Kapitel 17

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Levis Sicht

Irgendwas stimmte absolut nicht mit Alora. Sie hatte schmerzen, aber ich konnte mir nicht erklären woher.

Wie immer trainierten wir. Schon von Anfang an bemerkte ich, wie sie sich anders bewegte als sonst. Ich habe es immer bewundert wie graziös sie sich bewegt und auch wenn sie gerade nicht herumstakst fehlt es ihr an Geschmeidigkeit. 

Manchmal hasste ich es, dass mir noch immer diese winzigen Kleinigkeiten auffielen. Vor allem jetzt, weil sich dieses bedrückende Gefühl von Sorge an die Oberfläche schlich und einfach nicht verschwinden wollte.

Alora ließ mich meine Emotionen nicht zurück drängen und das machte mich wahnsinnig, seit sie auf einmal in meinem verfickten Büro stand. 

Und wie es mich wahnsinnig machte. Sie hier vor mir zu sehen, offensichtlich unter schmerzen die sie nicht zeigen wollte, ließ mich beinahe den Verstand verlieren. 

Das ist mir nicht passiert seit ich meine Freunde habe sterben sehen. Einfache schmerzen bedeuteten noch lange keinen tot, wieso also machte ich mir solche Sorgen? Alora ist Ärztin, sie wird wohl körperlich auf sich aufpassen. Oder?

Gerade lief sie ein paar Runden über den Übungsplatz. Meine Augen verfolgten jede einzelne Bewegung und versuchten den Auslöser für ihr verhalten zu finden. Beschissener Weise ist dieses Mädchen schon immer gut im schauspielern gewesen und konnte so einiges verborgen lassen. 

Und wer hat ihr das beigebracht? Meine Fresse, ich. Im Untergrund musste sie das können, vor allem als kleines Mädchen. Aber sie ist kein kleines Mädchen mehr und trotzdem hat sie ihre Fähigkeit über die letzten Jahre nur noch verbessert. 

Noch nie habe ich mich so sehr dafür gehasst jemandem etwas beizubringen wie gerade. Ich habe das getan um sie vor anderen zu schützen, woher sollte ich wissen, dass sie es einmal gegen mich einsetzt?

Den Rest des Trainings füllte ich spontan mit den schonendsten Übungen die wir hatten. Zwar waren die meisten sehr anspruchsvoll und da ich nicht wusste, was genau ihr fehlte konnte ich nur raten, aber alles was Körperlich nicht allzu dolle schmerzte war am besten.

Ich wollte ihr nicht zeigen, dass ich meine Vermutung hatte. Im schlimmsten Fall würde sie dann komplett stumm stellen und krampfhaft versuchen mich zu meiden. 


4 Jahre zuvor:

Alora ignorierte mich seit vier Tagen. Wenn ich zu ihr kam tat sie so als würde sie schon schlafen. Was natürlich sein könnte, aber sie tat so als würde sie durchschlafen und das kann sie ganz einfach nicht. Irgendwann wird sie aufgewacht sein und mich ignoriert haben. 

Mittlerweile bin ich jede einzelne Möglichkeit schon mindestens zehn mal gründlich durchgegangen, wieso sie genau das gerade tat. Alles machte irgendwie Sinn und lies mich nur noch besorgter werden. 

Zur Zeit hatte ich Tagsüber so viel scheiß am laufen, dass ich sie nicht vorher sehen konnte, aber heute würde ich sie konfrontieren. 

Isabell hatte eine meiner Aufgaben übernommen nachdem ich den Namen ihrer Cousine nur einmal ausgesprochen hatte. 

Die beiden waren das einzige was sie an Familie füreinander hatten und wenn der andere Hilfe brauchte würden sie alles stehen und liegen lassen. Oder in dem Fall Überstunden machen. 

Ich beneidete die Bindung der beiden. Sie verhielten sich auch mal wie zickige Schwestern, aber solange beide einander hatten gab es so viel gekichere, dass man über die Streitereien hinwegsehen konnte. 

Als ich Aloras Zimmer betrat war sie noch nicht da. Genau wie ich es erwartet hatte. 

Wäre sie schon hier gewesen hätte sie mich möglichweise gehört und hätte die Flucht aus dem Fenster gesucht. 

Es kam nicht oft vor, aber das ein oder andere Mal hatte sie das Bedürfnis sich vor allem und jedem zu verstecken und wenn man ihr nicht half konnte sie sich selbst nicht mehr stoppen. 

Oft war es gar nicht so schlimm, außer einmal, als ich sie knapp vorm verrecken gerettet hatte. 

Ich konnte nur hoffen, dass es sich dieses Mal um nichts zu ernstes handelt und es ihr schnell wieder besser geht. Genug sorgen konnte man sich trotzdem nie machen.

Nach ungefähr einer viertel Stunde hörte ich ihre Schritte im zerbrechlichen Treppenhaus. 

Jedes mal wenn ich sie so aus dem nichts wieder in die Realität zurück katapultierte fühlte ich mich schlecht. Natürlich tat ich das um ihr zu helfen, aber die Realität ist oft zu viel für sie. Erst recht wenn sie sich extra vor allen zurückzieht. 

Es musste sein, aber die nächsten Tage würde sie in einem Loch verbringen. Ein Loch so tief, dass man sie kaum wieder erkennt.

Erst wenn sie sich dort heraus geholt hat konnte sie für eine Weile die Realität aushalten. 

Die Tür öffnete sich und ich atmete ein letztes Mal tief ein bevor unsere Blicke sich trafen.

Der Schock stand ihr ins Gesicht geschrieben. Sie wird mit meinem Besuch gerechnet haben, das tat sie immer. Schock war trotzdem jedes mal sie Reaktion. 

Ich hasste diesen Ausdruck auf ihrem so wunderschönen Gesicht. 

Zu meinem Glück hielt der Schock sie immer ein paar Sekunden vom reagieren ab. In der Zeit konnte sie sich nicht bewegen und das nutzte ich aus um zu ihr zu gelangen und sie festzuhalten.

Vorsichtig führte ich sie in ihr Zimmer, schloss die Tür hinter uns und setzte sie auf ihr Bett.

Ihre Hände begannen schon zu zittern, doch ich ignorierte es. Bevor ich sie nicht in der Lage hatte in der ich sie brauchte durfte ich meine Emotionen nicht mit ins Geschehen bringen. 

"Sag mir was los ist." flüsterte ich.

Sie zuckte zusammen bei meiner Stimme. 

Eine Weile kam keine Antwort. Innerlich rang sie mit sich selbst. Noch einmal fragen würde nichts bringen. Das Zucken hat gezeigte, dass sie mich verstanden hat.

Nach weiteren Minuten des Schweigens zog sie sich ihren Pullover über den Kopf. 

Bei dem Bild das sich mir zeigte blieb mir der Atem weg.

Nicht weil sie ohne BH vor mir saß und einfach nur Wundervoll aussah. Das tat sie sowieso immer.

Es war die Schnittwunde direkt über ihrem Herzen. 

Sie war nicht tief, aber sie war da. Wie es scheint hatte sie sich darum gekümmert. Weiterhin gefährlich würde die Wunde also nicht werden. Aber wie zum fick-

"Wer war das? Wer hat dir das angetan?" ich versuchte strak zu klingen, aber meine Stimme rutschte aus als wären die Wörter glattes Eis.

Wer auch immer ihr das angetan hat kann noch etwas erleben.
Frage ist nur wie lange er wirklich leben wird. 

strong but silentWo Geschichten leben. Entdecke jetzt