✴︎ Kapitel 17 ✴︎

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Hatte er das gerade wirklich getan? Verdammt, hatte er gerade wirklich damit gedroht, ein übernatürliches Spektakel zu veranstalten? Das hatte er. O Mann, ja, das hatte Sandro gerade wirklich getan! Sein Atem ging schneller und seine Hände zitterten. Auf dem Gesicht des Mannes mit den rotbraunen Haaren sah er schwer zu verbergendes Entsetzen. Aber wenn diese Drohung eines erreicht hatte, dann, dass der jüngere Mann nun endlich von Herrn Bentheimer abließ.

„Sie da", rief Sandro in dessen Richtung. Der junge Mann zuckte unmerklich zusammen. „Sie entfernen sich jetzt am besten. Sie sind Polizisten? Das sind Sie doch. Haben Sie eine Waffe dabei?"

Es war als würde Sandros Mund von allein sprechen. Woher kamen nur diese Worte? Es schien, als seien es nicht Sandros eigene. Ein seltsames Gefühl, noch seltsamer, als auf der Rückbank eines Streifenwagens zu sitzen ohne zu wissen, ob das rechtmäßig war oder nicht.

Der ältere der beiden griff sich hinten an den Hosenbund und förderte tatsächlich eine in der Sonne glänzendes heißes Eisen zutage. Er zeigte sie Sandro und legte sie dann langsam vor sich auf dem Boden ab. Mit einem Kick beförderte er sich ein paar Meter von sich weg. Sandro verfolgte mit seinen braunen Augen die auf dem Asphalt schlitternde Waffe. Als sie fast vor seinen Füßen lag, schluckte er und seine Augen wanderten zu dem jüngeren. Der schüttelte ernst den Kopf als habe er Gedanken erraten, die Sandro noch nicht gedacht hatte.

„Gut ...", sagte Sandro und räusperte sich. Seine Augen hingen wieder an der Waffe, die auf dieser im Moment noch so ruhigen Straße lag und auf der ein kleiner Punkt leuchtete, dort, wo die Sonne sich reflektierte. Wie gefesselt starrte er auf diesen Punkt, während alles um ihn herum still stand. Das Gefühl der Zeitlosigkeit schwemmte durch seinen Geist. Es war vergleichbar mit dem Gefühl, das man hatte, kurz bevor man einschlief. Ein sanftes Wegdriften in watteweiches Nichts. Herr Bentheimer holte ihn schließlich aus seiner Trance wieder zurück.

„Sandro?", fragte er vorsichtig. Der Lehrer stand immer noch neben seinem Wagen. Shit, was wollte er von Sandro? Als hätte er eine Ahnung, was nun kommen sollte. Es war unheimlich ruhig. Da standen sie nun. Sandro und Anela, erst jetzt wurde er sich dessen gewahr, dass sie seine Hand hielt. Einige Meter entfernt standen die beiden Polizisten. Schaute man von oben auf die Szene, dann ergaben sie ein Trapez mit Sandro und Anela an dem einen und dem jungen Polizisten an der anderen Spitze. Herr Bentheimer und der ältere Polizist bildeten die Seitenpunkte.

Sandro schaute zu seinem Lehrer und dann zu der Waffe. Was hatte er damit gewollt? Mitnehmen würde er sie auf keinen Fall. Aber nun, wo er wusste, dass sie hier auf dem Boden lag, fühlte er sich etwas besser. Denn nun konnte er abhauen und niemand würde es zu verhindern wissen. Sandro würde abhauen. Er und Herr Bentheimer ... und Anela?

„Komm, auf geht's", sagte sie plötzlich, als habe er den letzten Gedanken laut ausgesprochen und drückte seine Hand.

„Was?", zischte er ihr zu.

„Wir hauen ab", flüsterte sie und ihre dunklen Augen wanderten zu dem kleinen silbergrauen Wagen.

„Spinnst du?", gab Sandro zurück, der ihrem Blick gefolgt war. Er schaute zu den beiden Männern, die sich nicht rührten. Die abwarteten, was als Nächstes passieren würde. Die sich womöglich schon auf das Schlimmste gefasst machten.

„Sandro, was ist jetzt?", rief nun Herr Bentheimer. Ja, was war jetzt? Was ...?

„Hände hoch, Junge!", rief die verwegene Stimme des jungen Polizisten nun. Als Sandros Blick zu ihm flog, rutschte ihm das Herz in die Hose. Er hatte sich verarschen lassen. Eine Sekunde hatte gereicht und das ganze Schachbrett war durcheinander geschüttelt worden. Zu Sandros Ungunsten. Er schaute in den unendlich dunklen Lauf einer Waffe. Gehetzt wanderte sein Blick zu der Knarre, die noch auf dem Boden lag.

Tief verborgen - Das Refugium | Thriller x FantasyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt