✴︎ Kapitel 25 ✴︎

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Trotz der Müdigkeit gelang es ihr, sich auf den Straßenverkehr zu konzentrieren. Sie blieb in der Spur, hielt genug Abstand zu den anderen Fahrzeugen und achtete auf die Geschwindigkeitsbegrenzung. Doch das, was der Junge gesagt hatte, brachte sie nun ins Zweifeln und ihre Gedanken auf Abwege. Kathrin war es nicht entgangen, dass in den Nachrichten - sei es Rundfunk, gedruckte Zeitung oder online-Nachrichten - der Vorfall in Siltungen komplett gestrichen worden war. Nichts wies mehr darauf hin, dass etwas dergleichen jemals passiert war.

Und dennoch - diese Story gehörte ihr! Wenn sie mit ihren exklusiven Informationen an die Öffentlichkeit gehen würde, dann würde das eine wirklich richtig große Sache werden! Sie, Kathrin Meyer! Ihren Namen würde dann jeder kennen. Sie konnte Interviews geben, in denen sie davon berichtete, wie es war, mit dem Trio auf der Flucht nach Frankreich zu sein. Wie sie den vollkommen übermüdeten lockigen Typen namens René Bentheimer wahrgenommen hatte, welche Gespräche Sandro Rossi und Anela geführt hatten.

Und der größte Knüller: Sie wusste, dass nicht Sandro Rossi derjenige war, der zaubern konnte, sondern das Mädchen mit dem klangvollen Namen Anela. Ein richtiger Twist! Und das passte sogar noch besser. Mit ihren violetten Haaren und der schweigsamen Art war sie mysteriös und unergründlich. Sie konnte man doch viel besser als Zauberin verkaufen als den Normalo im dunkelblauen Hoodie.

Dummerweise war Kathrins Kamera nun komplett im Eimer. Da war nichts mehr zu retten gewesen. Selbst die Speicherkarte war durchgebraten worden und nun vollkommen unbrauchbar. Aber das machte nichts. Kathrin hatte Geld dabei und auch in Frankreich gab es Elektrofachgeschäfte. Irgendwo würde sie sich eine neue Kamera auftreiben. Bis dahin tat auch ihr Handy seinen Dienst. Ja, ein paar Gesprächsfetzen hatte sie schon aufgenommen. Sie hatte Material. Und damit würde sie die Nachrichten wiederbeleben. Ganz egal wie. Zur Not eben nicht auf dem offiziellen Weg.


***


Paul schwebte auf Wolke sieben. Irgendwie ging heute alles, was er tat, gut! Es war herrlich, so leicht durchs Leben zu gehen. Heute war er wieder in der Schule gewesen. Seine ‚Übelkeit' war vergangen. Wäre sie das nicht, hätte Mama ihn spätestens heute zum Arzt geschleppt und dort wäre dann mit großer Sicherheit aufgefallen, dass dem Jungen nichts fehlte. Und so hatte er sich heute widerwillig in die Schule geschleppt. Ohne große Motivation, das stand mal fest. Wie denn auch? Wie sollte man sich für den langweiligen Unterrichtsstoff begeistern, wenn man undercover dabei war, ein Verbrechen aufzudecken? Aber das waren wohl die Lasten, die ein verdeckter Ermittler zu tragen hatte.

Also, Paul hatte sich wieder seinen Pflichten als ganz normaler Schüler widmen müssen. Aber der Tag hatte doch noch eine süße Überraschung für ihn bereitgehalten. Denn wer hatte ihn gleich vor der ersten Stunde angesprochen? Fiona! Und warum? Fiona hatte gestern für ihn mitgeschrieben und ihm die Hausaufgaben mitgenommen. Er hatte es nicht fassen können, dass es ausgerechnet sie gewesen war, die an ihn gedacht hatte und dementsprechend war er überglücklich gewesen. Um dem Ganzen noch eine Schippe draufzusetzten, hatte Fiona gefragt, ob sie ihm das, was er verpasst hatte, erklären solle.

Da Paul sowieso kein Ass in Mathe war - im Gegensatz zu seiner netten Klassenkameradin - hatte er eingewilligt. Mama hatte er kurz angerufen, um zu sagen, dass er nach der Schule zu seiner Klassenkameradin gehen würde, damit sie ihm helfen konnte. Natürlich war Mama damit einverstanden gewesen, wenn es um das Nacharbeiten von Unterrichtsstoff ging, und so war Paul gerade auf dem Weg zu Fiona. Sie wohnte sehr nah an der Schule in einem hellgelb gestrichenen Reihenmittelhaus.

„Heute gibt es Paella. Magst du das?", fragte Fiona im Laufen. Paul nickte eifrig, obwohl er nicht den blassesten Schimmer hatte, was Paella sein sollte. Hoffentlich nichts mit Meeresfrüchten, dachte er sich nur.

Tief verborgen - Das Refugium | Thriller x FantasyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt