Kapitel 5

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Rückblick: 4 Jahre zuvor

Mein Kopf lehnt an Levis Schulter. Seine Finger fahren durch meine Haare.

Draußen hört man irgendwelche Männer streiten. Aus nördlicher Richtung kommen Schüsse und der Gestank der Straßen dringt durch all die Ritzen in das Zimmer in dem wir uns gerade befinden. 

Wir schweigen uns an. 

Uns beiden ist bewusst, dass uns kein bisschen Stoff voneinander trennt. Jegliche Klamotten hatten wir uns vor vielleicht einer halben Stunde gegenseitig vom Leib gerissen. 

In einer Beziehung sind wir nicht. Nur Freunde aber auch nicht. Alles ist irgendwie ziemlich verwirrend. 

Ich kenne diesen Jungen mein ganzes Leben und bei niemandem fühle ich mich so sicher wie bei ihm. Aber eine Beziehung würde unter den Umständen in denen wir Leben niemals funktionieren. 

Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand von uns in irgendeiner unnötigen Schlacht drauf geht ist zu hoch. Es wäre zu gefährlich sich auch so starke Gefühle wie Liebe einzulassen, wenn wir nicht einmal wissen, wann wir einander das letzte mal sehen.

Vielleicht sind das hier gerade die letzten Momente, die ich jemals mit ihm zusammen verbringe. Wer weiß. 

Wenn ich einen Wunsch frei hätte, dann würde ich mir wünschen, dass Levi und ich irgendwann eine zweite Chance haben.

Eine zweite Chance in der wir nicht in diesem Drecksloch wohnen. Wenn wir Älter und reifer sind. Wenn wir uns nicht mehr fürchten müssen uns zusammen zu zeigen, nur weil wir dann von der kompletten 'Stadt' gejagt werden könnten. 

"Deine Gedanken werden immer lauter." murmelt Levi. Man hört ihm die Erschöpfung an die in ihm hegt. 

Zur Zeit ist er in endlose Probleme eingewickelt und es werden nicht weniger. Sein Onkel macht im das Leben zur Hölle und die Menschen hier im Untergrund hassen ihn von Tag zu Tag mehr. 

In solchen Stresssituationen lassen wir den ganzen Druck gerne beim anderen aus. Nicht durch eine Schlägerei oder durch reden. Es endet immer im Bett. 

Uns ist beiden bewusst, dass das nicht die beste Art ist sich abzuregen, aber solange es hilft sieht keiner ein damit aufzuhören. 

Weitere Minuten vergehen mit schweigen. Auf das was er gesagt hat antworte ich nicht. 

Meine Gedanken konnten gerne meinen Kopf überwuchern und das wusste er. Allein wenn er mich daran erinnerte konnte er stoppen, dass es zu viel wurde. 

Manchmal regt es mich auf was für eine Macht er über mich hat. Ob es um meinen Körper geht oder um das was in meinem Gehirn abgeht. 

Mit wenigen Worten konnte er mich vor einem Zusammenbruch bewahren. Er kannte mich in und auswendig. Jede Kleinste Bewegung von mir registrierte er und konnte somit sagen, was gerade mit mir los war. 

Ich hab das Gefühl, dieser Junge kennt mich besser als ich mich selber. 

Er ist meine bessere Hälfte, auch wenn er das wahrscheinlich niemals einsehen mag. Noch nie habe ich jemanden gesehen, der sich selbst so sehr hasst wie er sich. Dieser wundervolle Mensch verdient es nicht so von sich selbst zu denken. 

"Levi?" meine Stimme ist nur ein leises krächzen. 

Vorsichtig drehe ich mich ein wenig um in ansehen zu können.

"Hm?" er blickte ebenfalls zu mir und rutschte etwas weiter nach unten, bis sein Kopf richtig auf dem Kissen lag.

"Bitte versprich mir mich niemals zu verlassen." flüstere ich. Eine Träne kullert mir über die Wange, doch er wischt sie mit seinem Daumen zärtlich weg. 

"Ich kann dir nichts versprechen, was ich nicht halten kann." er klingt traurig. "Es kann jederzeit passieren, dass ich von hier verschwinden muss und dir vorher nicht bescheid sagen kann."

"Dann versprich mir, dass deine Seele meine niemals verlässt. Egal ob du am anderen Ende der Welt bist oder direkt neben mir." ich schaue ihm tief in die Augen. Diese wunderschönen grauen Augen, die von Tag zu Tag trauriger wurden. 

"Ich verspreche es." bevor ich noch etwas erwidern konnte zog er mich fest an sich. Meine Arme schlangen sich wie von selbst um seinen Oberkörper, während mein Kopf dicht an seine Brust gepresst war, so dass ich seinen Herzschlag hören konnte.

Ich spürte, wie er mir einen leichten Kuss auf den Scheitel drückte. Danach schlief ich ein. 

strong but silentWo Geschichten leben. Entdecke jetzt