen, als sich der dunkle Körper durch die Sträucher schlich. Wenige Sekunden später sahen sie den Werwolf genau vor sich. Es war für sie alle seltsam, diesem nicht erst bei Einbruch der Dunkelheit zu begegnen, doch die genaue Zeit spielte für diese Kreatur jetzt wohl keine Rolle. Tief im Verbotenen Wald schien sich der Werwolf sicher zu fühlen.

Gerade als alle Augen auf den Werwolf gerichtet waren, war ein erschrockener Schrei zu hören. Dean hatte nur noch einen Windzug gespürt und etwas Dunkles in die Luft springen gesehen. Ein Werwolf hatte sich auf Professor Vektor geworfen und drückte sie sogleich zu Boden. Die Anderen sprangen zur Seite und erkannten gleich, dass es sich dabei um einen anderen Werwolf handelte, der von der Seite gekommen war. 

Professor Slughorn war der Erste, der sich in dieser Situation fasste. Er richtete seinen Zauberstab auf den Werwolf, der seine Kollegin zu Boden drückte. Verletzt schien er sie aber noch nicht zu haben, doch bei dem Vorhaben des Professors könnte sich das schnell ändern. 

In seinen Gedanken suchte er schnell nach dem richtigen Zauber, mit dem Professor Vektor unbeschadet bleiben würde, doch er musste sich beeilen, immerhin stand ein weiterer Werwolf immer noch vor dem zerkratzten Baum und hatte sich mittlerweile bedrohlich aufgerichtet.

Die beiden Gryffindors erkannten, dass sie sich um diesen Werwolf kümmern mussten, während ihr Lehrer seine Kollegin zu retten versuchte. Professor Slughorn zögerte nicht länger und feuerte einen Schockzauber auf die Kreatur ab, dessen Klaue auf dem Oberkörper seiner Kollegin lag und die Krallen sich jeden Moment in ihre Haut hätten rammen können. Mit einem erstickten Jaulen wurde der Werwolf nach hinten geschleudert, wobei im selben Moment ein weiter Aufschrei von Professor Vektor die Lichtung erfüllte. 

Professor Slughorn hatte sie zwar vor dem Werwolf gerettet, doch als diesen die Wucht des Schockzaubers getroffen hatte, hatte er die Krallen noch über ihren Oberkörper gezogen. Slughorn war nun sofort an ihrer Seite.

Während sich der Werwolf noch aufrappeln musste, ging der andere - der Dean und Seamus im Visier hatte - in Angriffsstellung über. Die beiden konnten sich auf die Schnelle gar nicht darüber erkundigen, wie es ihrer Lehrerin ging. 

Seamus hatte den Mund gleich geöffnet und mit einer schnellen Handbewegung mit dem Zauberstab rief er: "Stupor!" Der rote Lichtblitz traf den zweiten Werwolf und schleuderte diesen ein paar Meter nach hinten, direkt gegen den Baum. Der Schüler atmete tief aus. "Zum Glück können die keine Zauber parieren", bemerkte er, blieb aber weiterhin konzentriert. Als er sich aber kurz zu Dean drehen wollte, war dieser nicht mehr in seiner Nähe. 

Während sich Slughorn noch um Professor Vektor kümmerte, wollte sich Dean den anderen Werwolf vornehmen, um die Anderen zu beschützen. Mit weiteren Schockzaubern hielt er die Kreatur von den Lehrern und sich selber fern, doch das war keine Dauerlösung, zumindest nicht, solange der Werwolf noch bei Bewusstsein war. Seamus und er mussten es nun erst mal alleine mit den beiden Werwölfen aufnehmen. Dean wollte schon eine weitere Attacke starten, als plötzlich ein dumpfes aber auch krachendes Geräusch zu hören war. Davon wollte er sich eigentlich nicht ablenken lassen, doch der darauffolgende Aufschrei ließ ihn erstarren und das Blut in seinen Adern gefrieren. 

Ohne gerade richtig nachzudenken, da das im Moment so gut wie gar nicht möglich war, feuerte er einfach einen weiteren Zauber auf den Werwolf gegenüber ab, woraufhin er sich aber gleich umdrehte. Professor Slughorn war auch wieder auf den Beinen, doch Deans Aufmerksamkeit galt jetzt einzig seinem besten Freund und mit Schrecken stellte er fest, dass dessen letzter Angriff daneben gegangen war und nur den Baum hinter dem Feind getroffen hatte. Der Werwolf musste im letzten Moment ausgewichen sein und dieser hatte sich als Konter auf Seamus geworfen.  

"Nein!" Vollkommen aufgewühlt vor Sorge rannte Dean einfach auf sie zu und ignorierte dabei die Rufe seines Lehrers. Slughorn presste die Lippen zusammen. Er müsste den beiden unbedingt helfen, doch nun musste er auch wieder den zweiten Werwolf in Schach halten, solange, bis Professor Vektor nach dem Angriff selber wieder in der Lage wäre, zu kämpfen.

In Dean sammelten sich in sekundenschnelle die Angst und das Adrenalin, sodass er sich, um Seamus zu retten, einfach mit voller Wucht gegen den Werwolf warf, um diesen von Seamus runter zu stoßen. In dieser Sekunde dachte er nicht weiter darüber nach. Für ihn galt es jetzt nur, seinen besten Freund zu retten. 

Durch die Wucht landeten sowohl der Werwolf als auch Dean im Schnee, woraufhin sich Seamus mit erschrockenem Gesicht gleich aufzurappeln versuchte. Währenddessen setzte Professor Slughorn alles daran, den anderen Werwolf außer Gefecht zu setzen. Es war eine Notlage und in der müsste er schnell aber auch mit Verstand handeln. 

Die Zauberer waren nun aber nicht die Einzigen, die Ernst machten; der Kampf hatte die Werwölfe mittlerweile auch in Ekstase versetzt und die Schockzauber hatten sie zusätzlich wütend gemacht. Selbst an diesem Dezembernachmittag war der Mond am Himmel bereits zu erkennen.

Nachdem sich Seamus ganz aufgerichtet hatte, richtete er den Zauberstab auf den Werwolf, der nun ebenfalls wieder auf den Beinen war. Eigentlich hatte Seamus vorgehabt, zu Dean zu laufen und ihm zu helfen, doch hätte er das nun getan, würde sich der Werwolf auf sie beide stürzen können. Die dicke Winterkleidung machte ihnen allen das Kämpfen auch nicht leichter. Sie waren hier richtig in die Enge getrieben worden. 

Seamus war erpicht darauf, das feindliche Wesen zu besiegen, um Dean und sich selbst zu retten, doch dafür müsste er etwas anderes versuchen. Er feuerte einen Angriffszauber ab, doch zu seiner Verwunderung konnte der Werwolf diesen fast ohne Probleme abblocken. 

"Jungs!" Seamus nahm den Ruf Professor Slughorns sofort wahr, doch er musste nun genauso wie Dean darauf achten, einem Gegenangriff zu entkommen. Der Werwolf fletschte die Zähne und Seamus verspannte sich bei dem Anblick der vor Tobsucht verschleierten Augen merklich. Mit dieser fehlgeschlagenen Attacke hatte er diesen vollkommen wütend gemacht. Der Gryffindor rechnete schon mit dem Schlimmsten und wollte sich schützend vor seinen besten Freund stellen, als der Werwolf eine Klaue aggressiv erhob. 

Der Werwolf machte eine schnelle Bewegung und traf Seamus mit den Krallen an der Schulter und durch die Kraft in seiner Klaue, landete der Schüler unsanft auf dem schneebedeckten Waldboden. Neben ihm färbten Blutspritzer den Schnee rot. 

Dean schaute mit gerunzelter Stirn zu Seamus, doch durch seine psychische Attacke auf den Werwolf und den Sturz konnte er seinen Zauberstab im Schnee nicht finden. Er hatte Seamus nicht vor dem Angriff bewahren können. Für einen Moment erschien ihm die Situation aussichtslos und er bekam Angst. Sollte es aber wirklich nicht mehr anders gehen, würde jemand von ihnen auf einen unverzeihlichen Fluch zurückgreifen müssen. Gerade erlebten sie selbst, wie groß die Gefahr durch die Werwölfe in der Umgebung tatsächlich war, und in der Zwischenzeit saßen in Hogwarts bestimmt mehrere Schüler zusammen und unterhielten sich darüber, dass das alles nur halb so schlimm wäre.

Seamus verzog vor Schmerz das Gesicht und drehte den Kopf zu den Lehrern. Allerdings konnte er nur Professor Slughorn dort stehen sehen. Anscheinend machte ihre Wunde Professor Vektor doch ziemlich zu schaffen, das war gar nicht gut. Der Schüler warf einen schnellen Blick auf seine verletzte, blutende Schulter, woraufhin er gleich wieder aufstehen wollte, was aber nicht leicht war. Dean war im Moment unbewaffnet und er müsste ihm helfen. Wenig später stand er wieder aufrecht, doch ganz sicher auf den Beinen war er nicht. 

Schwer atmend hob er erneut seinen Zauberstab, doch gleichzeitig wurde ihm schwindlig, was dazu führte, dass er den nächsten Angriff des Werwolfes nicht kommen sah.



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