Anschuldigungen

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Sie arbeiteten einen ganzen Monat an der Mauer.
Für die anderen war die Arbeit eintönig. Doch für Cassy war es tägliche Höchstleistung.
Diese war zwar von Tag zu Tag besser auszuhalten, strengte sie dennoch häufig viel zu sehr an.
Nicht selten war sie nur wenige Stunden einsetzbar.
Jedoch war sie froh über den Fakt, nicht noch einmal derart überwältigt und bewusstlos zu werden
Die Titanen waren unterschiedlicher, als sie es sich hatte eingestehen wollen. Zu vielen bekam sie erst gar keinen Draht. Sie reagierten schlicht einfach nicht. Das kam bei Abnormen wie bei normalen Titanen vor.
Doch es gab auch jene, die sichtlich veränderten.
Diese Titanen reagierten völlig unterschiedlich. Manche wurden ruhig und interessierten sich für ihre Umgebung. Andere packte Trauer und wieder andere zeigten echte Neugier an den Menschen. Es war niemals vorher zu sehen, was tatsächlich passieren würde.
Cassy war sich zwar jedes mal sicher, dass sie keine grosse Gefahr mehr dar stellten, aber dennoch blieb sie vorsichtig.
Sie hatte nach einem Gespräch mit Levi Rücksicht genommen. Egal wie sicher sie sich war. Sie war stets abgesichert und betrat niemals den Boden.

Für Levi war es genauso belastend. Von Anfang bis zum Ende ihrer Tests, war er hoch konzentriert. Er konnte nicht spüren was sie spürte, aber er lernte sie zu lesen.
Ihre Anspannung war deutlich sichtbar, wenn sie die Situation nicht unter Kontrolle hatte.
Gleichwohl entspannt war sie, wenn sie sich sicher war, dass nichts passierte.

Cassandra, konnte zwar beweisen, dass Titanen rein von ihren Emotionen gesteuert wurden. Aber sie fragte sich, wie sie diese Information für sich verwenden sollten.
Reden und der Nachweis nach einer sichtbaren Intelligenz war weiterhin nicht möglich.
Ihr Einfluss auf sie, war auch äusserst gering. Den grössten Vorteil sah sie darin, dass sie ein eingebautes Radar hatte. Damit war es Titanen kaum möglich sich vor ihr zu verstecken.
Das währe für zukünftige Expeditionen äussert wertvoll.
Hanji wollte alles über die Gefühle erfahren, die sie spürte. Egal wie klein die Informationen auch waren. Sie war stets begeistert.

"Verdammt!" fluchte Cassy. "Ausgerechnet beim letzten."
Der letzte Titan. Ein Abnormer der 7 Meter klasse, hatte gute Anzeichen für eine Zusammenarbeit gemacht. Doch Cassy konnte nicht sagen woran es lag.
Plötzlich schoss er, ohne Vorwarnung in die Luft. Sie entging nur knapp seinen Griff und schlitterte unangenehm an der Mauer entlang.
Blut zeichnete die Kurve nach, in der sie ausgewichen war.
Sie sprang ein paar Meter höher und ankerte sich fest ehe sie ihren Ärmel begutachtete. Es war nichts wirklich schlimmes. Lediglich eine grosse tiefe Schürfwunde die ihren äusseren Unterarm zierte.
Sie blickte hoch und schüttelte den Kopf. Das Zeichen, das sie den Test abbrach.
Schmerzhaft zischte sie, als sie mit ihrer Hand vorsichtig ihre Schürfwunde abtastete.
Verdammt, war das warm durch die Reibung an der Mauer.
Sie schüttelte dem Arm und machte sich auf den Weg die Mauer hinauf.
"Alles in Ordnung?" fragte Petra und begutachtete Cassy von oben bis unten. Sie nickte nur als Antwort und schüttelte nochmals ihren Arm.

