Prolog

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Die Regentropfen prasselten auf mich nieder. Zuerst langsam. Dann schüttete es wie aus Eimern. Trotz des Dachvorsprungs, unter dem ich saß, war ich nach kürzester Zeit bis auf die Haut durchnässt. Ich hatte noch keine Unterkunft für die Nacht gefunden, aber vielleicht würde ich auch einfach hier draußen bleiben. Daran sollte ich mich langsam gewöhnen. Das Geld würde nicht ewig reichen. Ich lehnte den Kopf gegen die Wand, drückte meine Tasche fest gegen mich und schloss für einen Moment die Augen. Wenn ich nur fest genug daran dachte, konnte ich es fast spüren. Wie mir das Feuer wärmend über die Haut fuhr... Ich kauerte mich zusammen. Scheiß Leben. Warum hatten sie es nicht einfach beendet? Warum taten sie mir das hier an?

Knarzend öffnete sich die Tür des Hauses, unter dessen Dachvorsprung ich Schutz gesucht hatte. Vermutlich wollte man mich von hier fortjagen, wer hatte schon gerne eine Gestalt wie mich vor seinem Haus sitzen?

,,Möchtest du nicht reinkommen? Ich habe gerade Tee aufgesetzt."

Verwundert blinzelte ich und sah auf. Ich erblickte eine Frau, um die achtzig, die mit einem rosa geblümten Regenschirm vor mir stand. Sie lächelte mich so freundlich an, als wäre ich ihr Enkelkind anstelle eines schwarzgekleideten, tätowierten Kerls, der wie der Tod höchstpersönlich vor ihrer Tür saß.

,,N-nicht nötig", stieß ich hervor, die eisige Kälte kroch mir in die Knochen, und jagte mir einen Schauer über den Rücken.

Die Frau stemmte den freien Arm in die Hüfte und sah mich streng an. ,,Junger Mann, du holst dir hier draußen noch den Tod. Wärme dich wenigstens ein wenig auf und trink eine Tasse Tee."

Zögerlich erhob ich mich und nahm meine Tasche in die Hand. Ich folgte der Frau zur Haustür und stieg vor Betreten des Hauses aus meinen durchnässten, Matsch-versifften Stiefeln.
Die Wohnung war urig, verschnörkelte Türgriffe und Möbel aus Mahagoni ließen sie genau so aussehen, wie man sich die Wohnung einer älteren Dame vorstellte. Die Wärme tat gut und ließ mir einen wohligen Schauer über den Rücken fahren.

,,Der Tee braucht noch einen Moment." Die Frau schenkte mir ein Lächeln, welches weitere Falten in ihrem Gesicht formte. ,,Warte einen Moment, ich bringe dir ein Handtuch. Du bist ja völlig durchnässt."

Während sie davonrauschte, schüttelte ich irritiert den Kopf. Warum war sie so freundlich zu mir? Ich hatte vor ihrer Haustür gelungert und sie... - half mir? Wenige Sekunden später wurde mir ein Handtuch in die Hand gedrückt. Sie war wirklich flott zu Fuß für ihr Alter.

,,Danke."

Sie deutete auf eine Tür. ,,Dort ist das Badezimmer, bis du dich umgezogen hast, sollte auch der Tee fertig sein."

Ich tat, wie mir befohlen wurde und saß wenige Minuten später schließlich mit weitestgehend trockenen Klamotten und einer Tasse Earl Grey in der Hand auf einem urigen Sofa. Ich hätte es wirklich schlechter erwischen können. Während ich meine Haare mit dem Handtuch trocknete, spürte ich den Blick der älteren Frau auf mir. ,,Wie ist dein Name?", fragte sie und schob die Milch zu mir rüber.

Ich beachtete die Milch nicht weiter. ,,Seth", antwortete ich einsilbig und drückte mechanisch das Wasser aus meinen Haaren.

,,Woher kommst du? Hast du denn kein Zuhause?" Ihr Lächeln war so warm und aufrichtig, dass ich kurz davor war, ihr mein gesamtes Herz auszuschütten. Aber was sollte ich ihr schon erzählen? Dass ich ein gefallener Gott war, Sohn des Totengottes? Eher nicht.

Ich starrte auf den Boden. ,,Ich komme aus West Virginia."

,,Das ist interessant." Sie trank einen Schluck ihres Tees und nickte in meine Richtung. ,,Du hast einen anderen Akzent."

Ich zuckte mit den Schultern. ,,Ich hab fast überall schon mal gewohnt. Mein Akzent ist eine wilde Mischung aus russisch, griechisch und amerikanisch."
Ich ließ das Handtuch sinken und schob meine Haare über die Schulter zurück. 
,,Du hast großartiges Haar, Junge." Sie lächelte. ,,Früher hatte ich auch mal so langes Haar - aber wir werden ja alle nicht jünger, nicht?"

Inferno - Todessohn IIIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt