Kapitel 19

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Sauer, gleichzeitig immer noch schockiert und traurig, über das, was heute vorgefallen war, kam Leyla zuhause an und schloss leise, in Gedanken versunken, die Türe auf. Nachdem sie diese wieder geschlossen hatte, zog sie ihre Jacke und Schuhe aus. Leicht zitternd fuhr sie schließlich über ihre Bluse, worunter sich die Kratzspuren befanden, welche Dr. Heiland auf ihrer Haut hinterlassen hatte. Auch wenn sie noch nicht ganz realisieren konnte, was heute eigentlich passiert war, wusste sie eins, dass sie die nächsten Tage erstmal nicht zur Arbeit gehen konnte. Die Angst Dr. Heiland könnte ihr in der Klink irgendwo auflauern, ließ sie sofort erschaudern. Vorsichtig sah sie nun in den Flurspiegel und erschrak, als sie ihren Gesichtsausdruck erkannte. In diesem spiegelte sich nur Traurigkeit, Frust, aber in erster Linie Angst wieder. Gar nicht so wie sonst, da sie normalerweise die pure Fröhlichkeit ausstrahlte und ihrem Spitznamen "Frau Dr. Sonnenschein" alle Ehre machte. Doch davon war nun nichts mehr zu erkennen. Wer wusste schon, ob die alte Leyla überhaupt wieder zurückkehren würde. Momentan konnte sie nur an diese letzten Stunden denken und das machte ihr nur noch größere Sorgen. Würde sie jemals wieder so lachen und Freude ausstrahlen können, wie früher? Und noch viel wichtiger, würde sie jemals wieder so viel Vertrauen in andere Menschen stecken können? Und was war mit Ben? All diese Fragen, die ihr, neben dem was sie so schon zu verarbeiten hatte, im Kopf herumspukten.
Ben, der gehört hatte, dass seine Frau wieder zuhause war, kam nun zu ihr in den Flur.
Leyla bemerkte ihn erst gar nicht, sondern starrte einfach nur das, für sie, ungewohnte Spiegelbild an.
"Leyla?", fragte Ben nun, um auf sich aufmerksam zu machen.
Erschrocken drehte sich Leyla zu ihm um und atmete kurz schwer auf:"Was.....oh....du...."
"Wen hast du sonst erwartet?", fragte er sehr trocken und verschränkte seine Arme,"Matteo vielleicht?"
"Was? Nein.....Ben, was soll das?", fragte sie und ihr Gesicht, welches gerade noch Angst ausgestrahlt hatte, war nun wieder von Ernsthaftigkeit gezeichnet.
"Was das soll?!", fragte er laut und kam ihr einen Schritt näher.
Überrascht wich sie einen Schritt zurück und fühlte sich wieder an den Vormittag zurück erinnert.
"Hast du jetzt Angst vor mir? Ich schlage dich nicht....keine Sorge. Auch wenn du mich betrogen hast, bin ich nicht mein Vater!", meinte er kurz etwas ruhiger, sah sie jedoch immer noch verletzt an.
"Ich habe dich nicht betrogen!", meinte sie sofort lauter und sah ihn sauer an,"Wie kannst du es wagen mir so etwas zu unterstellen?!"
Kurz entwich Ben ein ironisches Lachen:"Wirklich jetzt? Wie ich es wagen kann? Leyla, verarsch mich nicht!"
Nun war Leyla diejenige, die ihm näher kam, doch nur, um ihm ihren Finger auf den Brustkorb zu drücken:"Ich habe dich nie verarscht! Aber ich komme mir langsam verarscht vor, wegen der Show, die du hier abziehst, Mr. Perfect!"
"Show?! Mr. Perfect? Echt jetzt?", fragte Ben sauer und sah ihr fest in die Augen.
"Ja, echt jetzt!! Für dich muss doch immer alles perfekt sein! Schwäche zeigen ist doch für Herrn Ahlbeck keine Option!", zischte sie sauer.
"Ach ja?! Na wenn du mich so ätzend findest, wieso hast du mich dann überhaupt geheiratet?", stellte er ihr nur verletzt die Frage.
Schockiert sah Leyla ihn an und schluckte ihre aufkommenden Tränen hinunter:"Das fragst du jetzt nicht wirklich, oder?! Wie kannst du so etwas fragen? Ich liebe dich!"
"Achja? Hat dich aber nicht daran gehindert, mich zu hintergehen!", zischte er enttäuscht und schluckte seine Tränen ebenfalls hinunter, er musste jetzt standhaft bleiben, diese Blöße würde er sich jetzt nicht auch noch geben.
Sie schüttelte nur den Kopf:"Nie hörst du mir zu!"
"Was soll das jetzt wieder bedeuten?", fragte er laut und zog eine Augenbraue hoch.
"Was das bedeuten soll?! Du bist so ein Vollidiot!", schrie sie ihn nun an und konnte sich nun nicht mehr zurückhalten, sodass sie ihren Tränen freien Lauf ließ.
"Ich ein Vollidiot? Wer hat mich denn betrogen?!", schrie Ben nun zurück und auch ihm liefen nun die ersten Tränen über die Wangen.
"Zum 100 mal, ich habe dich nicht betrogen!", meinte sie ernst und strich sich vorsichtig über die nassen Wangen.
"Ach nicht? Was war das denn dann heute Nachmittag? Mit Matteo!", fragte er nach und verschränkte erneut seine Arme.
"Das muss ich mir jetzt nicht geben!", meinte sie nur ernst und ging ohne ein weiteres Wort ins Wohnzimmer.
Sprachlos sah Ben ihr hinterher und wischte sich über die tränennassen Wangen. Wollte sie das jetzt wirklich einfach so stehen lassen? Aber nicht mit ihm. Entschlossen folgte er ihr ins Wohnzimmer und setzte sich auf den Sessel.
Kurz sah Leyla, die ihren Kopf wieder in ihren Händen vergraben hatte, auf und seufzte leise, wieso konnte er sie nicht einfach in Ruhe lassen.
"Okay, dann erklär es mir!", forderte Ben und sah sie abwartend an.
"Ach, jetzt willst du mir zuhören?", fragte sie ernst und schüttelte nur den Kopf,"Ich kann das jetzt nicht!"
"Doch du kannst das jetzt, Leyla! Und ja, ich höre dir zu! Jetzt!", erwiderte er und strich sich einmal durch seine Haare.
"Nein, ich kann das jetzt nicht!", wiederholte sie sich, stand auf und wollte einfach an ihm vorbei gehen.
Ben hielt sie jedoch sofort am Arm fest und meinte dann:"Nein, du läufst jetzt nicht weg! Du sagst mir jetzt erst die Wahrheit!"
Die einzige Reaktion die Leyla entkam, war ein tiefes Einziehen der Luft. Bevor sie ihren Kopf schockiert in Bens Richtung bewegte und auf seine Hand starrte, die um ihren Arm gefasst war. Schlagartig fing sie auch wieder an zu zittern und traute sich somit nicht in sein Gesicht zu sehen.
Überrascht von ihrer ungewöhnlichen Reaktion versuchte Ben sie zu sich umzudrehen, indem er sie vorsichtig in seine Richtung zog.
"Nicht", hauchte Leyla leise und versuchte sich von ihm zu lösen,"Tu mir bitte nichts...."
Sofort ließ Ben sie los und sah sie traurig an. Was war nur passiert? Wieso verschloss sie sich so vor ihm? So hatte er seine Frau noch nie erlebt. "Leyla....sag mir doch bitte was los ist....", bat er erneut.
"Ich.....ich.....", ihre Stimme brach mit einem lauten Schluchzer.
"Leyla", hauchte Ben besorgt und zog sie nun doch in seine Arme.
"Du....du bist ein Idiot.....", schluchzte sie, doch ließ sich kraftlos in seine Umarmung sinken.
Ohne ein weiteres Wort zog er sie nur noch mehr an sich und schloss seine Arme fest um sie, um ihr das Gefühl von Sicherheit zu vermitteln.
Schluchzend ließ sie sich nur noch mehr an ihren Mann sinken und merkte schlagartig, wie das Zittern langsam weniger wurde.
Vorsichtig, um sie nicht noch mehr zu verschrecken, fuhr Ben über ihren Rücken und küsste ihren Haaransatz, bevor er nur leise hauchte:"Was ist nur passiert?"
"Ich.....", hauchte sie erneut und schüttelte den Kopf,"Ich hab dich nicht betrogen....."
"Ich glaube dir, es tut mir leid", erwiderte Ben wahrheitsgemäß und fühlte sich schlecht seiner Frau dies vorgeworfen zu haben, wo es eindeutig um etwas anderes ging.
Erneut schluchzte Leyla und löste sich dann leicht von ihm.
Erschrocken sah Ben sie an, ihr ganzes Gesicht war vom Weinen gerötet und sie sah ziemlich mitgenommen aus.
"Ich wurde.....", anstatt weiter zu sprechen, knüpfte sie vorsichtig ihre Bluse auf, worunter sofort die Kratzspuren auf ihrem Brustkorb sichtbar wurden.
Noch ehe Ben einen Blick auf ihren Oberkörper geworfen hatte, wusste er sofort was passiert war. Schockiert fuhr er über ihre Wange und sah in ihre Augen:"Wer hat dir das angetan?!"
"Dr.......Dr. Hei
.....Heiland", brachte sie nur stockend hervor.
"Dr. Heiland", knurrte Ben nur sauer und zog sie wieder beschützend an seinen Oberkörper,"Dieser......"
Vertrauensvoll ließ sie sich an ihn sinken und vergrub ihren Kopf an seiner Schulter.
"Wieso hast du nichts gesagt?", fragte er dann vorsichtig nach und streichelte erneut über ihren Rücken,"Du kannst mir doch alles sagen, Schatz!"
"Ich.....ich konnte nicht......als du in mein Büro gekommen bist.......da war es erst ein paar Stunden her......ich war einfach zu aufgewühlt und verwirrt......ich konnte doch selber nicht glauben, was eigentlich passiert ist.....", fing sie an und sah wieder hoch in sein Gesicht.
Ben nickte nur verständlich und streichelte nun über ihre Wange:"Und ich war so ein Idiot.....bitte verzeih mir Leyla. Ab jetzt werde ich dir immer zuhören!"
"Danke", hauchte sie nur sanft und wischte sich die Tränen von ihren Wangen.
"Bei mir bist du sicher", machte er ihr klar,"Ich würde dir nie auch nur ein Haar krümmen!"
"Ich weiß", ein leichtes Lächeln huschte auf ihre Lippen.
"Aber diesem Dr. Heiland werde ich etwas krümmen", meinte er immer noch sauer.
"Dann kannst du dich mit Matteo zusammen tun", meinte sie leise.
"Gut.....ich liebe dich, Leyla", hauchte er sanft und küsste sie auf die Stirn.
"Ich liebe dich, Ben", murmelte sie und gab ihm einen vorsichtigen Kuss auf die Lippen.
Sanft erwiderte Ben ihren Kuss und setzte sich mit ihr nun aufs Sofa, bevor er sie erneut ansah:"Zeig mir bitte nochmal deinen Brustkorb."
Sie brachte nur ein kurzes Nicken zustande und öffnete ihre Bluse nun ganz.
"Ich versorg das schnell", meinte er, stand dann auf und holte eine Salbe, bevor er sie fragend ansah,"Darf ich? Oder willst du das lieber selber machen?"
Leyla lächelte sanft und nickte leicht, da sie es rührend fand, wie umsichtig er zu ihr war, um sie nicht zu bedrängen:"Ich vertraue dir vollkommen!"
"Okay", lächelte Ben nun auch und verteilte die Salbe vorsichtig auf ihrer zerkratzten Haut.
Leicht zuckte Leyla zusammen, da er schon schmerzhaft war:"Aua...."
"Tschuldige, Schatz....ist gleich vorbei", murmelte er leise und packte die Creme dann wieder weg.
"Schon gut......danke", lächelte sie sanft und ließ sich wieder in seine Arme sinken.
"Gerne", meinte er sanft und legte seine Arme wieder um ihren Körper.
"Ben?", fragte sie dann noch leise.
"Mhhh.....", sanft schaute er sie an und fuhr liebevoll durch ihre dunklen Locken.
Sanft sah sie ihn an und schluckte kurz, die Erinnerung an den heutigen Tag schwirrten immer noch in ihrem Kopf herum:"Ich.....ich möchte nicht zur Arbeit...."
"Das musst du auch nicht.....du musst gar nichts tun. Ich regel das morgen mit Professor Patzelt und sollte der Typ dir noch einmal zu nah kommen, dann sind Matteo und ich da. Alles wird wieder gut! Ich stehe dir bei", versuchte Ben seine Frau zu besänftigen und küsste sanft ihren Haaransatz.
"Danke", murmelte sie nur und schloss dann vorsichtig die Augen.
Ben blieb die ganze Zeit bei Leyla und hielt sie fest, wenn sie einen Alptraum haben würde, würde er da sein und sie beruhigen. Er wollte ihr wieder das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit vermitteln. Solange er an ihrer Seite war, würde er sie nur mehr denn je beschützen, sodass ihr keiner jemals wieder ein Haar krümmen könnte. In guten wie in schlechten Zeiten, das hatten sie sich vor einem Monat versprochen und er würde alles daran setzen, dass dieses Versprechen niemals gebrochen werden würde.

In aller Freundschaft- Die jungen Ärzte Liebesgeschichten mit HürdenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt