Kapitel 1.1

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~Cleo

Nachdem ich im Eiltempo geduscht hatte und mir das T-Shirt mit Einhornaufdruck überzogen hatte, um Rev glücklich zu machen, wollte ich gerade die Tür öffnen, als ich Stimmen von draußen vernahm. Ich runzelte die Stirn. Entweder, Rev führte Selbstgespräche oder er hatte jemanden ins Zimmer gelassen. Hoffentlich war es nicht Dawson.

Schwungvoll öffnete ich die Tür und stellte fest, dass vor meinem Bett nun eine weitere Person stand. Dunkles Haar fiel ihm über die Schultern, durchzogen von dünnen Zöpfen, an denen antike Metallperlen glänzten. Meine Muskeln entspannten sich ein wenig und ich stieß langsam die Luft aus. Seit der Ratssitzung war ich jedes verdammte Mal froh, wenn ich Rune sah. Sein Auftrag an diesem Internat war erfüllt, das hieß, die Götter könnten ihn jederzeit an einen anderen Ort zitieren. Mir fuhr ein Schauer über den Rücken. Er könnte von einem auf den anderen Tag einfach wieder aus meinem Leben verschwinden.

Rune drehte sich um. Ein bernsteinfarbenes Augenpaar richtete sich auf mich. ,,Cleo."

Während ich ihn einen Moment einfach nur ansah, wurde mir bewusst, dass es ungewöhnlich für ihn war, hier aufzukreuzen. Normalerweise trafen wir uns eher auf dem Campus. Ich wusste nicht, ob ich es mir einbildete, aber es kam mir fast so vor, als würde er seit der Ratssitzung meine Nähe suchen. Vielleicht hatte er ebenfalls im Hinterkopf, dass... dass er möglicherweise nicht mehr lange hier sein würde.

,,Hi", erwiderte ich schließlich.

Rev sprang von meinem Bett auf und legte Rune einen Arm um die Schulter, woraufhin mir dieser einen hilfesuchenden Blick zuwarf. ,,Der hat eben geklopft, als du mich hier Stunden allein hast sitzen lassen", teilte Rev mir mit vorwurfsvollem Unterton mit.

,,Das waren fünf Minuten!", protestierte ich.

Rev räusperte sich. ,,Jedenfalls habe ich ihn reingelassen. Ich dachte, du hast da nichts gegen." Hatte er etwas am Auge... oder zwinkerte er mir gerade verschwörerisch zu?

,,Ich habe nichts dagegen", bestätigte ich und warf Rev einen prüfenden Blick zu.

Dieser schenkte mir nur ein bekifftes Lächeln und nahm den Arm von Runes Schulter. ,,Ich muss gehen!", sagte er unvermittelt und ging zur Tür. ,,Hab noch einen Termin, den hatte ich ganz vergessen. Ich kann euch beide doch allein lassen?"

Irritiert sah ich dabei zu, wie er die Hand auf die Türklinke legte und sie öffnete. ,,Aber du wolltest doch-", setzte ich an.

,,Tut mir echt leid, wir holen das nach", flötete er und zwinkerte mir erneut zu. ,,Bis später!" Dann huschte er durch die Tür und ließ sie geräuschvoll hinter sich ins Schloss fallen. Ich tauschte einen Blick mit Rune, der ähnlich irritiert aussah wie ich. Was war das denn gewesen?

,,Äh, ja." Ich kratzte mich am Kopf.

Rune blinzelte.

Einen Moment schwiegen wir beide, die Stille zog sich unangenehm lange, bis Rune sich schließlich räusperte. ,,Wie geht es dir?", fragte er schließlich.

,,Ganz okay", erwiderte ich. ,,Und dir?"

Er nickte nur. Das tat er immer. Ich war mir nicht sicher, ob er diese Frage jemals beantwortet hatte. Rune benahm sich, als wäre er selbst kein Individuum, als würde sein eigenes Wohlbefinden keine Rolle spielen. Estelle hatte einmal gesagt, er wäre ein Werkzeug der Götter und manchmal kam es mir vor, als würde Rune das genauso sehen - als wäre es egal, dass die Götter ihn sein Leben lang nur ausgenutzt hatten.

,,Du... du bist noch hier", sagte ich schließlich zögerlich und vermied es, ihn anzusehen.

Er sagte nichts, deshalb vermutete ich, dass er erneut nickte. Als ich schließlich doch den Kopf hob, sah er mich aus seinen gelben Iriden durchdringend an. ,,Dir geht es nicht wirklich gut."

Inferno - Todessohn IIIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt