#55- Der Tab, der sich nicht schließen lässt

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Ich atme tief ein und wieder aus. Und gleich noch mal. Leicht streiche ich mir die Haare aus dem Gesicht und schau zu Mae, während die Gruppe Jungs vor uns stehen bleibt.

„Ohhh und Stella ist auch schon wach, was für ein Glück", sagt er schelmisch und ich sehe aus den Augenwinkeln wie Andrew grinst.

„Hey Stella", sagt Jace. Es ist das erste Mal, dass er mich vor anderen direkt anspricht. Mein Herz fängt an Rekordgeschwindigkeit aufzunehmen und ich schlucke hörbar.

„Hallo", sage ich kleinlaut und traue mich noch immer nicht seinen Blick zu erwidern. Für einen kurzen Moment ist es still - Im Raum. Zumindest denke ich das, denn eigentlich müssten alle mein aufgeregtes Herz hören, das wild pocht.

Unbewusst lege ich eine Hand auf mein Brustbein. Ich weiß nicht genau was ich damit bezwecke, doch ich rede mir ein das Schlagen dadurch ein wenig bändigen zu können.

Noch immer spüre ich seine Augen auf meinem Gesicht und am liebsten würde ich Mae irgendein Zeichen geben, damit sie ein Gespräch beginnt, doch erstens ist sie in ihrer eigenen Gedankenwelt und zweitens beobachten uns die Jungs so intensiv, dass auch das kleinste Augenzwinkern schon verdächtigt wirken könnte.

Zu meiner Überraschung rettet Jace uns alle aus diesem unangenehmen Moment, indem er mich fragt, warum ich schon so früh wach bin.

„Ich weiß auch nicht", sage ich und traue mich zum ersten Mal seinen Blick zu erwidern. „Ich habe diese Nacht nicht so gut geschlafen und habe viel was mir durch den Kopf geht". Unsere Blicke verhaken sich ineinander und jetzt bin ich mir ziemlich sicher, dass alle mein dummes, naives Herz hören, dass in nano Geschwindigkeit Blut durch meinen Körper pumpt.

„Und ihr? Was macht ihr so früh hier? Ihr habt doch gestern bestimmt noch den erfolgreichen Auftritt gefeiert?"

Wow, Stella. Zufrieden schlage ich mir innerlich auf meine Schulter. Fast schon ein richtiges Gespräch. Mit den Ereignissen von gestern Nacht, die mir noch ein bisschen nachhängen, ist mein Smalltalk-Versuch eigentlich schon Oskar qualifizierend.

Jetzt lächelt Jace. Seine Mundwinkel ziehen sich auseinander und zeigen zwei Reihen leuchtend weißer Zähne. Dieses Lächeln – ich sterbe.

„Ja, war schon eine ziemlich schöne Nacht gestern", antwortet er. „Aber wir wollten noch etwas von London haben." Er fährt sich so typisch Jace mäßig durch seine dunklen Haare.
„Es gibt hier einen super Musikladen, den wir gerne auschecken wollen."

Während ich insgeheim die Antwort sehr süß finde, sehe ich wie Mae und Andrew sich gegenseitig still betrachten. Was ist da gestern nur geschehen? Und warum verhält sich meine normalerweise so offene Freundin, auf einmal so merkwürdig?

„Korrigiere", ein blonder Typ hinter Jace, den ich noch nie bewusst wahrgenommen habe, meldet sich zu Wort. „Jace möchte da unbedingt hin und hat uns alle aufgeweckt, wir wollen eigentlich alle lieber weiterschlafen", er zuckt verhalten mit den Schultern, zeitgleich verdreht Jace seine Augen. Auch dabei wirklich sehr attraktiv, verdammt. Meine rosa-rote Brille lässt meinen Blick immer mehr verstrahlen.

Ich löse meinen Blick von seinem Gesicht, innerlich ziehe ich meine Augen weg, weg von der Schönheit, die sie gerne noch weiterbetrachtet hätten. Ein bisschen so, als ob ein Körperteil mir nicht mehr gehorchen würde und ich ihn gewaltsam wegziehen müsste – Faktisch der Fall.

„Ja und dann muss Romeo bestimmt noch telefonieren", sagt Andrew, der nun endlich auch seinen Blick von meiner Freundin löst. „Die ruft in Dauerschleife an", er lacht. „Das muss Lieebbbeeee sein". Er haut seinen Kumpel mit der Faust auf gegen die Schulter.

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