Cassy verarztete sich oberflächlich in der kleinen Burg an der Mauer. Dann brach sie mit den anderen zurück nach Rast auf. Ihre Aufgabe an der Mauer war erfüllt.
Hanji war etwas traurig, dass kein Titan für ihre Forschungen übrig geblieben war. Doch fürs erste begnügte sie sich mit Cassandras Forschungen.
Die Informationen waren weiterhin spärlich, aber sie schaffte es stehts aus den kleinsten Informationen, ein 2 Stunden Referat zu halten.
Es war später Abend, als der Trupp Rast erreicht hatte. Petra übernahm Cassys Aufgaben im Stall, damit sie sich ausruhen konnte.
Cassy seufzte frustriert, als sie ihren Arm begutachtete.
Sie lies den Verband zur Nacht geschlossen um nicht das Bett einzusauen.
Morgen würde frische Luft die wunde verschliessen.
"Ist es schlimm?" fragte Levi und strich vorsichtig über Cassys Arm. An der Mauer hatte es jedenfalls eine ordentliche Spur hinterlassen.
"Das wird schon wieder." antwortete sie, während sie sich an ihn kuschelte.
Cassandra sah müde aus. Nahe der Mauer hatte sie ständig die Präsenz der Titanen wahr genommen. Schlafen, war nur schwer für sie möglich gewesen. Auch wenn ihr Echo nachts deutlich schwächer war.
Auch die Tatsache sich hinter der Mauer zu befinden änderte nichts daran, dass sie sich wie auf der Expedition fühlte.
Die ständigen Gefühlsschwankungen, taten ihr übriges. Nun schlief sie bereits nach wenigen Sekunden tief und fest.

Levi entschied sich, sie am Morgen schlafen zu lassen. Ohnehin gab es heute nichts zu tun.
Selten hatten sie solch lange Missionen. Darauf folgten immer mehrere freie Tage.
Er würde lediglich Stunden mit Hanji, Mike, Fragon und Erwin zusammen sitzen um über die Ergebnisse zu grübeln.
Sicherlich war es von Vorteil Cass dabei zu haben. Aber sie konnte auch später dazu stossen.
Jedem musste in den letzten Wochen aufgefallen sein, wie sie von Tag zu Tag abgebaut hatte.
Sie konnten die Belastung, die sie durchmachte nicht spüren aber an ihrem Körper durchaus sehen. Er mehr als jeder andere.
Ihre Unruhe hatte auch ihn wieder in alte Muster geworfen. Den Hauptteil der Nacht war er wach gewesen und hatte sich um sie gesorgt.
Nicht selten war sie in den Wochen aus dem Schlaf geschreckt und brauchte Stunden um sich zu beruhigen. Immer wieder sprach sie sogar von Dingen, die keinen Sinn ergaben. Von Orten, Menschen und Namen die er nicht kannte. Nur um sie kurz darauf wieder zu vergessen.

Es war schon Mittag, als Cassy endlich wach wurde. Müde streckte sie sich und eilte fast aus dem Bett, als sie sah wie spät es war.
Vorsichtig tastete sie ihren Verband ab. Die Wunde würde Luft brauchen um Schorf zu bilden.
Sie lies sich Zeit damit ihn abzuwickeln um vorbereitet zu sein, falls sich der Stoff in die Wunde gefressen hatte.
Sie war bereits halb fertig als sie verdutzt inne hielt. Mit einem Ruck riss sie den restlichen Verband von ihrem Arm.
Der Stoff war Blutdurchtränkt und ihre Haut Blutverschmiert. Doch unter dem Blut gab es keine Wunde mehr. Cassandra sah wie gebannt auf ihren Arm. Sie lief zum Waschbecken und schrubbte mit Kraft und Wasser über ihren Unterarm. Unter dem getrockneten Blut kam eine saubere, heile Haut zum Vorschein.
Unnötigerweise kontrollierte sie ihren anderen Arm. Nur um fest zustellen, dass dieser natürlich in Ordnung war.
Verwirrt setzte sie sich zurück aufs Bett. Wie konnte das sein?
Sie hatte diese Fähigkeit nicht. Auch ihre Mutter hatte immer ausgeschlossen, dass sie wie Sina sein könnte, wenn sie eifersüchtig auf sie war.
In Cassys Kopf ratterte es. Gab es nur eine Möglichkeit? Aber auch das, war mehr als unwahrscheinlich. Es gab gute Hilfsmittel um genau so etwas zu vermeiden.
Sie hielt sich eine Hand vor den Mund und hielt die Luft an.
Hoffend, dass der Druck den sie künstlich auf ihrer Brust erzeugte, das aufkeimende Gefühl von Panik unterdrückte.

Mehr Halbherzig wusch sie sich und zog sie sich ihre Uniform an. Ihr Haar war ihr gänzlich egal. Dann lief durch die Gänge nach draussen. Sie überlegte einen Moment, aufs Dach zu gehen. Doch die Sonne war derart stark, dass sie es dort nicht lange aushalten würde.
Stattdessen lief sie zum Stall, Richtung Heulager.
Helleyn arbeitete draussen auf dem Hof. Doch Cassy nahm ihren süffisanten Ausdruck nur vage wahr. Im Heulager musste sie nur kurz suchen um zu finden, was sie erhofft hatte. Beiläufig griff sie nach dem kleinen Messer, das im Holz steckte.
Abwesend, setzte sie sich auf einen Ballen und hob das Messer über ihre Handfläche.
Einen Moment zögerte sie.
Dann setzte sie nur einen kleinen flachen Schnitt und starrte stumm auf ihre Handfläche.
Als bräuchte sie einen Beweis, dass sie nicht verrückt war.
Augenblick quoll Blut unter ihrer Haut hervor.

Den ausbrechenden Tumult auf dem Platz ignoriere sie. Sie war gänzlich im Gedanken auf ihre Hand fixiert. Eigentlich wusste sie, was passieren musste. Aber glauben konnte sie es dennoch nicht.
"Cassandra Baumann!" rief es von der Scheunentür und Cassy blickte mit Verzögerung auf.
In dem Tor standen 2 Soldaten der Militärpolizei.
Eilig traten sie auf sie zu und legten ihr Handschellen an. "Du bist festgenommen!" sagte einer von ihnen arrogant zur ihr hinunter, während er ihr das Messer weg nahm.
Cassandra war noch immer wie betäubt. Sie war kaum in der Lage aufzunehmen, was hier gerade passierte.
Stumm und ohne Gegenwehr, lies sie sich von den 2 Soldaten in die geschlossene Kutsche auf dem Platz führen.
Sie fühlte sich immer noch wie benebelt. Als hätte sie einen Schlag auf den Kopf bekommen, der es ihr unmöglich machte klar zu denken.
Als die Kutsche ein weiteres Mal geöffnet wurde starrte sie immer noch auf ihre Handfläche.
Sie wischte das Blut mit ihrem Daumen beiseite und schloss die Augen.

Levi musste sich zusammen reissen. Erwin war der Grund, wieso er sich das hier, bis jetzt gefallen lies. Die 2 Soldaten führten ihn hinunter auf den Platz, als er ihn hinter sich mit einem dritten sprechen hörte. Dieser hatte Erwin Dokumente des Sachverhaltes überreicht.
Erwin führte Stichpunktartig die Anklagepunkte auf: "Behinderung der Justiz, Unterstützung einer Straftäterin, Beihilfe zur Flucht einer Etherischen vor dem Gesetz.
Ich verstehe."
sagte Erwin nur. "Sie werden sicher verstehen, dass wir dem selber ebenfalls nachgehen werden."
Levi wusste, wer auf ihn in der Kutsche warten würde. Doch sie zu sehen machte es dennoch nicht besser. Zu seiner Überraschung sah sie völlig teilnahmslos aus. Sie bekam nicht mal mit, dass er in die Kutsche einstieg.
Stattdessen strich sie gedankenversunken mit ihrem Daumen über ihre Handfläche.
Er wartete, bis die Kutsche ins rollen kam, ehe er sie ansprach.

"Cass? Alles okay?" seine Stimme war hart. Er fragte sich worauf das hier hinaus laufen würde. Sie konnten niemals beweisen, dass Cass tatsächlich über Fähigkeiten verfügte. Sie musste sich nur entscheiden sie nicht ein zusetzten und die ganze Anklage war haltlos.
Das hier war etwas rein formelles. Morgen währen sie schon auf dem Rückweg.
Er überdachte die Anklage, die Erwin vorgelesen hatte. Straftäterin dachte er.
Sie hatte 2 Männer in der Unterstadt getötet. Aber das konnte es nicht sein. Niemand interessierte sich für die Unterstadt. Er selbst, war ja auch nicht unbeteiligt gewesen.
Levi folgte ihrem Blick auf ihre Hand und sah das schwache Blut, dass sie verstrichen hatte.
Er wunderte sich noch, wo es hergekommen sein musste, als sie langsam den Kopf hob.
"Nein." flüsterte sie. "Ausgerechnet jetzt." Ihr Gesicht zeigte keine Regung und ihre Stimme war fast tonlos. Doch er kannte sie mittlerweile sehr gut. Darum entging ihm die Trauer in ihrem Unterton nicht.
Levi verstand ihre Worte nicht. Was machte diesen Zeitpunkt anders, als jeden anderen.
"Du musst alles abstreiten." sagte sie schwach. "Du musst mich gehen lassen, wenn es soweit ist." Levi war verwirrt. Natürlich würde er alles abstreiten. Er würde sie doch niemals offen ans Messer liefern.
"Was redest du da?" fragte er verwirrt.
Cassys Blick wurde flehend: "Bitte! Versprich es mir!"
Levi wurde wütend. Wie konnte sie so einfach aufgeben. Das sah ihr nicht ähnlich: "Hör auf!"
zischte er ihr ins Gesicht.
Ein glasiger Film bildete sich in Cassys Augen, als sie energisch ihren Arm frei machte. Sie hielt ihm beide freie Unterarme entgegen.
"Die Situation ist eine andere..." sie blinzelte ihre Tränen weg und wartete auf eine Regung.

Levi war sichtig verwirrt. Er hatte gesehen, wie sie sich verletzt hatte. Das Blut an der Mauer. Er selbst hatte ihre Verletzung nur beiläufig gesehen. Aber es gab keinen Zweifel, das sie da gewesen war.
Er hatte eine Hand gehoben und über ihre freie Arme gestrichen. Als müsste er sich überzeugen, dass seine Augen funktionierten.
"Wie?" Jetzt klang er tonlos. Er hatte ihre Verletzungen nach der Expedition gesehen. Ihre blauen Flecken, die Wochen gebraucht hatten um gänzlich zu verschwinden.
Ihr Schusswunde und die zahlreichen Narben auf ihrem Unterarm... Beide zeigten doch mehr als deutlich, dass sie dazu nicht fähig war.
Was hatte sich also geändert. Er überlegte ob ihr intensiver Umgang mit den Titanen einen Einfluss auf sie gehabt haben könnte.
Vielleicht würde dieser, dann mit der Zeit wieder nachlassen. Das war eine sehr schwache Hoffnung. Das musste er zugeben.
Doch egal wie sehr er darüber grübelte. Er wusste das er die kleine Stimme im Hinterkopf, die noch eine andere Erklärung hierfür hatte nicht ewig ignorieren konnte.

Beide wagten es kaum während der Fahrt weiter zu sprechen. Alles was Levi tun konnte, war sich zu ihr zu setzten und sie in den Arm zu nehmen.
Er verstand jetzt ihre Verzweiflung. Wenn ihnen nichts einfiel, war sie geliefert.
Aber was bedeutete das für ihn.
Würde er ihr den Wunsch erfüllen und sie alleine gehen lassen?
Dann könnte er sie wenigstens suchen und da raus holen. Wo auch immer das war.
Entschied er sich zu ihr zu stehen, würden sie ihn einkerkern. Er könnte ihr dann auch nicht mehr helfen. Alles was er ihr damit geben konnte, war die Gewissheit, dass sie ihm wichtiger als seine eigene Freiheit.
Eventuell würde ihr das die Stärke geben um durchhalten zu können, bei was auch immer sie erwartete.


Weil du es verdient hast Staffel 0 // A Levi Love StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt