#54-Seufzer - und noch mehr Seufzer

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Langsam öffne ich meine Augen. Das grelle Licht blendet mich und direkt schließe ich sie wieder, stattdessen versuche ich mich in den vertrauten und angenehmen Schleier des Schlaf zurück zu träumen.

Doch je angestrengter ich dies versuche, desto unangenehmer brennt sich die Realität auf meine Netzhaut fest.

Was war gestern noch mal passiert?

Plötzlich kommen alle Erinnerungen lawinenartig zu mir zurück.

Jace, der Streit, wieder Jace und dann mein erstes Mal in dem Park neben dem Pub..

What the Fuck!

Ich schrecke auf und gebe dabei einen laut von mir, den ich zuvor noch nie gehört hatte.

„Stella? Alles klar?", höre ich eine verschlafende Stimme von der anderen Seite des Raumes.

Leise vor mich hinfluchend realisiere ich, dass Mae und ich nicht alleine im Zimmer sind. Bevor ich etwas erwidern kann, kommt mir jemand zuvor.

„Sie ist okay", höre ich eine vertraute Stimme von Richtung der Zimmertür. „Hat nur ein bisschen zu viel gesoffen gestern", kichert Mae, geht auf mich zu und reicht mir einen Becher Kaffee über die Metalllatten meines Stockbettes.

„Haben wir das nicht alle?" kommt es belustigt von der anderen Zimmerseite zurück, bevor der blonde Lockenkopf wieder in hinter den besagten Metalllatten verschwindet. Ich atme einmal tief durch.

Mae winkt mir zu und deutet auf die Tür.

Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, ob ich ihr gestern Nacht alles erzählt hatte, bevor ich eingeschlafen war oder nicht. Ihr Gesichtsausdruck lässt keine Vermutung zu; es ist undurchdringlich.

Schnell schnappe ich mir meine Jogginghose und einen warmen Pullover. Ich musste unbedingt mit jemanden über..... Ich schlucke hörbar bei dem Gedanken an die Sache, die meinen kompletten Gedanken beherrschte.

Sehnsüchtig wünsche ich mir auf einmal, mich einfach zurück nach Deutschland zu teleportieren und der ganzen verstrickten Sache den Rücken zuzukehren.

Meine Augen auf Mae's schmales Kreuz gerichtet, folge ich ihr in den Aufenthaltsraum, der Uhrzeit bedingt, noch sehr leer ist.

Nur ein paar Asiaten mit riesigen Kameras um den Hals, schmieren sich hastig Brote und unterhalten sich dabei hektisch. Klischee bedient.

Sie würden meine Geheimnisse bestimmt nicht ausplaudern.

Wir setzten uns in eine gemütliche Sofaecke, ein wenig versteckt von dem Rest des Raumes und schauen uns für einen Moment einfach nur an.

„Ach Stella was machst du denn?" sie seufzt und nippt an ihrem Becher Kaffee.

Ich tue es ihr gleich, das Seufzen sowie das Nippen.

„Was habe ich dir erzählt?"

Mae grinst ein wenig, doch sie hat sich schnell wieder unter Kontrolle.

„Alles", sagt sie ruhig und hebt ihren Becher abermals an ihre Lippen. Über den Rand der Pappe, beobachtet sie mich neugierig.

Ich weiß nicht, ob ich lachen, weinen oder schreien sollte. Jede Emotion fühlt sich in diesem Augenblick gerechtfertigt an.
Es entsteht eine Mischung aus den erst genannten, gepaart mit einem verzweifeltem, hohen Kichern. Die Asiaten stoppen ihre Lunchvorbereitung und schauen mich verwirrt an. In diesem Moment wünschte ich mir ich könnte meinen Körper für ein paar Minuten verlassen und die Situation von einem anderen Standort betrachten. Einem Blickwinkel, der nichts mit dem ganzen Drama zu tun haben würde. Wie die unschuldigen Asiaten, die wahrscheinlich nichts anderes, als das bevorstehende Sightseeing im Kopf haben und sich bestimmt über die komische Engländerin wundern, die ganz offensichtlich einen an der Waffel hat. Ich wünschte, ich könnte die Person sein, die mich mitleidig anschaut und sich im nächsten Moment etwas anderes zuwenden kann.

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