Kapitel 7

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Astrid

Am nächsten Morgen klopfte jemand an meine Tür.
»Ja?«, sagte ich noch halb im Schlaf.
»Ich bin's, Rapunzel. Kann ich rein kommen?«
Ich knipste das Licht auf dem Tischchen an und rieb mir den Schlaf aus den Augen. »Klar.«
Sie öffnete die Tür ein Stück und steckte den Kopf hinein. »Morgen.«
»Moin.«
»Die Mädels wollten wissen, ob du mit in die Stadt kommst. Sie hatten die Idee, dass wir alle dann zusammen shoppen gehen können, damit du ein paar mehr Anziehsachen hast, als diese zwei Kleider und Hosen. Außerdem müssen wir noch überlegen, wie wir dich nicht erkennbar machen.«
Noch halb im Schlaf nickte ich einfach. Danach ging ich erstmal unter die Dusche, damit ich wach wurde. Als ich in meinen Schrank guckte, fiel mir erst auf, dass Anna Recht hatte. Ich suchte mir einfach wieder die Sachen von gestern raus und schmiss sie mir über; meine Haare steckte ich in einen Dutt.
Ich traf Raffnuss und Taffnuss auf dem Gang und zusammen fuhren wir zur Cafeteria. Wie gestern konnte man wieder aussuchen zwischen Cornflakes, Crossaints oder Brötchen. Rapunzel und Anna sprachen angestrengt darüber, was mir am besten stehen würde und Rotzbakke flüsterte mir zu, dass es einfach alles wäre.
»Ihr wisst schon, dass wir genug Zeit haben, um das zu testen«, unterbrach Elsa das Gespräch.
»Das mag zwar sein, aber wir brauchen einen strickten Plan, damit wir nicht durcheinander kommen. Also, zuerst Kleidung überhaupt, danach Schuhe und dann Accessoires«, sagte Anna daraufhin nachdenklich.
»Na ja, ich bin nicht so der Fan von Accessoires«, sagte ich dazwischen.
»Gut, dann keine Accessoires. Aber Unterwäsche, deine ist schrecklich.«
Sie sagte das in dem Moment, in dem ich einen Schluck Kakao nahm. Ich spuckte ihn fast über den Tisch, bekam ihn aber noch in die Tasse. Danach hustete ich.
»Wann zur Hölle hast du in meiner Unterwäsche rumgewühlt?«, sagte ich und versuchte die Röte zu vertuschen.
»Gestern, als du den ganzen Tag weg warst.«
Mein Gesicht wurde noch röter, als mir wieder einfiel, dass hier auch Jungs am Tisch saßen. Bei Hicks konnte ich von der Seite schon das unterdrückte Grinsen erkennen. Am liebsten hätte ich Anna und ihm eine geklatscht.
Danach dauerte es zum Glück nicht mehr lange, bis wir aufbrachen. Wir nahmen uns eines der großen Autos, welches ganz vorne wie gewohnt zwei Plätze hatte, dahinter auch zwei Plätze und in der letzten Reihe drei. Elsa saß auf dem Fahrersitz, Rapunzel auf dem Beifahrerplatz, Anna und ich hinter den beiden und ganz hinten saß Raffnuss. Fast die ganze Fahrt lang bequatschte Anna mich mit den besten Läden, erklärte mir die Route, fragte mich, was ich denn so mag und so weiter und so fort.
In dem riesigen Einkaufszentrum war es noch relativ leer, als wir dort ankamen. Die Decke bestand vollkommen aus Glas, es gab fünf Etagen und wahrscheinlich um die Tausend Läden.
»Ich glaube, ich hab mich noch nie so klein gefühlt«, sagte ich, als ich mich umsah.
»Ja, so haben wir anfangs auch reagiert. Die haben hier so ziemlich jeden Laden, also wird das eine Weile dauern«, sagte Rapunzel.
Annas Tour begann mit den Anziehsachen. Wir gingen in die gewöhnlichen Läden wie H&M oder New Yorker oder Mango oder oder oder. Sie suchten mir Blusen, T-Shirts, Pullover, Jeans, Hot Pans, Kleider und so weiter raus und jedes Mal musste ich das, was mir gefiel, anprobieren und ihnen vorführen. Damit waren wir Stunden beschäftigt.
Die Schuhe waren noch schlimmer. Rapunzel hatte mir welche mit Absätzen andrehen wollen, worauf ich aber lieber verzichtete. Hinterher hatte ich zwei paar Turnschuhe und Winterschuhe.
In Accessoire Läden sind wir zwar gegangen, aber ich hatte mir nichts gesucht. Und zum Schluss haben wir Unterwäsche gesucht. Das war wohl das Peinlichste überhaupt. Ich war so rot gewesen, als wir da hinein gegangen waren. Elsa versicherte mir zwar die ganze Zeit, dass es mir nicht peinlich sein müsste, weil das normal war, aber so war ich eben. Und Raffnuss fiel auf einmal wieder ein, dass sie auch neue Unterwäsche brauchte, was die anderen auch suchen ließ und das erste Mal seit dem Morgen durfte ich alleine suchen.
Ich suchte gerade meine Größe bei einem schlichten weißen BH, als jemand »Hey, Mädels« von draußen rief. Die Jungs standen vor dem Spiegel und grinsten uns alle an. Mein Gesicht wurde sofort heiß und wahrscheinlich so rot wie eine Tomate. Schnell ging ich von dem BH weg.
Elsa schien es aber nicht zu kümmern, denn sie nahm sich ein Dessous von einem Haken und hielt es vor sich.
»Hey Jack! Gefällt dir das?«, sagte sie. Sofort verschwand sein Lächeln und er wurde knallrot. Die Jungs fingen an zu lachen, wie auch Elsa. Jack aber versuchte es runterzuspielen.
»Sieht toll aus«, sagte er.
Ich konnte nicht anders und fing auch an zu lachen.
»Wir sind in der Eisdiele und warten dort«, sagte Kristoff.
»Okay«, antwortete Anna.
Hinterher hatte ich um die fünf Paar neue Unterwäsche. Zum Glück hatte ich Rapunzel und Anna ausreden können, dass ich irgendwas mit Spitze kaufte oder so. Ich war Single, also wäre das nur Geldverschwendung gewesen.
Wie gesagt, saßen die Jungs in der Eisdiele auf einem Ecksofa. Manche hatten sich einen Milchshake geholt, manche einen Eisbecher. Wir setzten uns zu ihnen und bestellten sofort. Ich einen Schokoshake, wie Anna und Elsa, Rapunzel einen Erdbeer-Eisbecher und Raffnuss dasselbe, wie ihr Bruder, was irgendein Misch-Masch war.
»Hey Elsa, hast du dir das wirklich gekauft?«, fragte Eugene und grinste wieder sein Diebeslächeln.
Sie tat auf unschuldig. »Wer weiß.«
»Jack später«, sagte Hicks und wir fingen wieder an zu lachen, bis auf Jack.
»Was habt ihr denn alle gegen mich?«, sagte er nur und schmollte.
»Ach, Jack, spiel nicht den Beleidigten. Das ist doch nur Spaß«, sagte Elsa und raufte ihm durch's Haar.
Die Kellnerin brachte uns unsere Bestellungen, mit einem langen Blick auf Hicks und tiefen Ausschnitt, wie mir auffiel, da ich neben ihm saß. Sie ging mit einem Zwinkern zu ihm wieder weg. Er aber schien nichts bemerkt zu haben.
»Du weißt schon, dass sie was von dir will?«, flüsterte ich ihm zu.
»Wer?«, fragte er flüsternd.
»Die Kellnerin! Sie hat nicht die Augen von dir gelassen und ihr Ausschnitt war mehr als tief. Das war schon der Grund«, antwortete ich.
Er grinste. »Ich achte da nicht so drauf.«
Gespielt geschockt, wich ich von ihm zurück. »Was bist du denn für ein komischer Junge?«
»Nur weil ich nicht jeder Frau in den Ausschnitt und auf den Arsch gucke bin ich kein normaler Junge?«
Ich verdrehte die Augen. »Das habe ich nicht damit gemeint. Es ist nur ...«, ich suchte nach dem richigen Wort, »... sonderbar.«
»Sonderbar?«, fragte er unglaubwürdig und zog eine Augenbraue hoch.
»Ja, du bist sonderbar für einen Jungen in deinem Alter.«
»Also findest du Rotzbakke normal?«, sagte er daraufhin. Ich schaute an ihm vorbei, Rotzbakke hatte seinen Arm hinter Raffnuss ausgelegt, doch die versuchte ihn immer wieder abzuschütteln und bedrohte ihn damit, dass das Eis gleich in seinem Gesicht landete. Er gab aber nicht auf und manchmal driftete sein Blick kurz ab.
»Nein, der ist noch unnormaler«, sagte ich kurz angebunden.
»Jetzt bin ich also unnormal?«
»Was?«, sagte ich. Er sah mich mit einer hochgezogenen Braue an. »Oh, nein, so war das nicht gemeint! Ich meinte nur ... also ... ich wollte nicht ...«, stammelte ich vor mich hin.
Dann lachte er wieder auf. Das war nicht sein Ernst. Jedes Mal, wenn ich mit ihm redete, endete das so. Was war denn jetzt schon wieder so witzig?
»Ich mach doch nur Spaß«, sagte er nach seinem Lachanfall. War ja mal wieder sehr witzig.
Die Kellnerin kam nach einer Weile nochmal und fragte, ob wir noch was wollten. Kurz vorher hatten wir aber beschlossen, dass wir langsam gehen sollten, also musste sie uns die Rechnung aushändigen. Oder wohl eher Hicks aushändigen. Als er bezahlt hatte, kam er zu uns und wir liefen zum Parkplatz.
»Du hattest Recht«, sagte er zu mir und hielt einen Zettel hoch. »Sie hat mir ihre Nummer gegeben.«
»Sag ich doch. Und? Wirst du sie anrufen?«, fragte ich und wackelte mit meinen Augenbrauen.
Er sah kurz auf den Zettel. »Sehr wahrscheinlich nicht«, sagte er und zerknüllte ihn in der Hand.
Ich wich erschrocken ein Stück zurück. »Was? Du willst sie nicht anrufen?«
»Nein. Ich steh nicht so auf Brünett«, sagte er.
»Weißt du eigentlich, was du dir für eine Chance entgehen lässt?«
»Falls ich dich daran erinnern darf, ich bin siebzehn und sie um die zweiundzwanzig. Ist doch klar, dass ich sie nicht anrufe. Außerdem will sie mich nicht mal richtig kennenlernen.«
»Woher willst du das wissen?«, sagte ich angeberisch.
»Immer, wenn wir dort sind, flirtet sie mit mir. Und wenn ich mal nicht da bin, dann flirtet sie mit jemand anderem. Sie sucht sich Typen für eine Nacht und am nächsten Tag sind sie vergessen.«
Ich nickte. »Aha, und du bist irgendwie Edward aus Twilight und kannst Gedanken lesen, ja?«
Er lächelte. »Vielleicht. Du denkst gerade an ...«, er überlegte und tat so, als würde er meine Gedanken wirklich lesen, »... Weihnachten?«
»Falsch. Es war Vanillepudding«, sagte ich lächelnd.
»Ach, verdammt. Aber nah dran.« Wir lachten beide auf.

Abends saßen wir zusammen im Gemeinschaftsraum und redeten wild durcheinander. Bei Jack und Elsa war das Thema mit dem Dessous immer noch nicht vergessen, Rotzbakke versuchte immer noch Raffnuss anzubaggern und Fischbein versuchte Taffnuss irgendwas zu erklären.
»Hast du das jemals ausprobiert?«, fragte Rapunzel, die mir die Haare flechtete.
»Früher, aber irgendwann habe ich aufgehört sie zu flechten. Irgendwann fand ich es nicht mehr schön«, sagte ich und ging drei Felder mit meiner Spielfigur weiter.
»Ich mag es«, antwortete sie wieder.
»Sie hat Recht, das steht dir«, sagte Hicks, der jetzt ebenfalls mit seiner Figur weiter ging.
Sie bindete den Zopf noch zu und hielt mir dann einen Spiegel ins Gesicht. Mein Pony fiel mir über die Augen, kleine Strähnen hingen an den Seiten heraus und der Zopf ging mir über den Rücken.
»Und?«, fragte sie.
»Besser als ich jemals gemacht habe«, sagte ich und gab ihr den Spiegel wieder. Danach spielten Hicks und ich weiter Mensch-ärgere-dich-nicht.
Gegen elf war schon die Hälfte eingeschlafen, weshalb wir beschlossen uns selbst in die Betten zu schmeißen. Hicks brachte mich wieder zu meinem Zimmer und wünschte mir eine gute Nacht. Danach beeilte ich mich, da ich einfach nur noch in mein Bett wollte.

Meine Rettung, bevor ich zur Sexsklavin wurdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt