strong but silent

Kapitel 18

Levis Sicht

Sobald Alora meine Sichtweite verlassen hat stürme ich geradezu zu Erwins Büro. 

Ein paar Soldaten schauen mich auf meinem Weg fragend an, doch ich ignoriere sie.

Erwin war gestern mit Alora unterwegs und heute ist sie plötzlich verletzt. Bei unserem Training davor ist nichts passiert, ich beobachte alles was sie tut. Das wäre mir aufgefallen.

Irgendwas muss gestern passiert sein, anders kann ich mir das nicht erklären. 

Aus Höflichkeit klopfe ich einmal kräftig gegen die Tür seines Büros, sehe es aber nicht ein zu warten bis er mich hereinlässt. Man muss es auch nicht übertreiben, erst recht nicht wenn mir so wenig nach Höflichkeit zumute ist wie in diesem Augenblick. 

Ich werde meine Antworten kriegen, egal was er gerade tut. Ob er das wichtigste Gespräch aller Zeiten führt oder irgendeine Soldatin auf seinem Schreibtisch fickt, es ist mir scheißegal. Er hat mir etwas verschwiegen, da nehme ich keine Rücksicht. 

"Wenn du schon so hier herein gestürmt kommst kannst du das klopfen auch ganz lassen Levi." begrüßte Erwin mich.

Wie es scheint hat er wenigstens verstanden, dass ich nicht zum Spaß hier bin und er das ganze Freundlichkeitsgedöns weglassen kann. Das macht das alles schon um einiges angenehmer. 

"Wo warst du gestern mit Alora?" ich könnte es schlauer angehen. Ihn mit mehreren kleinen fragen unauffällig zur Antwort bringen, nur liegen meine Nerven gerade sowas von Blank, dass ich nicht klar denken kann. 

"In der Stadt. Wir haben sie als offizielles Mitglied des Aufklärungstrupps eintragen lassen, wie ich es dir erzählt habe." sein Blick ist starr auf mich gerichtet. Entweder versucht er seine Lüge zu vertuschen oder ist enttäuscht, weil ich ihm nicht vertraue. 

"Und wo wart ihr wirklich?" 

"Ich weiß nicht was du meinst, Levi. Wo sollen wir gewesen sein?" Erwin richtet sich auf und kommt um seinen Schreibtisch herum. Dieser Pisser versucht nicht im ernst mich mit seiner Größe einzuschüchtern oder? 

"Woher soll ich das wissen? Mir sagt ja anscheinend niemand was. Ich weiß nur, dass Alora definitiv verletzt ist und so talentiert wie sie beim reiten ist wird sie sich auf dem Weg in die 'Stadt' nicht einfach mal so hingelegt haben. Außerdem ist es sehr Fragwürdig, wieso ihr so früh am Morgen losreitet. Was solltet ihr so früh dort tun? Das ist doch Schwachsinn!" 

Erwins Miene verändert sich kein Stück während ich rede. Alles was er tut ist mich beobachten.

"Dir liegt was an dem Mädchen." Es ist keine Frage wie er es sagt. Eher eine Erkenntnis auf die ich gerade nicht eingestellt war. Für ein paar Sekunden ist in meinem Kopf alles wie leer gefegt. 

"Nur weil ich mich frage wieso diejenige aus dem nichts verletzt ist, die ich trainieren soll, liegt mir nicht direkt was an ihr." stelle ich klar, nachdem ich mich wieder halbwegs gefangen habe. 

"Du würdest wegen niemandem so aufgebracht in mein Büro gerannt kommen, Levi. Ich kenne dich dann doch soweit, um zu wissen, dass du der Person sagen würdest sie solle vorsichtiger sein um dann weiter zu machen wie vorher. Wenn du einen guten Tag hast würdest du dich vielleicht sogar darum kümmern, dass die Person sich Ärztliche Hilfe holt." 

Mir war gerade wirklich nicht nach einem Vortrag darüber wie ich bin und wie nicht. Ob mir etwas an jemandem liegt habe ich zu entscheiden und nicht mein Vorgesetzter. 

"Beantwortest du mir erstmal meine Frage bevor du mir sagst wie ich wann handle? Das würde uns gerade alle weiter bringen." lenke ich wieder auf das eigentliche Thema. 

"Ich warne dich, wenn du mir jetzt noch einmal einreden willst, ihr wärt in der Stadt gewesen." 

Mit einem seufzen lehnt Erwin sich ein wenig zurück.

"Um sicher zu gehen, dass Alora wirklich für den Aufklärungstrupp geeignet ist habe ich sie mit ins Titanen Gebiet genommen. Ich wollte schauen ob sie sich im Notfall wirklich verteidigen kann. Manchmal reicht es allein schon, wenn man mal einen gesehen hat." erklärt er.

"Sie hat sich super geschlagen und ist dem Platz auf jeden Fall gewachsen. Am Ende hatte ein abnormer ihr ein paar Probleme bereitet, daher kam die Verletzung." er redete davon, als wäre es das normalste auf der Welt jemanden ohne richtige Soldatenausbildung ohne den ganzen Trupp hinter die Mauern zu lassen.

Ich wusste schon gar nicht mehr ob ich ihm ins Gesicht lachen oder ihn anschreien sollte, für alles was hätte passieren können. 

"Du weißt schon wie dumm das klingt oder?" "Was meinst du, Levi?" 

"Alles! All das, was du mir gerade erzählt hast Erwin! Sie hätte da draußen draufgehen können verdammt. Soldaten haben eine Jahrelange Ausbildung, nicht nur eine Woche! Wir haben hier geübt, aber lange nicht genug für sowas!" 

Erwin und ich sind uns oft nicht einer Meinung, aber normalerweise hebe ich meine Stimme nicht. Was auch immer in mich gefahren ist macht mich verrückt.

"Levi, ich verstehe deine bedenken. Ich habe das nicht unüberlegt gemacht und bin sehr froh, dass sie sich als fähig erwiesen hat. Auch wenn du es nicht zugeben willst, ich merke, dass sie dir etwas bedeutet oder das wenigstens mal getan hat und es hätte mich traurig gemacht sie dir auf diese Weise wegzunehmen. So haben wir jetzt allerdings die Sicherheit, dass sie in einer Notsituation sehr wahrscheinlich unversehrt herauskommt. Vielleicht hilft es dir somit, wieder jemanden an dich heranzulassen. 
Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest, ich muss dringend etwas erledigen." 

Ohne weiteres zu sagen verlasse ich sein Büro. 

Irgendwas in mir hat sich gerade sehr verdächtig schmerzhaft komisch angefühlt, ich kann nur nicht sagen was genau.