#35-Doch kein Arschloch?

6.4K 580 28
                                    

Auch als sich Ava, Kevin und Frau Direktorin, ich kenne übrigens ihren Namen immer noch nicht, wieder beruhigt haben, versteht mein Gehirn noch nicht so wirklich, was ich da angeboten habe.

Wie sollte ich das denn machen? Viele kleine Mädchen trainieren, ihnen eine Choreo beibringen. Musik aussuchen. Das ist alles so viel! Auch wenn es sich nicht danach anhört. Vielleicht wollen sie auch einmal bei einem Wettbewerb teilnehmen. So etwas habe ich auch noch nie organisiert. Was mach ich dann? Ich muss mir unbedingt Kevin an meine Seite holen, damit er mich unterstützen kann.

„Super! Ich bin so froh, wirklich Stella! Jetzt kann ich endlich wieder in Ruhe schlafen."

Ich nicke nur freundlich und versuche mir nicht anmerken zu lassen, dass ich gerade vor Panik ausrasten könnte. Es liegt bestimmt auch daran, dass ein bestimmter Jemand hier vor mir sitzt und mich mittlerweile aufmerksam beobachtet.

„So! Jace, Ava ich muss euch jetzt leider entlassen, da Stella und Kevin bestimmt ganz viel Fragen haben.", sie zwinkert den beiden lieb zu.

„Natürlich Grace!", sagt Jace höflich und schenkt ihr diesen höflichen, britischen Akzent gepaart mit seinem atemberaubenden Lächeln. Auch wenn Frau Rektorin gefühlte dreißig Jahre älter ist, springt sie auf sein hübsches Gesicht an und kann sich ein leises Kichern nicht unterdrücken.

Ich reiße mich zusammen, um ihr keinen bösen Blick entgegen zu werfen. Immerhin ist sie nicht nur bald meine neue Chefin, sondern auch Leiterin der Tanzschule, in der ich trainieren möchte, da kann ich mir eine gespielte, sehr alberne Konkurrenz nicht erlauben.

Ava ist schon durch die Tür nach draußen verschwunden. Jedoch nicht ohne uns allen noch ein süßes Lächeln zu schenken und sich herzlich zu verabschieden. Jace braucht wesentlich länger als seine kleine Schwester. Langsam sammelt er die Taschen auf, die vor seinem Füßen verbreitet liegen, um sich dann noch einmal von der Direktorin zu verabschieden. Leicht streift er meine Schulter, als er an mir, ohne sich auf irgendeiner Art zu verabschieden, vorbei geht. Kevin nickt er ausdruckslos zu, dieser hebt nur knapp seine Hand.

In meinem inneren herrscht ein Sturm. Einerseits will ich das er geht und ihn sobald auch nicht wiedersehen. Denn so sehr ich seine Nähe auch genieße, so sauer bin ich auch auf ihn. So verzweifelt und traurig! Ich brauche ganz dringend noch ein Gespräch mit meiner besten Freundin- das steht fest.

Andererseits möchte ich, dass er bleibt. Das ich seine Reaktionen abschätzen kann, vielleicht ein Hinweis auf sein komisches Verhalten bekomme. Am tollsten wäre es natürlich, wenn er von sich aus etwas Klärendes sagen würde, auch wenn es negativ ist. Dann wüsste ich wenigstens so richtig woran ich bin.

Ok, nein- etwas Negatives wäre ganz und gar nicht gut!

Kevin schenkt mir einen bedeutungsvollen Blick, als Jace die Tür öffnet, ohne sich noch einmal umzuschauen. Ohne es auszusprechen gibt er mir die Message, dass er die angespannte Stimmung durchaus mitbekommt und das ich gleich einiges zu erklären habe.

Es gibt wirklich Menschen, die unglaublich aufmerksam sind und einfach alles merken.

Und dann gibt es da noch Menschen wie Grace, der alte britische Name passt generell perfekt zu dieser Frau, die überhaupt nichts merken und Jace einfach nur sehnsuchtsvoll hinterherstarren.  Den ersten Typ von Mensch mag ich eindeutig mehr.

Innerlich habe ich, mit Öffnung der Tür, schon mit dem Thema abgeschlossen. Also damit abgeschlossen, dass noch etwas von Jace kommt, was einfach nur höflich von ihm gewesen wäre- aber nagut.

Jace ist noch nicht wirklich aus dem Raum raus, da dreht er sich auch schon wieder in unsere Richtung. Ich hätte es nicht gemerkt, da ich ihm den Rücken zugekehrt hab, würde nicht wieder seine raue, tiefe Stimme ertönen.

Was ist schon perfekt?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt