Schatten der Vergangenheit

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Nachtwinds Hufe trommelten über den Waldboden, neben uns galoppierte Lady. Sie durfte wieder galoppieren. Nach all der Zeit im Stall, war sie jetzt energiegeladen und schlug mehrmals aus. Nachtwinds Mähne flatterte mir ins Gesicht, ich beugte mich tiefer über den Hals meines Pferdes. Mit jedem Galoppsprung ließen wir die Probleme hinter uns. Und mit jedem Galoppsprung wurden wir schneller. Wie immer, wenn ich den Schwarzen Araber ritt, hatte ich das Gefühl zu fliegen. Wir hatten Katy hinter uns gelassen, nur meine Stute leistete uns noch Gesellschaft. Ich richtete mich auf und breitete die Arme zur Seite aus. Dann stieß ich einen jubelschrei aus. Erst auf einer großen Lichtung wurden wir langsamer und ich zügelte mein Pferd. Dann sprang ich von Nachtwinds Rücken und führte den Hengst zu einem Bach der über die Lichtung floss. Dahinter ging es eine recht steile Böschung nach oben. „Von dort hat man bestimmt eine super Aussicht..." überlegte ich leise. Jetzt hatte uns auch Katy eingeholt „Ey! Ich wusste gar nicht, dass deine Pferde Rennpferde sind!" beschwerte sie sich. „Ist da etwa jemand ins Schwitzen gekommen?" spöttelte ich, als sie sich neben mir ins Gras fallen ließ. Ich setzte mich ebenfalls. „Also, wie kam es dazu, dass Cam, Kai und Zack dir beim Reiten zugesehen haben?" begann sie mich sofort auszufragen. Schnell erzählte ich ihr die ganze Geschichte. „Ist ja krass. Nachtwind hat dich echt beschützt?" „Ja, er ist bei sowas...sensibel. Das hat was mit unserer Vergangenheit zu tun." „Erzähl!" „Naja, seine Mutter war ein Springpferd und der Vater ein Geländepferd. Die Besitzer wollten ihn mit Gewalt dazu bringen auch solche Leistungen zu bringen. Er hat sich aber geweigert. Ich habe mit meiner Familie in der Nähe Urlaub gemacht. Hab gerade ein Pferd verloren und war darum oft draußen, um zu weinen. Dabei habe ich Nachtwind getroffen. Seine Besitzer haben ihn gerade mit einer Gerte malträtiert, ich musste einfach dazwischen gehen. Meine Eltern haben ihn mir gekauft. Ich glaube, er hat sich daran erinnert, wie seine Besitzer ihm weh getan haben, als Cam mich gegen die Wand gedrückt hat." „Ich finde Tierquälerei echt beschissen. Warum verstehen so viele Menschen nicht, dass Tiere keine Maschinen sind, sondern auch Gefühle haben?" Katy kippte nach hinten ins Gras und schloss die Augen. Ein Lachen ließ uns aufschrecken. „Da ist ja das Biest, dass mich angegriffen hat! Du solltest das Vieh echt verkaufen, der ist doch zu nichts zu gebrauchen." Kira saß auf einem dunklen Wallach, neben ihr ritt eine brünette mit zu viel Make-up auf die Lichtung. „Du hast doch keine Ahnung von Pferden, dass sieht man ja auch an deinem Reitstil" spottete ich. „Pff, dafür sind meine Pferde wenigstens nicht aus dem Schlachthaus, sondern haben Klasse." Kira sah so aus, als würde das etwas bedeuten. „Einer der großen Unterschiede zwischen dir und deinen Pferden" lachte Katy. „Du hast doch noch nicht mal ein Pferd, da solltest du mal ganz still sein!" fauchte Kira gereizt. „Ihr werdet schon noch euer blaues Wunder erleben. Ach, und Lou, Julian gehört mir, also halt dich von ihm fern!" Mit erhobenem Kinn galoppierten die beiden Richtung Schule. Ich sah ihnen kurz nach. „Erzähl doch mal was über deine Familie" forderte Katy mich plötzlich auf. Ich sah sie erschrocken an. „Ähm...aber ich habe doch gerade schon so viel über mein Pferd erzählt. Jetzt bist erst mal du dran" rettete ich mich aus der Situation. Je weniger ich sagte, desto weniger konnte ich mich verhaspeln. „Meine Eltern sind geschieden, das kann manchmal echt praktisch sein, aber auch echt nerven. Mein Vater reitet auch leidenschaftlich, er hat sich auch dafür eingesetzt, dass ich auf da Internat gehen kann. Leider habe ich kein eigenes Pferd, das können sich meine Eltern nicht leisten. Aber ich bin mit Silver Star total zufrieden, ich will ihn nach meinem Abschluss kaufen. Mein Dicker hier ist ein tolles Dressurpferd, aber in Springen sind wir komplette nieten. Macht aber nix ich reite eh lieber Dressur. Über meine Eltern gibt es eigentlich nicht viel zu wissen, meine Mutter arbeitet als Steuerberaterin und mein Vater als Manager. Ich wohne eigentlich in Berlin, bei meinem Vater. Mit meiner Mutter verstehe ich mich überhaupt nicht und ich bin Einzelkind. So, jetzt bist du dran mit erzählen." Katy sah mich herausfordernd an. „Meine Eltern sind Pferdewirte, daher habe ich meine Araber, ich habe einen großen Bruder und komme aus Spanien. Mehr gibt es eigentlich nicht. Mein Leben ist relativ uninteressant" hielt ich mich kurz. Naja, das letzte war schlicht weg gelogen. Die Presse interessierte sich sehr für mich. Und in meinem Leben war so einiges los, aber das musste Katy nicht wissen. Sonst würde sie nur Fragen stellen, auf die ich ihr nicht antworten konnte. „Wollen wir zurück? Es gibt bestimmt bald Mittagessen" murmelte ich und stand schnell auf. Mit einem leisen Pfiff holte ich meine Pferde zu mir und schwang mich auf den Rücken meines Araber Hengstes. „Na schön..." seufzte Katy, ich war mir sicher, dass wir die Fragerunde wiederholen würden, aber nicht jetzt. Schweigend trabten wir zurück zum Schulgelände, wo uns eine wütende Mrs Moreau empfing. Was hatten wir jetzt schon wieder gemacht...?

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